# taz.de -- Occupy am Berliner Reichstag: Kritiker umzingeln Parlament | |
> 8.000 Menschen bilden am Samstag eine Kette um Reichstag und | |
> Parlamentsgebäude. Alt und Jung, Bürgerlich bis Links vereint sich in | |
> Kritik am Finanzsystem. Polizei beschlagnahmt Zelte. | |
Bild: Klare Ansage: Demonstranten am Samstag im Berliner Regierungsviertel | |
Um kurz nach 14 Uhr fassen sich die Demonstranten an den Händen - die | |
Menschenkette um den Reichstag schließt sich. Mit Pfeifen, Sirenen, | |
Trommeln und Tröten lärmen sie derart laut, dass es auch im nahen | |
Kanzleramt zu hören sein muss. Zwar kommt es nicht zur geplanten | |
Umzingelung auch dieses Gebäudes, das aber trübt den Gesamteindruck an | |
diesem sonnigen Samstag angesichts von über 8.000 Teilnehmern nicht. | |
Bei der Formierung des Demozugs am Washingtonplatz knapp anderthalb Stunden | |
zuvor zeigt sich, welch verschiedene Menschen sich hier unter dem Motto | |
"Banken in die Schranken" zusammengefunden haben. Schüler und Studenten, | |
sind gekommen, aber auch viele ältere, bürgerlich ausschauende Leute. | |
Samba-Gruppen und vier Wagen mit Musik und Rednern begleiten die | |
Protestler. Alle Anwesenden vereint die Wut darüber, dass die "Finanzmärkte | |
die Politik vor sich hertreiben, wie sie wollen", wie ein älterer | |
Demonstrant sagt. Verschiedene Parteien wie Linke, Grüne, Kommunistische | |
Partei zeigen Flagge, ebenso Ver.di und IG Metall, die Antifa und die | |
streikenden Mitarbeiter der Charité. | |
Für die meisten Demonstranten ist ihre Anwesenheit eine politische | |
Angelegenheit, schlechte Erfahrungen mit der Finanzwelt haben offenbar nur | |
wenige gemacht. "Dazu habe ich doch viel zu wenig Geld", sagt einer; "ich | |
habe mein Geld immer konservativ angelegt, deswegen ist mir noch nichts | |
passiert", ein anderer. Dennoch können sie sich mit den zwei zentralen | |
Forderungen der Demonstration, Banken entmachten und Reichtum umverteilen, | |
identifizieren. Auch Hans-Christian Ströbele, grüner Bundestagsabgeordneter | |
aus Kreuzberg, schließt sich der Demo an. Er ist froh, dass die Bevölkerung | |
endlich Druck ausübt: "So kann es nicht weitergehen", sagt er, "wenn einer | |
in der Finanzwelt hustet, wird die ganze Tagesordnung im Bundestag über den | |
Haufen geworfen." | |
Auf dem Weg zum Sitz des Bundestags ziehen die Demonstranten am | |
Protestzeltlager der Occupy-Bewegung am Bundespressestrand vorbei, einige | |
aus dem Camp schließen sich der Demo an. Beim Erreichen der Reichstagswiese | |
stockt die Organisation etwas, Fahrradkuriere von Attac und Campact sorgen | |
aber dafür, dass die Menschenkette um Reichstag und Paul-Löbe-Haus doch | |
noch gelingt. | |
Auf der Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor zeigt sich Christoph | |
Bautz, Mitbegründer von Campact, entsprechend zufrieden: "Eine neue | |
Bewegung gegen die Macht der Banken entsteht", ruft er, "und dieser | |
Bürgeraufstand macht der Politik Angst!" Er betont den proeuropäischen | |
Charakter der Bewegung gegen die Macht der Finanzmärkte, die nun auch im | |
bürgerlichen Lager Fuß fasse. Es ist jedoch der Satz eines jungen | |
Teilnehmers des Occupy-Protestcamps, der alle Demoteilnehmer auf der | |
Kundgebung vereint: "Wenn die Politik nichts gegen die Bankenkrise machen | |
kann, dann ist das keine Bankenkrise mehr, sondern eine Krise der Politik!" | |
Am Ende der Veranstaltung geht es dann wieder einmal ums Kampieren: Die | |
Polizei beschlagnahmt 18 Zelte, die die Protestler auf dem Platz des 18. | |
März am Brandenburger Tor aufgestellt haben. Auf einer abends dort | |
stattfindenden Asamblea hagelt es Platzverweise. Laut Polizei wurden | |
insgesamt sechs Menschen vorläufig festgenommen, es wurden | |
Ermittlungsverfahren eingeleitet. | |
13 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Marlen Kess | |
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Schwerpunkt Occupy-Bewegung | |
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