# taz.de -- Kriegsverbrechen in Libyen: Nato fürchtet Ermittlungen | |
> Vorwürfe gegen die Nato wegen Kriegsverbrechen in Libyen werden geprüft. | |
> Dies sagt der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis | |
> Moreno-Ocampo. | |
Bild: 26.000 Einsätze flog die Nato über Libyen. | |
BRÜSSEL dapd | Nato-Verantwortliche befürchten, dass der Internationale | |
Strafgerichtshof (ICC) eine Untersuchung gegen das Militärbündnis wegen | |
mutmaßlicher Kriegsverbrechen in Libyen einleiten könnte. Grund ist eine | |
Aussage des ICC-Chefanklägers Luis Moreno-Ocampo, entsprechende Vorwürfe | |
würden "unparteiisch und unabhängig" überprüft, wie Diplomaten im | |
NATO-Hauptquartier in Brüssel am Freitag mitteilten. Nähere Angaben zu den | |
Anschuldigungen und deren Urheber machte der Ankläger nicht | |
Die Diplomaten teilten weiter mit, dass die Nato der Untersuchung durch | |
eine sofortige interne rechtliche Überprüfung aller Vorfälle zuvorkommen | |
wolle, bei denen Nato-Bombenangriffe oder andere Einsätze zivile Opfer | |
gefordert hätten. Wegen der Brisanz des Themas wollten die Diplomaten | |
ungenannt bleiben. | |
Die Nato hatte stets versichert, ihre Einsätze in Libyen strikt im Rahmen | |
der Resolution des UN-Sicherheitsrats ausgeführt zu haben. Darin waren die | |
Mitgliedsstaaten autorisiert worden, in dem nordafrikanischen Land "alle | |
notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Zivilisten und von Zivilisten | |
bewohnte Gegenden vor Angriffen zu schützen". | |
Mehrfach hatten Nato-Führer die Präzision, mit der der Einsatz ausgeführt | |
worden sei, bejubelt. Die geringe Anzahl an zivilen Toten hatten sie als | |
Beleg für den Erfolg angeführt. | |
Moreno-Ocampos Büro konzentriert sich derzeit auf mögliche Verbrechen des | |
gestürzten Gaddafi-Regimes. Es erwartet im März einen Bericht einer | |
UN-Kommission über Libyen, bevor es entscheidet, ob es den Vorwürfen gegen | |
die Nato nachgeht. | |
## Bündnis will Informationen herausgeben | |
Ein Nato-Verantwortlicher, der nicht genannt werden wollte, sagte: "Wenn | |
wir nach Informationen gefragt werden, so sind wir bereit, dem in jeder uns | |
möglichen Weise nachzukommen." Nach Nato-Angaben flogen deren | |
Kampfflugzeuge zwischen März und Oktober 26.000 Einsätze über Libyen. Dazu | |
gehören mehr als 9.600 Angriffe, bei denen laut NATO mehr als 1.000 Panzer, | |
Fahrzeuge und Geschütze zerstört wurden, ebenso wie Gebäude, in denen | |
"Kommando- und Kontrollzentren" vermutet wurden. | |
Die Allianz sieht sich bereits in Belgien einer Ermittlung wegen der Tötung | |
von 13 Zivilisten ausgesetzt, die bei einem Bombenangriff auf eine Residenz | |
nahe der Hauptstadt Tripolis ums Leben gekommen waren. | |
Die Aussicht auf ICC-Ermittlungen sorgt im Bündnis für Spannungen, wie | |
Offizielle mitteilten. Bei einem Treffen von Nato-Botschaftern mit Kollegen | |
aus Partnerländern sagte der russische Botschafter Dmitri Rogosin, eine | |
Reihe von Luftangriffen könnte als mögliche Kriegsverbrechen eingestuft | |
werden. Gesandte aus Ländern, die an dem Einsatz beteiligt waren, nannten | |
das "beleidigend". | |
Fragen stellen sich auch wegen des Angriffs eines französischen | |
Rafale-Kampfbombers auf einen Fahrzeug-Konvoi während der Kämpfe um | |
Gaddafis Heimatstadt Sirte. In der Folge wurde Gaddafi gefangen genommen | |
und getötet. Der Nato wird vorgeworfen, sie habe dabei nur den Konvoi mit | |
fliehenden Zivilisten, nicht aber kämpfende Gaddafi-Anhänger angegriffen. | |
Die Allianz rechtfertigte sich mit der Befürchtung, dass der Konvoi sich | |
mit anderen Pro-Gaddafi-Kräften hätte vereinigen können. | |
11 Nov 2011 | |
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darüber auf Freitag. |