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# taz.de -- Folgen der Bundeswehrreform: Keine Kampfhubschrauber für Roth
> Flugsimulator, Hallen, Landeplatz für 160 Millionen Euro: In Roth wurde
> die Infrastruktur für ein großes Hubschrauber-Regiment geschaffen. Das
> ensteht nun woanders.
Bild: Neue Hallen für neue Kampfhubschrauber, die nun doch nicht kommen: Kaser…
ROTH taz | Eigentlich wäre alles da. Zwei Wartungshallen, je 9.500
Quadratmeter groß, lang gezogen, glänzen wie silberne Iglus in der Sonne,
der grau asphaltierte Landeplatz, ein Flugsimulator, untergebracht in einem
mattschwarzen Kubus. Die Instandsetzungshalle, ebenfalls 3.500 Quadratmeter
groß und 20 Millionen Euro teuer, die modernste ihrer Art in Deutschland,
wurde noch im Sommer feierlich der Truppe übergeben.
400 Einfamilienhäuser würden dort hineinpassen – oder 1.200 Omnibusse, wie
einer damals ausgerechnet hatte. Nur etwas fehlt: die 32 Hubschrauber des
Typs "Tiger", die hier eigentlich untergestellt, zerlegt, wieder
zusammengebaut und vor allem von hier aus geflogen werden sollten.
Seit Jahren haben die Soldaten des Kampfhubschrauberregiments 26 "Franken"
der Otto-Lilienthal-Kaserne im mittelfränkischen Roth gewartet, dass die
"Tiger" endlich kommen. Seit Verteidigungsminister Thomas de Maizière sein
Konzept für die Bundeswehrreform präsentiert hat, ist klar: "Tiger" wird es
in Roth niemals geben.
Mehr noch, das gesamte Regiment mit derzeit 1.118 Soldaten und 89
Zivilbeschäftigten wird aufgelöst. Die 160 Millionen Euro Steuergelder, die
für die auf den "Tiger" ausgerichtete Infrastruktur verbaut wurden – in den
Sand gesetzt.
## Ursprünglich sollte es zwei Standorte geben
Statt Roth hat das nordhessische Fritzlar den Zuschlag erhalten.
Ursprünglich, als eine Reform noch lange nicht zur Debatte stand, wollte
die Bundeswehr knapp 80 "Tiger" anschaffen, genug für zwei Kasernen. Sowohl
Roth als auch Fritzlar haben kräftig investiert. Nun wird der Hubschrauber
lediglich in Fritzlar zu Hause sein.
In Roth dagegen wird gestrichen. Neben dem Hubschrauberregiment müssen noch
weitere Einheiten dran glauben. Die derzeit 1.904 besetzen Dienstposten
werden auf 540 Stellen reduziert. Oberstleutnant Christian Prestele gibt
sich dennoch guter Dinge, sagt, die Auflösung der vier von insgesamt sechs
Regimentern sei für ihn keine große Überraschung, man habe ja gewusst, dass
die Wehrpflicht ausgesetzt sei.
Grund für seine Freude: Die Offiziersschule der Luftwaffe, bisher in
Fürstenfeldbruck bei München, soll nach Roth verlegt werden. Der Standort
Fürstenfeldbruck wird aufgelöst. "Das war eine große Überraschung für uns",
sagt Prestele. Er selbst habe an dieser Schule seine Ausbildung erhalten,
sagt er und kommt ins Schwärmen. "Durch die Implementierung der
Offiziersschule werden die Kaserne und die Stadt Roth aufgewertet." Hier
werde der Führungsnachwuchs der gesamten Luftwaffe ausgebildet, hochrangige
Stabsoffiziere werden hier lehren und internationale Dozenten kommen, die
Otto-Lilienthal-Kaserne werde zu einem "Premiumstandort".
Zwar, das gibt er zu, werden nach der Auflösung der Regimenter weniger
Soldatenfamilien in Roth wohnen, "aber die, die dann hier wohnen, haben
eine höhere Kaufkraft". Zusätzlich müsse sich die Stadt ein Konzept
überlegen, wie sie den jährlich bis zu 500 Lehrgangsteilnehmern, die vom
ersten Ausbildungstag an Geld verdienen, etwas bieten könne.
## 11,6 Prozent weniger Soldaten
Knapp sechs Kilometer weiter nördlich ist dem Bürgermeister der Stadt Roth,
Ralph Edelhäußer (CSU), nicht nach Schwärmen zumute. Erst im März wurde der
38-Jährige von den Rothern gewählt. Nun muss er gleich eine Mammutaufgabe
bewältigen. Statt einer Aufwertung sieht er in erster Linie den Verlust an
Soldaten. "Immerhin wird hier der größte Standort Bayerns auf unteres
Mittelmaß zusammengestutzt." Roth sei der Standort, der die meisten
Dienstposten verloren habe, rechnet Edelhäußer vor. Dann tippt er kurz in
seinen Computer und sagt: "Ja, exakt 11,6 Prozent weniger Soldaten."
Edelhäußer fürchtet nun um die Prosperität der mittelfränkischen
25.000-Einwohner-Gemeinde. Klar ist: Die Offiziersanwärter werden nicht
bleiben. Nach der Ausbildung gehen sie an eine der Bundeswehruniversitäten
nach Hamburg und München. Für sie wird Roth bloß ein Durchlauf bleiben.
Die größte Sorge aber bereitet Edelhäußer die Helikopter-Infrastruktur, die
nun keinen Nutzen mehr hat. Rund zwei Jahre wird die Bundeswehr die Anlage
noch nutzen. Dann sollen die Hubschrauber BO 105, die derzeit dort in
Betrieb sind, ausrangiert werden. Was danach mit dem Gelände geschieht,
weiß niemand so genau. Wird die Infrastruktur von der Bundeswehr noch
gebraucht? Kann die Kommune das Gelände kaufen?
Eines ist klar: Eigentümer des Geländes ist die Bundesanstalt für
Immobilienaufgaben (Bima). Dass die Bima das Gelände der Stadt Roth für
einen Freundschaftspreis überlässt, erwartet Edelhäußer nicht. "Wer soll
das zahlen?", sagt er aufgebracht und fügt an: "Da kann ich derzeit nur mit
den Schultern zucken."
10 Nov 2011
## AUTOREN
Marlene Halser
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