# taz.de -- Teilrückkauf der Netze: Vernetzt mit Konzernen | |
> Hamburg kauft ein Viertel der Leitungen für Strom, Gas und Fernwärme | |
> zurück. Gaskraftwerk und Energiespeicher sollen Moorburg-Trasse nach | |
> Altona ersetzen. | |
Bild: Wird jetzt doch nicht quer durch Altona verlegt: Fernwärmeleitung, hier … | |
Hamburg will 25,1 Prozent der Anteile an den Versorgungsnetzen erwerben. | |
Zwei entsprechende Vereinbarungen mit den Konzernen Vattenfall und Eon | |
Hanse stellte Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) am Dienstagnachmittag im | |
Rathaus vor. Danach würde die Stadt etwa 543 Millionen Euro Kaufpreis | |
aufbieten müssen, der sich über jährliche Garantiedividenden refinanziere. | |
Die Verträge müssen von der Bürgerschaft akzeptiert werden. Zudem stünden | |
sie unter dem Vorbehalt eines Volksentscheides, mit dem die Initiative | |
"Unser Netz" den vollständigen Rückkauf der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze | |
(siehe Kasten) durch die Stadt erreichen will. | |
Nach Ansicht von Scholz wäre der dafür notwendige Betrag von mindestens 2,2 | |
Milliarden Euro für den Hamburger Haushalt zu hoch: "Aber wenn die Bürger | |
eine andere Entscheidung treffen sollten als Senat und Bürgerschaft, dann | |
gilt die", versicherte Scholz. In diesem Fall könnte die Stadt von den | |
Vereinbarungen zurücktreten. | |
Nach der jetzt präsentierten Übereinkunft verzichtet der Energiekonzern | |
Vattenfall auf den Bau der zwölf Kilometer langen Fernwärmetrasse vom | |
umstrittenen Kohlekraftwerk Moorburg unter der Elbe hindurch nach Altona. | |
Stattdessen soll ein zusätzliches Gas- und Dampfturbinenkraftwerk (GuD) in | |
Stellingen oder Wedel bis 2017 das alte Kohlekraftwerk Wedel als Produzent | |
von Fernwärme für ablösen. Das würde die Klima-Bilanz Hamburgs, die durch | |
das Kohlekraftwerk verschlechtert wird, ein wenig aufhübschen. | |
Für das GuD und für zusätzliche Wärmespeicher will Vattenfall bis zu 500 | |
Millionen Euro investieren. Diese sollen mehrere Hundert Megawatt | |
regenerativen Stroms speichern können. Dadurch könnten mehrstündige | |
Produktionsausfälle bei der Windkraft durch Flaute oder Orkan ersetzt | |
werden. | |
Unklar ist, was Vattenfall mit seinem Mega-Kohlekraftwerk in Moorburg | |
macht. Die Stromproduktion liefe wie geplant, die zusätzlichen Kapazitäten | |
für Fernwärme indes blieben womöglich ungenutzt. Vattenfall will | |
stattdessen in Süderelbe "die Abwärmenutzung sowie den Aufbau eines | |
Niedrigtemperatur-Fernwärmenetzes" prüfen. | |
Insgesamt wollen Vattenfall und Eon in den nächsten Jahren bis zu 1,6 | |
Milliarden Euro in "moderne Erzeugung und Speicherung von Energie" | |
investieren. Wir wollen in Kooperation mit der Stadt jetzt Hamburg zur | |
Modellstadt für erneuerbare Energien machen", erklärte der Hamburger | |
Vattenfall-Chef Pieter Wasmuth. Von einer "Weichenstellung in eine | |
nachhaltige Energiezukunft" sprach Hans-Jakob Tiessen, | |
Vorstandsvorsitzender von Eon Hanse. Und Scholz verkündete schlicht: | |
"Hamburg schafft die Energiewende." | |
Nicht ganz so euphorisch reagiert die Opposition in der Bürgerschaft. CDU | |
und FDP hegen grundsätzliche Bedenken. Es sei "ordnungspolitisch falsch, | |
wenn der Staat Marktteilnehmer ist - egal ob mit 25,1 oder 100 Prozent", | |
findet CDU-Umweltpolitikerin Birgit Stöver. Nach Ansicht von Thomas-Sönke | |
Kluth (FDP) gibt es "erhebliche finanzielle Risiken". Der Kaufpreis | |
"übertrifft die schlimmsten Erwartungen". | |
Die Fraktionschefin der Linken, Dora Heyenn, steht der versprochenen | |
Energiewende skeptisch gegenüber. Sie fordert, "alle Gutachten und auch den | |
Vertrag zwischen den Energiekonzernen und dem SPD-Senat offenzulegen", um | |
sie prüfen zu können. Scholz hatte das gestern zugesagt: "Alle | |
Abgeordneten, auch der Opposition, bekommen Einblick in alle Unterlagen", | |
versprach der Bürgermeister. | |
Die Grünen sind mit einer ersten Bewertung zurückhaltend. Vieles scheine | |
auf den ersten Blick "durchaus unseren Vorstellungen zu entsprechen", räumt | |
Fraktionschef Jens Kerstan ein. Er kritisiert zugleich, dass der Senat "mit | |
dem Fernwärmenetz ein lukratives Monopol endgültig an Vattenfall abtritt". | |
Insgesamt scheine der Preis, den die Stadt zahle, "sehr hoch". Jedoch | |
müssten "die Details noch sehr genau geprüft" werden, so Kerstan. | |
29 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
## TAGS | |
Fernwärme | |
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