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# taz.de -- Datei für aufällige Jugendliche illegal: Rechtswidriges Ampel-Sys…
> Die Hamburger Polizei führt eine zentrale Datei für 288 auffällige
> Jugendliche ein, für die jedoch die Rechtsgrundlage fehlt. Der
> hamburgische Datenschutzbeauftragte fordert deren Verlagerung in die
> Jugendhilfe.
Bild: Um auffällige Jugendliche wie den mutmaßlichen Messerstecher vom Jungfe…
HAMBURG taz | Die Polizei in Hamburg hat eine neue Datei, mit der sie 288
auffällige Jugendliche beobachtet. Über diese Jugendlichen sollen Schulen,
Jugendhilfe, Jugendbewährungshilfe, Polizei und Staatsanwaltschaft
wöchentlich berichten, etwa ob sie die Schule geschwänzt haben. Ist das der
Fall, werden die Jugendlichen im Ampel-System von Grün über Gelb nach Rot
eingestuft. Steht die Ampel für einen Jugendlichen auf Rot, lädt die
Polizei zur "Fallkonferenz".
Dieses "Obachtsverfahren" sei datenschutzrechtlich überprüft, hatte
Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) bei der Vorstellung Ende
Oktober erklärt. Es sei gesichert, dass die eine Behörde nicht die Daten
einer anderen sehen könne. Diese "Draufsicht" habe nur die
Koordinierungsstelle bei der Polizei. Doch fragt man Datenschützer und
Jugendhelfer, läuft so einiges schief.
Zum einen sind besagte "Fallkonferenzen", die 2008 in Hamburg und 2009 in
Bremen eingeführt wurden, allgemein in der Kritik. Denn dort sitzen
Polizei, Sozialarbeit, Schule, Bewährungshilfe und manchmal die
Ausländerbehörde zusammen, um über einen jungen Menschen zu sprechen. Doch
Sozialarbeiter sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, machen sich sogar
strafbar, wenn sie Geheimnisse ihrer Klienten bekannt geben. Das hat den
Zweck, ein Vertrauensverhältnis zu ermöglichen. Ähnliches gilt für
Jugendbewährungshelfer.
Die Polizei jedoch, die die Runden leitet, unterliegt dem
"Legalitätsprinzip". Sie muss jede Straftat verfolgen, von der sie erfährt.
Wenn Professionen mit verschiedenen Befugnissen zusammensitzen, geht das
aus Sicht von Datenschützern schief.
Ein Ausweg ist eine "Einwilligungserklärung" der Jugendlichen, wie es sie
in Bremen gibt. Doch Bremens Datenschutzbeauftragte Imke Sommer sagt,
eigentlich sei dies "keine einwilligungsfähige Situation". Eine Zustimmung
müsste permanent widerrufbar sein. Da der Jugendliche nicht mit am Tisch
sitzt, sei dies "ein Problem".
Die Bremer Rechtswissenschaftlerin Andrea Kliemann hat sich 2010 in einem
Fachaufsatz mit den "Fallkonferenzen" in Bremen und Hamburg beschäftigt und
empfiehlt "dringend" deren Abschaffung. Das Konzept führe für
Sozialarbeiter zu einer "schwer erträglichen Situation".
Nehmen sie teil, laufen sie Gefahr, sich strafbar zu machen. Tun sie es
nicht, bräuchten sie ein hohes Maß an Rechtskenntnis und Selbstsicherheit.
Das bestätigen auch Jugendamtsmitarbeiter in einem Evaluationsbericht der
Universität Hamburg. Die Atmosphäre bei "Fallkonferenzen" sei so, dass nur
die wenigsten es schafften, persönliche Daten zu verweigern.
Das neue Ampel-System ist für Kliemann deshalb "skandalös". Damit würden
Jugendliche, die in Vergangenheit auffällig waren, durch eine "praktisch
grenzenlose" Datensammlung überwacht. Es sei nicht nachvollziehbar, worin
die rechtliche Übermittlungsbefugnis für Schule und Jugendhilfe bestünde.
Dies zerstöre Vertrauen und führe dazu, dass Betroffene noch schwerer
erreichbar seien.
Schulen, Jugendgerichtshilfe und Jugendbewährungshilfe würden "zu
Informanten der polizeilichen Strafverfolgung", befürchtet die
Linkspartei-Abgeordnete Christiane Schneider. Besser wären dezentrale
"Fallkonferenzen" mit den Jugendlichen und ohne Aufsicht durch die Polizei.
Schneider stellte parlamentarische Anfragen und kommt zum Fazit: Die
Polizei handelt ohne rechtliche Grundlage. Sie braucht für solch eine
Datensammlung eine "Errichtungsanordnung", im Zuge derer alle
fachspezifischen Datenschutzfragen geklärt werden müssten.
Das bestätigt auch der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar.
Fehle die Anordnung, führe das "zu einem rechtswidrigen Verfahren". Dies
könne aber nachgeholt werden.
Caspar hält das jetzige Verfahren für bedenklich. Jugendämter dürften die
wenigsten Daten weitergeben, die Polizei habe dagegen den größten
Spielraum. Wenn bei ihr nun die meisten Erkenntnisse über die Jugendlichen
aus den Jugendämtern zusammenliefen, entspräche dies "nicht der
gesetzlichen Ausgangssituation".
Er hat nun vorgeschlagen, dass die Sozialbehörde Trägerin des Verfahrens
wird. Deren Sprecher Oliver Klessmann bestätigt, dass es Gespräche mit dem
Datenschutz gab und "Optionen geprüft" würden. Bis dahin könne erst mal
alles so weiterlaufen.
20 Nov 2011
## AUTOREN
Kaija Kutter
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Kommentar Jugendgewalt: Die Ursachen bekämpfen
Dass aber Jugendliche auch gegen legale Grenzen stoßen, wird sich nie ganz
vermeiden lassen. Die beste Kriminalprävention ist eine gute Sozialpolitik.
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