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# taz.de -- NS-Jugendfilme mit eindeutiger Botschaft: Unter jungen Kameraden
> Jugendfilme der Nazis progagieren einen klassenübergreifenden Begriff der
> Kameradschaft. Eine Filmreihe der Topographie des Terrors in Berlin zeigt
> wie.
Bild: Eine Filmreihe der Berliner Stiftung Topographie des Terrors hinterfragt …
Die Kameradschaft bringt dem Volk Erlösung. In der Kameradschaft aufrechter
deutscher Männer werden die Schulden von Klassenhass und Ausbeutung getilgt
und aufgehoben. Diese religiös anmutende Vorstellung einer
soldatisch-volksgemeinschaftlichen Solidarität - bei der die Frauen als
autofahrende und arbeitende Schwestern, Mütter und Gefährtinnen
kameradschaftlich zur Hand gehen - steht im Zentrum des
nationalsozialistischen Jugendfilms.
Anders als die beschwingten Komödien der Ära kennt man den NS-Jugendfilm
nicht aus dem Nachmittagsprogramm des ZDF: Die Spielfilme, die von der
Berliner Stiftung Topographie des Terrors derzeit in der Reihe "Jugend im
NS-Film" gezeigt werden, sind sogenannte Vorbehaltsfilme. Sie dürfen nur in
geschlossenen Veranstaltungen mit sachkundiger Einführung gezeigt werden.
Das Personal, das an der Produktion dieser zwischen 1934 und 1944
entstandenen Filme beteiligt war, ist dagegen gut bekannt. Herbert
Reinecker etwa, der das Drehbuch zu "Junge Adler" schrieb, hat Generationen
von Zuschauern geprägt, vor allem mit seinen Krimiserien "Der Kommissar",
"Der Alte" und "Derrick". Ab 1942 leitete er die "Reichszeitschrift der
Hitler-Jugend" namens Junge Welt.
Sie diente der Vorbereitung der Jungmänner auf den Krieg. Auch in "Junge
Adler" von 1944 geht es darum, die Technikbegeisterung junger Männer für
die Kriegsziele des Regimes auszubeuten. Der Film handelt von Lehrlingen in
der Flugzeugproduktion.
"Junge Adler", der am Donnerstag zu sehen sein wird, ist ein perfekt
arrangierter Mainstreamfilm. Der Zuschauer lässt sich schnell in den
Vater-Sohn-Konflikt hineinziehen, in dessen Verlauf das Verhältnis zwischen
Kapital und Arbeiterklasse, Oben und Unten, Alt und Jung ausgelotet - und
durch die Kameradschaft vermittelt wird.
Auch einige der bereits gezeigten Filme der Reihe arbeiten nach diesem
Muster. Doch im Gegensatz zu "Junge Adler", der mit allen Prädikaten
ausgezeichnet worden ist, blieb Filmen wie "Kopf hoch, Johannes!" (1941)
und "Jungens" (1941) die offizielle Anerkennung des Propagandaministeriums
versagt. In allen drei Filmen geht es explizit um Klassenunterschiede.
Der Antagonismus zwischen Besitzenden und Besitzlosen wird in "Jungens"
sozialistisch gelöst: Die Fischer von Dünendorf gründen eine
Genossenschaft. Dem ausbeuterischen, kriminellen Gastwirt der Insel, der
Schnaps schmuggelt, wird das Handwerk gelegt. Ein junger Lehrer und
Gefolgschaftsführer der HJ organisiert die Fischer und ihre Söhne: "Ein
Staat kann noch so viel Gutes wollen, aber wenn keiner da ist, der es
verwirklicht …"
## "Wer nicht gehorchen kann, hat auch nicht das Recht, zu befehlen"
Im Napolafilm "Kopf hoch, Johannes!" ist es die Nationalpolitische
Erziehungsanstalt Oranienstein, die erfolgreich den Sohn des Gutsbesitzers
und den Sohn eines Arbeiters in ihre naturwüchsige Gemeinschaft integriert,
die nach dem Führerprinzip organisiert ist: "Wer nicht gehorchen kann, hat
auch nicht das Recht, später einmal zu befehlen", sagt der Leiter seinen
Eliteschülern. Die Behörden goutierten den Film nicht.
Dass ein undisziplinierter, das Lernen verweigernder Jungmann so
nachsichtig von Napola-Pädagogen behandelt wird wie der titelgebende
Gutsbesitzerssohn Johannes, ging dann doch zu weit. Bei "Jungens" wiederum,
dem im Wortsinn nationalsozialistischen Fischerdrama mit antisemitischen
Untertönen, störte sich die Reichsjugendleitung nicht an der heiklen Szene,
in der ein Junge etwas über seinen Vater weiß, der nun Angst haben muss,
vom eigenen Sohn denunziert zu werden. Man kritisierte vielmehr die
Darstellung von Hitlerjungen, die keine ordentliche Uniformen haben, weil
sie zu arm sind, wie die Söhne der Fischer, die im Film gezeigt werden.
Der Chef des deutschen Films, Joseph Goebbels, erkannte, dass "Kopf hoch,
Johannes!" und "Jungens" ihre agitatorische Absicht zu offenkundig zeigten.
Sein Diktum lautete: "Was wir wollen, ist mehr als dramatisiertes
Parteiprogramm." "Junge Adler" war ein diesbezüglich fast perfektes
Produkt, ein nur am Rande politisches Drama, das seine Verführungskraft
entfaltet, indem es Konflikte in einer Weise auflöst, die dem
Harmoniebedürfnis und dem Wunsch nach Begeisterung seiner Adressaten
entgegenkommt.
Goebbels wusste: "Die gute Laune ist ein Kriegsartikel." In "Junge Adler"
ist der strahlende, etwas arg leichtfüßige, aber charmante Willy Fritsch in
der Rolle des Ausbilders der jungen Flugzeugbauer dafür da, gute Laune zu
verbreiten.
## Berührungsängste mit dem deutschen Proletariat
Der Direktor des Flugzeugwerks Brakke (Herbert Hübner) schickt seinen Sohn
Theo (Dietmar Schönherr) im eigenen Werk in die Lehre, weil dieser sich
nicht fürs Lernen interessiert, sondern nur für Sport und Rauchen. Da
unten, an der Werkbank, kann man den von Hedonismus angefressenen Charakter
des Sprösslings vielleicht noch zurechtbiegen, meint er. Berührungsängste
mit dem deutschen Proletariat hat der deutsche Manager nicht.
Der junge Mann bewährt sich, als das Werk die Produktion seiner
Kampfflugzeuge steigern muss. Die Lehrlinge arbeiten nachts, um ihre Quote
überzuerfüllen: "Stellt euch das vor: Tausend Flugzeuge in der Luft.
Tausend Bordkanonen, und alle schießen sie aus unseren Kanzeln!", sagt
einer der Jungs mit leuchtenden Augen.
Die Kameradschaft hält die arbeitenden Kameraden von dem Gedanken ab, sie
seien nur eine Ressource der boomenden deutschen Wirtschaft. Die
Kameradschaft, der Krieg und das Kapital gehören zusammen: "Das mit der
Kameradschaft ist nicht so einfach, die kriegt man nicht für ein paar
Groschen", sagt Vater Stahl, der sympathische alte Seebär, dem
Direktorensohn im Flugzeugwerk.
7 Nov 2011
## AUTOREN
Ulrich Gutmair
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