# taz.de -- Fussball-Verein will Boot: Der alte Dampfer "Hertha" | |
> Namensgeber für Berlins Topverein war vor 120 Jahren ein Fahrgastschiff. | |
> Es ist noch immer auf Gewässern in Brandenburg unterwegs. Jetzt will es | |
> der Club kaufen. | |
Bild: Freuen sich bestimmt auch über ein Schiffchen: Hertha-Fans. | |
Welchen Schiffstyp würde man am ehesten mit Hertha BSC in Verbindung | |
bringen? Ein Kenner der Fußballhistorie würde wohl an einen schwer | |
manövrierbaren, überfrachteten Riesentanker denken. Weit gefehlt! In | |
Wirklichkeit ist die "Hertha" ein kleines, schlankes Fahrgastschiff, 22 | |
Meter lang und nur 4,80 Meter breit. Der Kahn schipperte im Jahre 1892 auf | |
Berliner Gewässer, und sein Name inspirierte vier junge Herrn sehr. Sie | |
wollten einen Fußballclub gründen und nannten ihn fortan: BFC Hertha 92. | |
Daraus entstand später der heutige Fußball-Bundesligist Hertha BSC. | |
Heute tuckert das Schiffchen "Hertha" in Nordbrandenburg auf der Kyritzer | |
Seenplatte umher, ihr Besitzer ist der 74-jährige Peter Dentler. Das | |
gefällt der Vereinsführung von Hertha BSC überhaupt nicht. Bereits vor zehn | |
Jahren versuchte man in den Besitz des Namenspaten zu kommen. Nun, da | |
Dentler die Schiffsfahrt altersbedingt aufgeben will und Hertha BSC auf | |
seinen 120. Geburtstag im nächsten Sommer zusteuert, soll das Schiff | |
gekauft und nach Berlin überführt werden. | |
## Euro-Zeichen in den Augen | |
Anfang dieser Woche bei der Mitglieder-Veranstaltung "Hertha im Dialog" | |
wurde dieses Vorhaben ernsthaft verhandelt. Lediglich die weiterhin | |
ausstehende Vertragsverlängerung von Trainer Markus Babbel scheint dem | |
Verein noch größere Sorgen zu bereiten. Der Aufsichtsratsvorsitzende Bernd | |
Schiphorst bekannte, er und Finanzchef Ingo Schiller seien in Verhandlungen | |
mit Dentler, den er süffisant als "reizenden älteren Herrn" bezeichnete, | |
der "Euro-Zeichen in den Augen" habe. | |
Einige Menschen, bemerkte Schiphorst zudem, würden ja glauben, das Schiff | |
sei nur noch Schrott. Peter Dentler findet diese Einlassungen | |
"ungeheuerlich." Er sagt: "Herr Schiphorst versucht das Schiff | |
herunterzureden, dabei ist es völlig intakt." Es sei kein Ausstellungsstück | |
für das Vereinsmuseum, wo manch einer dessen Zukunft sehe, sondern könne | |
ohne Weiteres auch auf der Spree fahren. Besonders verärgert ist Dentler | |
darüber, dass Schiphorst eine konkrete Zahlungsforderung an die | |
Öffentlichkeit lancierte. Es wird über die Medien kolportiert, Dentler | |
verlange 200.000 Euro. Dieser sagt dazu erbost: "Ich kommentiere diese Zahl | |
nicht. Wir haben in der ersten Verhandlungsrunde absolutes Stillschweigen | |
vereinbart." | |
Herrn Schiphorst will er bald wegen seiner Indiskretion zur Rede stellen. | |
"Die Verhandlungen können durch solche Äußerungen sehr leicht aus dem Ruder | |
laufen", stellt er fest. Es bahnen sich nun noch kompliziertere | |
Ablösepokerrunden an. "Das ist eine einmalige Chance für Hertha BSC und | |
eigentlich nur Willenssache, denn es handelt sich um eine historische | |
Rarität", erklärt Dentler listig. Er weiß um den hohen ideellen Wert seines | |
Schiffs. Die Hertha-Fans würden doch immer beklagen, dass Schiffe mit | |
Werbung für den Erzrivalen Union aus Köpenick durch die Stadt fahren | |
würden, aber keines von ihrem Klub. | |
Dentler kennt sich aus mit der Hertha-Fanseele. Vor ein paar Jahren hat er | |
von Fans des Klubs eine Urkunde überreicht bekommen. Gewürdigt wurde sein | |
Einsatz für das Schiff, das er zu DDR-Zeiten - ohne von dessen Herkunft zu | |
wissen - vor dem Verfall rettete und unter hohem Aufwand originalgetreu | |
restaurierte. Damals hieß es übrigens nicht "Hertha" sondern "Seid bereit". | |
Vom Verein indes kann Dentler keine Ehrenbekundungen erwarten. Aus deren | |
Perspektive wird er als störrischer, geldgieriger Blockierer gesehen, der | |
sich dem Anrecht des Vereins, Geschichtspflege zu betreiben, nicht beugen | |
will. Dentler indes will sich nicht billig entschädigen lassen. Wie es | |
aussieht, wird Hertha eine deutlich höhere Transferablöse aufbringen | |
müssen, als man veranschlagt hat. So viel wie ein talentierter | |
Drittligaspieler wird die "Hertha" schon kosten. Zumindest wäre der Zugang | |
dann unbefristet an den Verein gebunden. | |
18 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Babbels Abschied von Hertha BSC: Schlammschlacht und Tattoos | |
Trainer Babbel wird Hertha BSC Berlin sofort verlassen. Um seine | |
Nicht-Vertragsverlängerung ist eine Schlammschlacht ausgebrochen. | |
Pyrotechnik im Fussballstadion: Wie der Weihrauch zur Sonntagsmesse | |
Am Rande des Bundesligaspiels in Berlin protestiert die Fanszene und | |
fordert, vom DFB ernst genommen zu werden. Die Ultras fühlen sich an den | |
Pranger gestellt. | |
Zuschauergewalt im Amateurfußball: Schiedsrichter haben die Nase voll | |
Wegen Gewalttätigkeiten von Zuschauern werden zahlreiche Partien in der | |
Amateurliga abgebrochen. Aus Protest legen die Schiris am Wochenende mitten | |
in den Spielen eine Pause ein |