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# taz.de -- Offener Brief an einen Wendland-Polizisten: "Ich will es wissen"
> Sie und Ihre Kollegen riegelten gerade die Dorfstraße ab. Sie rollten mit
> fünf Autos an, mit zehn, einem dutzend. Sie sprachen Befehle in ein
> Funkgerät. Sie erhielten Befehle ...
Bild: "Sie haben keinen leichten Beruf."
Sehr geehrter Herr Polizist,
ich kenne Ihren Namen nicht, aber wir haben uns so nett unterhalten vorhin.
Es regnete ein bisschen. Ich fror. Auch Sie froren. Dann mussten Sie gehen.
Hätte ich Sie nach Ihrer Dienstnummer gefragt, es wäre die 0-8-15 gewesen.
Stimmt's?
Erlauben Sie mir, unser Gespräch in diesem Brief fortzuführen. Falls Sie
Zeit finden: ich würde mich über eine Antwort sehr freuen. Sie und ich, wir
standen zwischen Polizeiautos in einem Dorf, irgendwo im Wendland. Genauer:
In Dumstorf bei Dannenberg. In einigen Stunden rollt dort der Castor
vorbei. Wenn es alles gut geht. Wenn alles schlecht geht. Je nachdem.
Sie und Ihre Kollegen riegelten gerade die Dorfstraße ab. Sie rollten mit
fünf Autos an, mit zehn, einem dutzend. Sie sprachen Befehle in ein
Funkgerät. Sie erhielten Befehle aus einem Stecker in Ihrem Ohr. Sie
rollten mit Blaulicht an, weil junge Menschen auf jene Schienen gerannt
waren, auf denen in einigen Stunden der Castor fährt. Eine Straftat, sagen
Sie.
Sie griffen die jungen Menschen am Arm. Sie führten sie zu einem
Einsatzwagen. Sie stellten Personalien fest und klärten Anwohner darüber
auf, dass sie ihre Dorfstraße nun nicht mehr begehen konnten – ob ihr Haus
dort hinten stehe oder nicht. Ich gebe zu: Sie haben keinen leichten Beruf.
Nun zum eigentlichen Anlass meines Briefes. Sie und ich, wir standen uns
auf dieser Dorfstraße gegenüber. Ich wollte an Ihnen vorbei, zu den jungen
Menschen, ich wollte fragen, wie es ihnen im Polizeikessel ergeht, und Sie
fragten mich: Warum? Ich zeigte Ihnen meinen Presseausweis und die
Journalistenakkreditierung der Polizeidirektion Lüneburg: ein rechteckiges
Plastikschild mit Hologramm und Logo der Bundespolizei. Es sieht sehr
offiziell aus. Als kleiner Junge wäre ich stolz gewesen auf dieses
Plastikrechteck.
Jetzt trage ich es mit etwas Unwillen um meinem Hals. Ein notwendiges Übel,
weil Sie und Ihre Kollegen nicht den Presseausweis des Deutschen
Journalistenverbandes erkennen. Zugegeben: Es ist nicht so schlimm, es ist
nur ein Plastikschild. Sie fragten mich: Was wollen Sie dahinten? Ich will
Ihnen nun eine Antwort geben.
Einer der jungen Menschen – er hatte über die Felder zu fliehen versucht –
schilderte mir später, ein Beamter habe ihn eingefangen und mit der Faust
ins Gesicht geschlagen. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Ich habe nur eine
Quelle, den Jungen selbst. Ich brauche mindestens zwei. Der beste Fall aber
wäre gewesen, ich hätte die Situation mit eigenen Augen gesehen, ich wäre
daneben gestanden. Sie ließen mich nicht durch. Jetzt weiß ich nicht, was
dort auf dem Feld passiert war. Ich will es wissen. Weil ich Journalist
bin. Oder andersherum.
In der Hoffnung Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben sende ich
Ihnen herzliche Grüße aus Hitzacker, und denken Sie daran: wir frieren
alle,
Felix Dachsel
Hitzacker, 26.11.11
26 Nov 2011
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