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# taz.de -- Kommentar Reform zweiter Arbeitsmarkt: Die Chancenarmen bleiben
> Die Gruppe der psychisch Angeknacksten und Älteren, die den Anschluss an
> den ersten Arbeitsmarkt nicht schaffen, wird durch ein neues Gesetz nicht
> kleiner.
Es ist eine Subkultur der Armen: die Szene der Beschäftigungsprojekte mit
ihren Seniorenbegleitern, Suppenküchen und Sozialkaufhäusern. In dieser
Subkultur, die früher aus tariflich bezahlten ABM-Stellen bestand und
zuletzt nur noch aus 1-Euro-Jobs, gab es ein Dilemma, ein Double-Bind, das
sich mit den Jahren verschärfte: Die Teilnehmer an Beschäftigungsmaßnahmen
dürfen nur "arbeitsmarktunschädliche" Arbeiten verrichten - also nichts,
was auch von einer Privatfirma gegen Bezahlung ausgeführt werden könnte.
Als in Berlin Langzeitarbeitslose die Wände in Klassenzimmern streichen
sollten, protestierte die örtliche Handwerkskammer. Also verpflanzte man
die Leute in den sozialen Bereich, etwa als Aufpasser auf Kinderspielplätze
oder in Secondhand-Kaufhäuser, wo sie gespendete Kleidung umschichteten
oder auch nur herumsaßen, weil nicht genug zu tun war. Mancherorts
entstanden ebenjene Maßnahmen, denen die schwarz-gelbe Sozialpolitik
vorwirft, nicht als "Brücken" in den ersten Jobmarkt zu funktionieren -
obwohl sie gleichzeitig von ihnen Wirtschaftsferne verlangt.
Die Bundesregierung will dieses Double-Bind lösen, indem sie den zweiten
Arbeitsmarkt durch Kürzungen und ein neues Gesetz abbaut. Das Problem ist
nur: Die Gruppe der Bandscheibengeschädigten, psychisch Angeknacksten und
Älteren, die den Anschluss an den ersten Arbeitsmarkt nicht schaffen, wird
dadurch nicht kleiner. Wohin sollen die Leute gehen? Nach Hause? Auf die
Parkbank?
Indem man die Subkultur der Chancenarmen abbaut, ist die Armut noch nicht
verschwunden. Die Arbeitslosen werden nur unsichtbarer. Was mal wieder
belegt, dass sich die Regierungskoalition für diese Klientel einfach nicht
interessiert.
20 Nov 2011
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
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