# taz.de -- Grüner Streit: "Es musste halt mal knallen" | |
> Der grüne Abgeordnete Benedikt Lux spürt in seiner Fraktion trotz allen | |
> Streits Lust auf inhaltliche Politik. Er sieht keinen Widerspruch | |
> zwischen Kreuzberg und dem Rest der Partei. | |
Bild: Benedikt Lux, Grünen-Abgeordneter | |
taz: Herr Lux, Sie waren mal bei den Parteilinken, wollen kein Realo sein, | |
verorten sich Mitte-links und damit zwischen den Fronten. Haben die Linken | |
Anspruch auf einen Chefposten? | |
Benedikt Lux: Nein. Es gibt formal keinen Anspruch darauf. Jeder | |
Abgeordnete darf selbst frei wählen. Allerdings steht grüne Politik auch | |
dafür ein Minderheiten zu berücksichtigen. An dem jetzigen Wahlergebnis | |
sieht man aber auch, dass sich viele ungebundene Abgeordnete von unseren | |
jetzigen Fraktionsvorsitzenden doch besser vertreten fühlen - wenn auch | |
knapp. | |
Beim ganzen Flügelstreit fragt man sich doch: Wie machen das die anderen | |
Grünen in 14 von 16 deutschen Landtagen? Nur in Bayern gibt es noch eine | |
Doppelspitze wie in Berlin. | |
Die grüne Doppelspitze hat eine gute Tradition, vor allem, damit wir | |
mindestens von einer Frau vertreten werden. Das nützt uns massiv, | |
vielleicht gerade auch in unserem aktuellen Konflikt. | |
Wie viel von dem aktuellen Streit ist Lagerkampf und wieviel persönlicher | |
Konflikt zwischen Dirk Behrendt und Volker Ratzmann? | |
Naja, es ging hier und da auch um die Ausrichtung der Grünen insgesamt - | |
oft leider viel zu oberflächlich. Ratzmann und Behrendt sind eigentlich | |
professionell genug, ihre Konflikte auszutragen ohne der gesamten Fraktion | |
zu schaden. | |
Die Kreuzberger Linken und der Rest der Partei, vor allem in Pankow, Mitte | |
und Zehlendorf - die konnten doch noch nie richtig miteinander. Was ist | |
inhaltlich eigentlich neu? | |
Diesen Widerspruch halte ich für konstruiert. Klar, es gibt ein anderes | |
Lebensgefühl in den Kiezen. Als jemand, der in drei dieser Bezirke schon | |
gewohnt und Politik gemacht hat, sage ich: Es gibt viele linke WählerInnen, | |
die mittlerweile in Lichterfelde wohnen und uns wählen, weil sie den | |
Ströbele von früher kennen. Genauso gibt es viele aufstrebende | |
Großstadtneulinge, die in Kreuzberg wohnen und uns wählen, weil sie Joschka | |
Fischer oder Cem Özdemir gut finden. Alle verbindet, dass sie weniger auf | |
Kosten anderer und auf Kosten unserer Zukunft leben wollen. | |
Das linke Lager sagt: Wir fühlen uns ins zentralen Fragen nicht vertreten - | |
Fraktionschefin Ramona Pop hingegen behauptet, dass es in den vergangenen | |
Jahren gar keine großen Auseinandersetzungen gab. Was ist wahr? | |
Beides. Viele Linke haben die Öffnung zur Mitte oder in das so genannte | |
bürgerliche Lager kritisch gesehen. Hier müssen sich auch unsere | |
Spitzenleute fragen, ob sie mit dieser Öffnung nicht übertrieben haben und | |
ob unser Wahlkampf dadurch nicht entsprechend langweilig und harmlos war. | |
In anderen Grünen-Landesverbänden gab es durchaus mal Abspaltungen. Ist es | |
so ausgeschlossen, dass das auch in Berlin passieren kann? | |
Ja, wenn alle bei Vernunft sind. Wir haben eine Riesenchance, als stärkste | |
Oppositionskraft gute Vorschläge für die Stadt zu machen. Und gerade weil | |
wir mit der Linkspartei und den Piraten konkurrieren, dürfen wir uns nicht | |
blockieren, sondern müssen schnell und konsistent linksalternative Ideen | |
liefern. Die bürgerlichste Opposition sind wir ja ohnehin. | |
Ist die jetzt vereinbarte Schlichtung ein innerparteiliches Stuttgart21 mit | |
einem grünen Heiner-Geißler-Verschnitt als Mediator? | |
Ja, kann man so sagen. Die Vermittler sollen die Interessen beider Lager | |
ausgleichen. Auch hier gilt: Sie organisieren einen Vorschlag, an dem sich | |
die frei gewählten Abgeordneten orientieren sollten aber nicht müssen. | |
Am Dienstagabend war trotz dicker Türen gut zu hören, wie heftig es bei der | |
Fraktionssitzung zuging. Ist da wirklich noch etwas zu retten? | |
Naja, es musste halt mal knallen, damit sich was ändert. Die taz hat uns ja | |
auch aufgefordert, dass wir uns streiten. Das werden wir auch weiter tun | |
(lacht). Ich bin sicher, alle grünen Abgeordneten haben richtig Lust | |
darauf, inhaltliche Politik zu machen. Das war trotz alledem in der | |
Fraktionssitzung richtig spürbar. Und die Chance dafür ist einmalig: Die | |
Politik einer großen Koalition hat uns Grüne bislang immer gestärkt. | |
3 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
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