# taz.de -- Unterbringung von Abschiebehäftlingen: Getrennte Haft, bessere Haft | |
> Abschiebehaft ist weniger einschneidend, wenn sie nicht in normalen | |
> Gefängnissen vollzogen wird. Ein Piloturteil fordert zumindest getrennte | |
> Zellen. | |
Bild: Abschiebehäftlinge sollen getrennt von gewöhnlichen Straftätern unterg… | |
FRANKFURT/MAIN taz | Abschiebehäftlinge dürfen nicht gemeinsam mit Straf- | |
und Untersuchungshäftlingen untergebracht werden. Das entschied das | |
Landgericht Leipzig. Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JFD) spricht von einem | |
"Pilotprozess". | |
Geklagt hatte ein Mann aus Tunesien, der 1995 als Student nach Deutschland | |
kam. Als er 2007 nach Ende des Studiums zurückkehren sollte, stellte er | |
einen Asylantrag, der jedoch abgelehnt wurde. Anschließend tauchte er | |
unter, stellte sich dann - und wurde in Abschiebehaft genommen. In der | |
Justizvollzugsanstalt Leipzig teilte der Tunesier zunächst eine Zelle mit | |
einem verurteilten Strafgefangenen, später mit einem Untersuchungshäftling. | |
Das Landgericht Leipzig hat nun zwar die Anordnung der Abschiebehaft für | |
rechtmäßig erklärt. Die Richter kritisierten aber die gemeinsame | |
Unterbringung mit Straf- und Untersuchungshäftlingen. Diese sei | |
"unzweifelhaft" rechtswidrig gewesen. | |
Die Leipziger Richter bezogen sich auf die EU-Rückführungsrichtlinie, die | |
seit Oktober 2010 in deutsches Recht umzusetzen war. Dort heißt es, dass | |
Abschiebehäftlinge "gesondert von den gewöhnlichen Strafgefangenen | |
unterzubringen sind". Aber gilt das auch für U-Häftlinge? In Deutschland | |
war das bisher umstritten. Im Leipziger Urteil wurde jetzt erstmals eine | |
Trennung auch von U-Häftlingen angeordnet. Die Richter folgten dabei einer | |
vom JFD eingeholten Stellungnahme der EU-Kommission. | |
Die getrennte Unterbringung ist aus zwei Gründen wichtig. Zum einen | |
empfinden es ausreisepflichtige Ausländer als stigmatisierend, wenn sie in | |
eine Zelle mit verurteilten Straftätern oder dringend Tatverdächtigen | |
gesteckt werden. Zum anderen sind die Sicherheitsanforderungen in | |
Gefängnissen der Strafjustiz besonders hoch. | |
## "Eher ein normaler Alltag" | |
"Wenn Abschiebehäftlinge ganz getrennt untergebracht werden, können ihre | |
Lebensbedingungen eher an einen normalen Alltag angenähert werden", sagt | |
Heiko Habbe vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst. | |
Der JFD will mit weiteren Musterprozessen erreichen, dass | |
Abschiebehäftlinge auch nicht mehr in getrennten Abteilungen normaler | |
Gefangnisse untergebracht werden, wie dies heute in vielen Bundesländern, | |
wie Bayern, üblich ist. Tatsächlich sieht die EU-Richtlinie vor, dass | |
Abschiebehaft "grundsätzlich in speziellen Hafteinrichtungen erfolgt". Nur | |
wenn es diese in einem EU-Staat nicht gibt, ist getrennte Unterbringung in | |
normalen Gefängnissen möglich. In Deutschland wird bisher allerdings auf | |
die Situation im jeweiligen Bundesland abgestellt. | |
Länder wie Bayern lehnen eigene Abschiebeeinrichtungen ab. Die | |
Unterbringung in separaten Abteilungen von Strafanstalten sei wohnortnäher | |
und erleichtere während der Haft Besuche von Angehörigen. | |
Der JFD kritisiert grundsätzlich, dass in Deutschland immer noch "zu oft, | |
zu leicht und zu lange" Abschiebehaft verhängt wird. Oft genügten | |
Meldeauflagen oder eine Kautionszahlung durch Hilfsorganisationen. Nach | |
Angaben der Bundesregierung saßen in den Jahren 2005 bis 2007 bundesweit | |
rund 20.000 ausreisepflichtige Ausländer in separaten | |
Abschiebehaftanstalten und 10.000 Personen in normalen Gefängnissen. Neuere | |
Zahlen liegen nicht vor. | |
21 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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