# taz.de -- "Das Traumschiff" wird 30: Der Traum ohne Ende | |
> "Das Traumschiff" bereist seit 30 Jahren die Weltmeere. Produzent | |
> Wolfgang Rademann trotzt bis heute dem Zeitgeist - und brennt noch immer | |
> für die heile Welt. | |
Bild: 30 Jahre und kein Ende: das Traumschiff geht auf Jubiläumsfahrt. | |
Das "Büro Rademann" ist nicht besetzt. "Ich bin derzeit verreist", | |
informiert ein Schild auf dem Bartischchen. Eine Fernreise ist aber | |
unwahrscheinlich: Wolfgang Rademanns Aktenkoffer liegt aufgeklappt auf | |
einem Sessel, darin Zeitungen in einer Plastiktüte und ein Aktenordner. Im | |
Hintergrund singt Frank Sinatra wie bestellt "My Way". | |
Der Kellner weiß, wo Rademann zu finden ist: im Nebenraum der | |
Kempinski-Hotelbar am Kurfürstendamm - wo sonst? Dort erzählt er gerade | |
einem Fernsehteam, wie einsam sein Freund Harald Juhnke war: Außer seinem | |
Beruf hatte er nur den Alkohol, solche Sätze. Was Rademann eben so sagt, | |
wenn er nach Juhnke gefragt wird. Also andauernd. | |
Sie kannten sich ewig, Rademann hat etwa in den 70ern die Sketchcomedy "Ein | |
verrücktes Paar" mit Juhnke produziert. Der ist jetzt knapp sieben Jahre | |
tot, Rademann denkt nicht mal an die Rente: Am Sonntag läuft im ZDF die | |
Jubiläumsfolge des "Traumschiffs", das seit 30 Jahren die Weltmeere | |
bereist. Der Kitsch ist wie sein Produzent: einfach nicht totzukriegen. | |
## Goldene Zeiten | |
Rademann ist ein begehrter Interviewpartner, nicht nur zum Jubiläum. Nie | |
spricht er nur für sich, immer auch für das alte Westberlin, als der Kudamm | |
noch Nabel der Welt oder zumindest der Mauerstadt war. Und er steht für die | |
goldenen Zeiten des Unterhaltungsgewerbes, für die "Peter Alexander Show", | |
"Die Schwarzwaldklinik" und eben "Das Traumschiff", das den Siegeszug des | |
Privatfernsehens überlebt hat. | |
Es ist kein Straßenfeger mehr - Folge 12 sahen 1984 unglaubliche 25,15 | |
Millionen -, doch auch heute gucken noch rund 9 Millionen zu, wenn das | |
"Traumschiff" zweimal im Jahr ablegt. Immer an Bord: Produzent Rademann, | |
hölzerne Dialoge und allerlei Herzkranke - alters- und liebeskummerbedingt. | |
Den "Letzten seiner Art" hat "Traumschiff"-Fan Harald Schmidt seinen Freund | |
Rademann vor Kurzem genannt. Wolfgang Rademann ist "Das Traumschiff", und | |
"Das Traumschiff" ist Wolfgang Rademann. Er trägt die alleinige | |
Verantwortung - ohne jemals einen Vertrag mit der Produktionsfirma Polyphon | |
oder dem ZDF unterschrieben zu haben: Ein Mann, ein Wort. | |
Das Fernsehinterview ist zu Ende, Rademann wirft seinen massigen Körper in | |
den Sessel neben dem Aktenkoffer und fragt nach dem Anlass des Gesprächs. | |
30 Jahre "Traumschiff" natürlich! "Na prima", entgegnet das Knittergesicht, | |
als wäre ihm alles recht gewesen. Dass die taz nicht zu seinen Fans zählt, | |
stört ihn nicht. "Jeder hat so seinen Job und seine Zielgruppe. Eure ist | |
anders als meine", sagt er, "eigentlich haben wir keine Schnittmenge. | |
Deswegen können wir uns doch trotzdem unterhalten." | |
Wie angenehm: ein Profi! Seit 40 Jahren schreiben Journalisten über | |
Rademann, viele ausschließlich schlecht - und der mittlerweile 76-Jährige | |
ist wohl auch deshalb noch im Geschäft, weil er sich das nicht zu Herzen | |
nimmt. "Nur weil er einen verreißt, ist der Kritiker noch lange kein blöder | |
Hund", sagt er. Mehr noch: Rademann schätzt die Kritik als Korrektiv: "Wir | |
Fernsehmacher arbeiten praktisch ohne Publikumsecho, haben nur die Quote, | |
aber die ist zu Recht umstritten." Was parallel laufe, werde genauso wenig | |
berücksichtigt wie das Wetter. | |
Rademann beklagt auch den Bedeutungsverlust des Mediums Fernsehen: "Diese | |
vielen Sender, das Riesenangebot, 24 Stunden rund um die Uhr, führt zu | |
einer gewaltigen Abnutzung." Es ist nicht mehr so recht seine Welt, dennoch | |
hält sich Wolfgang Rademann unverdrossen in ihr. Dabei ist er der Letzte, | |
der sich an Moden orientiert. "Wir trotzen dem Zeitgeist", sagt er | |
selbstgewiss und erzählt, wie er die "Traumschiff"-Kostümbildner anweist, | |
die Darsteller klassisch zu kleiden, damit die in Wiederholungen nicht alt | |
aussehen. Weil er sich nicht bewegt, ist Wolfgang Rademann immer noch da. | |
Dabei kann er kaum etwas weniger leiden als Stillstand. Selbst seine eigene | |
Sitzposition langweilt ihn schnell. | |
Bevor er ein erfolgreicher TV-Produzent wurde, war Wolfgang Rademann ein | |
erfolgreicher Journalist. 15 Jahre lang arbeitete er für B.Z., Stern, | |
Hörzu, Bravo, "es gibt kaum ein Blatt in Deutschland, für das ich nicht | |
geschrieben habe", sagt er. Understatement ist nicht so Rademanns Ding. | |
Beim Stern bildete er ein Recherchegespann mit Gerd Heidemann, der später | |
wegen der gefälschten Hitler-Tagebücher entlassen wurde. | |
Dann allerdings bot sich 1962 die Chance, PR-Agent von Caterina Valente zu | |
werden, Rademann griff zu. Engagements für Pierre Brice und Peter Alexander | |
folgten. Damit war der Weg ins Showbusiness geebnet. In einer Branche, in | |
der sich viele notorisch zu Höherem berufen fühlen, nennt sich Rademann | |
"Unterhaltungsfuzzi" und will nichts anderes sein. Das verbindet ihn auch | |
mit Harald Schmidt: "Der Harald ist realistisch in seiner | |
Selbsteinschätzung, kein verblasener Spinner wie so viele in unserer | |
Branche." | |
"Das Traumschiff", inspiriert von der DDR-Serie "Zur See" und dem | |
US-Kitschklassiker "Love Boat", ist konzeptionell seit 30 Jahren und 64 | |
Folgen weitestgehend unverändert. Zwar wurde die Sendezeit verlängert, die | |
Schiffe haben gewechselt, die exotischen Drehorte sowieso, aber sonst setzt | |
Rademann auf Kontinuität: Heide Keller spielt seit Folge 1 die Chefhostess | |
Beatrice von Ledebur, in jedem Film gibt es drei Handlungsstränge, ein | |
Happy End versteht sich von selbst. "Die Leute wollen keine Überraschungen, | |
die wollen Berechenbarkeit", sagt Rademann. | |
Dabei war er nach Folge 18 schon mal durch mit seiner Idee, wollte die | |
Reihe beenden. Man ließ ihn nicht. Längst ist Rademann darüber heilfroh: | |
"Einen solchen Erfolg schmeißt man nicht freiwillig weg." Außerdem kommt es | |
ihm sehr entgegen, im Winter in wärmeren Gefilden zu drehen, ein | |
"Reisefuzzi" ist er nämlich auch. "Kess formuliert: Ich habe ,Das | |
Traumschiff' eigentlich für mich erfunden." | |
## Heilige Kuh | |
Christoph Maria Herbst teilt diese Begeisterung nicht. Drei Wochen | |
verbrachte der Schauspieler ("Stromberg") Anfang 2010 in der Welt des | |
Wolfgang Rademann. "Jeder hinter der Kamera macht seinen Dienst nach | |
Vorschrift und jeder vor der Kamera zieht eine seiner maximal zwei | |
Schubladen - fertig!", schreibt er in seinem Buch "Ein Traum von einem | |
Schiff". "Ich versuchte, meiner Langeweile Herr zu werden, und entdeckte | |
das Schreiben als Ventil dafür", sagt er. Mitreisenden wäre es lieber | |
gewesen, er hätte dichtgehalten, einige Buchpassagen mussten geschwärzt | |
werden. "Dass ich der anscheinend letzten heiligen Kuh unserer Gesellschaft | |
ans Bein gepisst habe, war mir nicht bewusst", sagt Herbst, "aber ich würde | |
es jederzeit wieder tun." | |
Ungleich zahmer geht er mit Rademann selbst um. Hatte Herbst vor der ersten | |
Begegnung Rademann noch als präpotenten "Fernsehwolf" imaginiert, machte | |
ihn das Kennenlernen - im Kempinski natürlich - zum Lämmchen. Sein Buch sei | |
"eine einzige Verbeugung" vor diesem "Charisma-Koloss" und "straightem | |
Überzeugungstäter". Elf Bier und einen Blick in mitgebrachte Reiseprospekte | |
später hatte er die Rolle zugesagt. | |
Am Tag nach dem Gespräch mit der taz wird Wolfgang Rademann nach Hamburg | |
fahren und sich am Bahnhof wie immer hinter einer Säule verstecken, bis | |
alle anderen eingestiegen sind. Überraschungen mag er auch beim Zugfahren | |
nicht. Er wolle bloß niemanden treffen, "der mich ansülzt und mir die Zeit | |
versaut". Rademann fährt nach Hamburg, um Leute zu treffen, aber eigentlich | |
fährt er nach Hamburg, um mal wieder ungestört Zeitung zu lesen. Rademann | |
war gerade eine Woche unterwegs, in Wien, Innsbruck, München, da hat sich | |
eine Menge angesammelt. | |
"In Berlin könnte ich die nie wegputzen, weil ich ja dauernd verabredet | |
bin." Und wegschmeißen? Kommt gar nicht infrage! Manisch? "Nö, dit is | |
befriedigte Neugier", sagt er und fläzt sich in den Sessel. "Lieber ick | |
erzähl anderen eine News, als dass mir jemand eine erzählt." Ein bisschen | |
Journalist ist Rademann eben immer noch. Genauso exzessiv guckt er übrigens | |
auch deutsche Fernsehfilme: Drei an einem Abend putzt er locker weg. Auch | |
Krimis. Produzieren würde er aber nie einen, "dit kann ich nich". | |
Leerlauf gibt es nicht in Wolfgang Rademanns Leben. Weil er es nicht will | |
und auch nicht könnte. Irgendwas ist immer zu tun, muss immer zu tun sein. | |
Rademann steht in Flammen. Das sieht man am jungenhaften Leuchten in seinen | |
Augen. Seit 35 Jahren führt er eine Fernbeziehung mit der Schauspielerin | |
Ruth-Maria Kubitschek, aber verheiratet ist er mit seinem Beruf. Und wenn | |
am Wochenende mal nichts los ist? "Dann husche ich ins Kino oder | |
irjendwat." | |
Nach gut einer Stunde ist Rademanns Verabredung Nummer vier für diesen Tag | |
vorbei. Bevor es mit dem Taxi über die Avus zurück nach Zehlendorf geht, | |
hat er aber noch einen Termin. "Ich hatte schon mehr", stellt er klar, als | |
hätte jemand daran gezweifelt. Rademanns Überzeugung: Nach einer Stunde ist | |
alles gesagt; seine Maxime: Konzentration, bloß keine Laberei. Eine längere | |
Audienz bekommt höchstens der Papst - aber nur, wenn er im "Traumschiff" | |
mitspielt. | |
Die Jubiläumsfolge läuft am Sonntag um 20.15 Uhr im ZDF. | |
4 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
David Denk | |
David Denk | |
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