# taz.de -- Integrationsproblem: Kleingärtner für Migranten-Limit | |
> Eine Gartenkolonie in Norderstedt stimmt über Ausländerquoten ab. Die | |
> Mehrheit will eine Quote, die Einwanderer zudem in Gruppen einteilt. Die | |
> Begründung: Zu viele Zuwanderer sprengten die Gemeinschaft | |
Bild: Hier soll, wenn es nach der Mehrheit geht, alles seine Ordnung haben: der… | |
HAMBURG taz | Breite Empörung hat ein Migranten-Limit hervorgerufen, für | |
das sich der Kleingartenverein Harksheide in Norderstedt mehrheitlich | |
ausgesprochen hat. "Wir sind sprachlos und entsetzt", sagte Hauke | |
Borchardt, Sprecher der Stadt Norderstedt. Vertreter der Parteien sowie der | |
Kreis- und Landesverband der Gartenfreunde distanzierten sich und | |
verlangten, die Sache müsse aus der Welt geschafft werden. "Wir halten das | |
für völlig unakzeptabel und rechtlich zweifelhaft", sagte der Beauftragte | |
für Zuwanderungsfragen beim schleswig-holsteinischen Landtag, Torsten | |
Döhring. | |
Der Vorstand des Kleingartenvereins hatte bei einer Anlagenversammlung am | |
20. November darüber abstimmen lassen, ob in Zukunft 12,6 Prozent, 19 | |
Prozent oder 27 Prozent der Parzellen an Einwanderer vergeben werden | |
sollten - entsprechend dem Ausländeranteil in Deutschland, Norderstedt und | |
Hamburg. 41 von 70 anwesenden Mitgliedern stimmten für die niedrigste | |
Quote, die zudem nach Einwanderergruppen aufgegliedert werden sollte: ein | |
Viertel Türken oder Araber, ein Viertel Osteuropäer, der Rest sonstiger | |
Herkunft. | |
"Wir wollten ein ehrliches Meinungsbild", sagt Vorstandsmitglied Rainer M. | |
Rohde. Das Ergebnis sei niederschmetternd. Der Vorstand habe abstimmen | |
lassen, weil er es schwierig fand, angesichts des bestehenden Anteils von | |
Pächtern aus Einwandererfamilien die Gemeinschaft zusammenzuhalten. "Bei | |
der jetzigen Menge, die wir haben, sind wir gescheitert", sagt Rohde. | |
Das Problem bestehe darin, dass sich viele der aus Russland stammenden | |
Einwanderer abschotteten. Sie entzögen sich geselligen Anlässen und | |
übernähmen keine Ehrenämter im Verein. "Die Zuwendung der Gartenfreunde | |
stößt auf kein Echo", sagt Rohde. Einige der Zuwanderer hätten andere | |
Trinkgewohnheiten, sie gäben sich keine Mühe, Deutsch zu sprechen. Er sei | |
für Integration und finde es toll, andere Gebräuche kennenzulernen. "Es | |
kann aber nicht sein, dass ich mich an deren Sitten anpassen muss", findet | |
er. Das Stimmungsbild zu machen, sei eine Dummheit gewesen. | |
"Das muss zurückgenommen werden", fordert, Klaus-Dieter Eich, der | |
Vorsitzende des Kreisverbandes Segeberg der Gartenfreunde. Er wundere sich, | |
wie man auf so eine Idee kommen könne. Der Anteil an Zuwanderern sei "immer | |
ein Thema"; es habe aber noch nie Probleme gegeben. "Wir haben unter uns | |
Deutschen genug, die sich nicht an die Regeln halten", sagt er. | |
Klaus-Dieter Schiller, der Vorsitzende des Landesverbandes verweist auf die | |
vielen Projekte der Gartenfreunde zur Integration. Der Kreisverband Lübeck | |
betreibe allein vier Projekte für Migranten, darunter einen Garten für | |
afghanische Flüchtlinge. Im kommenden Jahr sollten vier interkulturelle | |
Gärten entstehen. Die Satzungen würden in mehrere Sprachen übersetzt. Der | |
Paragraf zwei der Satzung des Landesverbandes formuliert das Ziel, soziale | |
Gemeinschaften zu fördern, "unter Einbeziehung von Familien, | |
Alleinerziehenden, Jugendlichen, Senioren, Behinderten, sozial | |
Benachteiligten und Ausländern". | |
Der Zuwanderungsbeauftragte Döring hält die vorgeschlagene Quotierung "für | |
einen Schlag ins Gesicht der Zuwanderer". Im Hinblick auf | |
Kleingartenvereine sei das der erste Fall, der ihm bekannt geworden sei. | |
Allerdings gebe es in allen Bereichen immer wieder Diskriminierungsfälle. | |
Eine Quotierung widerspräche seiner Ansicht nach dem Allgemeinen | |
Gleichbehandlungsgesetz und könnte Schadenersatz rechfertigen. | |
Vereinsvorstand Rohde verweist darauf, dass das Gesetz bei der Vermietung | |
von Wohnungen "eine unterschiedliche Behandlung im Hinblick auf die | |
Erhaltung und Schaffung sozial stabiler Bewohnerstrukturen" zulasse. Das | |
müsse auch für einen Kleingartenverein gelten. Im übrigen überlasse es die | |
Politik den Vereinen, die Menschen zu integrieren. Norderstedts | |
Bürgermeister Hans-Joachim Grote erwartet zwar eine Entschuldigung, er | |
verspricht aber auch zu helfen. "Man muss an die Ursachen heran", sagt sein | |
Sprecher. | |
2 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
## TAGS | |
Kleingartenanlage | |
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