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# taz.de -- Grünen-Fraktionschef tritt zurück: Volker hört die Signale
> Fraktionschef Volker Ratzmann reagiert auf die Kritik des linken Flügels
> und tritt zurück - auch verbal: Seine Gegenspieler seien nicht geeignet
> für Funktionen in Partei oder Fraktion.
Bild: Hat sich so gestreckt und musste doch aufgeben: Volker Ratzmann.
Die erste praktische Frage stellte sich Volker Ratzmann, als er sich auf
den Weg zurück in den Fraktionsraum machte: "Ich weiß gar nicht, wo ich
mich nun hinsetzen soll." Vorne jedenfalls nicht mehr: Kurz zuvor hatte er
in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz berichtet, dass er gerade
in der Grünen-Fraktion seinen Rücktritt bekannt gegeben hatte. "Ich gehe
jetzt, weil ich den Weg frei machen will für eine notwendige
Richtungsbestimmung", sagte er. Der Rücktritt ist bisheriger Höhepunkt des
Flügelstreits in der Fraktion.
Ratzmann und seine Kovorsitzende Ramona Pop waren vor drei Wochen erneut
zur Doppelspitze der Fraktion gewählt worden. Das durch die
Abgeordnetenhauswahl gestärkte linke Lager hatte zuvor einen der beiden
Chefposten für sich beansprucht und erklärt, sich durch Ratzmann und Pop
nicht vertreten zu sehen. Seine beiden Bewerber Dirk Behrendt und Canan
Bayram konnten sich aber nicht durchsetzen. Die Parteilinken erkannten das
Ergebnis jedoch nicht an, forderten den Rücktritt von Ratzmann oder Pop und
drohten mit eigenständigem Handeln im Parlament außerhalb der Fraktion.
Um aus dieser verfahrenen Situation herauszukommen, hatte sich die Fraktion
vor zwölf Tagen auf Schlichter geeinigt, die bis Monatsende mit den
Abgeordneten an einer Lösung arbeiten sollen. Laut Ratzmann haben ihm die
Schlichter, darunter sein Vorgänger als Fraktionschef, Wolfgang Wieland,
den Rücktritt nicht nahegelegt. "Ich glaube eher, die sind aus allen Wolken
gefallen, als ich sie heute Morgen informiert habe", sagte der zuletzt sehr
angespannt aufgetretene Ratzmann, der nach seiner Entscheidung wie von
schwerem Druck befreit wirkte. Die Schlichtung soll weitergehen.
Unversöhnlich zeigte sich der Exfraktionschef mit den vier Linken, die mit
Konsequenzen gedroht hatten, falls ihr Flügel nicht einen der beiden
Führungsposten bekommen würde - neben Behrendt und Bayram die neu ins
Parlament gekommenen Abgeordneten Turgut Altug und Susanna Kahlefeld. Nach
wie vor sei er "fassungslos", wie sich die vier mit einer Presskonferenz so
außerhalb der Fraktionsgemeinschaft hätten stellen können. "Ich sage klar
und deutlich, dass ich die vier Personen nicht für geeignet halte, in
irgendeiner Form in Landesverband oder Fraktion repräsentative Funktionen
zu übernehmen." Ratzmann ließ durchklingen, dass er sich Rückendeckung von
der Bundesebene gewünscht hätte. "Ein bisschen hat mir der Aufschrei
gefehlt", sagte der 51-Jährige, der acht Jahre Fraktionschef war und neben
seinem Anwaltsjob nun als normaler Abgeordneter im Parlament bleiben will.
Ratzmanns Entscheidung fällt zusammen mit der Aufarbeitung der grünen
Wahlschlappe bei einem kleinen Parteitag am heutigen Mittwochabend. Die
Grünen hatten zwar mit 17,6 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis erzielt.
Sie blieben aber weit hinter Umfragewerten zurück, die sie noch im Mai bei
30 Prozent sahen. Ratzmann räumte zwar Mitverantwortung für Fehler im
Wahlkampf ein. "Die misslungene Regierungsbeteiligung aber war Ausdruck des
Wahlergebnisses, nicht von Fehlern in den Koalitionsverhandlungen."
SPD-Regierungschef Klaus Wowereit war es laut Ratzmann zu riskant, mit
einer knappen rot-grünen Koalition zu regieren.
Behrendt mochte sich nach der Fraktionssitzung nicht zu dem Rücktritt
äußern. Kochefin Pop kündigte eine weitere Sitzung noch diese Woche an und
dass man die nun fünf offenen Posten im sechsköpfigen Fraktionsvorstand
spätestens nächste Woche besetzen wolle. Die linke Abgeordnete Heidi Kosche
sagte, sie respektiere Ratzmanns Schritt. Sie hielt aber am Anspruch der
Linken auf einen der beiden Chefposten fest: "Wir haben keinen Grund zu
sagen, dass wir das nicht mehr wollen."
15 Nov 2011
## AUTOREN
Stefan Alberti
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