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# taz.de -- Kommentar US-Billionenschulden: Endlich die Bazooka auspacken
> Die US-Notenbank ist im Notfall bereit, unbegrenzt US- Staatsanleihen
> aufzukaufen. Dass die Europäer auf diese Waffe verzichten, macht die
> Amerikaner fassungslos.
Die Summe ist gigantisch: Die USA haben 15 Billionen Dollar Schulden. Doch
dies scheint niemanden zu stören. Unbeirrt schaufeln die Investoren ihr
Geld nach Amerika. Für eine zehnjährige Staatsanleihe müssen die USA nur
1,9 Prozent Zinsen zahlen. Das ist nicht nur wenig, sondern weniger als
nichts. Denn die Inflation liegt bei 3,53 Prozent. Also machen die
Investoren sogar Verlust, wenn sie ihr Geld in den USA anlegen.
Noch erstaunlicher: Selbst die turbulente US-Politik kann die Investoren
nicht erschüttern. Seelenruhig nahmen sie am Montag zur Kenntnis, dass sich
der Kongress nicht auf ein Sparprogramm einigen kann. Als wäre nichts
geschehen, blieben die Renditen für die US-Staatsanleihen sensationell
niedrig.
Da können die Europäer nur neidisch werden. Die meisten Euroländer haben
weit weniger Schulden als die USA - und trotzdem treibt die Währungsunion
auf den Bankrott zu. So müssen die Spanier inzwischen etwa 7 Prozent Zinsen
zahlen, was kein Land auf Dauer aushält. Dabei machen die spanischen
Staatsschulden nur gut 70 Prozent der Wirtschaftsleistung aus. In den USA
hingegen sind es knapp 100 Prozent. Dennoch kann sich Washington mühelos
Billionen leihen - während die Investoren sofort in Panik geraten, wenn sie
an Spanien denken. Oder an Belgien, Italien und neuerdings auch Frankreich.
Selbst die Warnungen der Ratingagenturen lassen die Investoren ungerührt.
Im August wurde den USA die Bestnote AAA aberkannt, die Frankreich und
Österreich noch besitzen. Trotzdem genießen die USA ihre niedrigen Zinsen,
während Frankreich und Österreich fast das Doppelte zahlen.
Warum werden die USA so bevorzugt? Der erste Grund ist schlicht: Die
US-Notenbank Fed ist im Notfall bereit, unbegrenzt US-Staatsanleihen
aufzukaufen, falls sich kein privater Abnehmer findet. Die Fed versteht
sich als "lender of last resort", als Kreditgeber der letzten Instanz.
Dieses Wissen beruhigt die Investoren ungemein. Sie können sich darauf
verlassen, dass ihre US-Staatspapiere garantiert bedient werden. Diese
Sicherheit ist in Zeiten unsicherer Finanzmärkte bares Geld wert - weswegen
die Investoren bereit sind, reale Negativzinsen zu akzeptieren.
Wie anders geht es hingegen in Europa zu: Der Europäischen Zentralbank
(EZB) ist es verboten, unbeschränkt Staatsanleihen aufzukaufen. Zwar hat
sie inzwischen Papiere von weit mehr als 190 Milliarden erworben, doch soll
dies eine befristete Ausnahme sein. So bleiben die Investoren panisch und
verlangen weiter hohe Risikoaufschläge. Denn sie rechnen jederzeit damit,
dass nach Griechenland weitere Eurostaaten einen Schuldenschnitt ankündigen
könnten.
Die US-Amerikaner sind fassungslos, dass die Europäer auf ihre stärkste
Waffe verzichten. Schon seit Monaten fordern US-Präsident Barack Obama und
sein Finanzminister Timothy Geithner, dass die Europäer die "Bazooka"
auspacken, das Panzerabwehrgeschoss namens EZB. Auch die amerikanische
Botschaft in Berlin erteilt gern den Ratschlag, endlich die Fed zu
kopieren.
Allerdings erklärt nicht nur die Geldpolitik, warum die USA bei den
Investoren so beliebt sind. Ein zweiter Grund ist, dass die USA ihre
Schulden mühelos reduzieren könnten, wenn sie denn wollten - sie müssten
nur die Steuern für die Spitzenverdiener anheben. So hat US-Milliardär
Warren Buffet schon mehrfach vorgerechnet, dass sein durchschnittlicher
Steuersatz bei lächerlichen 17 Prozent liegt. Auch das Budget Office des
US-Kongresses hat längst ermittelt, dass eine einzige Maßnahme reichen
würde, um den US-Haushalt weitgehend zu sanieren: Man müsste nur die
Steuersenkungen für die Superreichen streichen, die der ehemalige Präsident
George W. Bush eingeführt hat.
Und schließlich gibt es einen dritten, sehr banalen Grund, warum die
Investoren in die USA drängen: Wo sollten sie sonst hin?! Sie können ihr
Kapital nicht auf dem Mars parken, und auf der Erde herrscht
"Anlagenotstand". Wer nicht in Dollar oder Euro investieren will, dem
bleiben nur Pfund, Yen und Schweizer Franken. Alle drei Währungen sind
jedoch zu klein, um die Geldmassen aufzusaugen, die rund um den Globus
schwirren. Deswegen hoffen die Investoren ja auch so dringend, dass die
Europäer endlich von den USA lernen und mit der EZB-"Bazooka" feuern.
22 Nov 2011
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
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