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# taz.de -- Vergabe des Europäischen Filmpreises: Freundlich winkt die Ehefrau
> Wer Glamour sucht, schaut besser nicht auf die Verleihung des
> Europäischen Filmpreises. Aber die ausgezeichneten Filme sind gut.
Bild: Keine Statements für die Öffentlichkeit: Triers Frau Bente Frøge holt …
Als Lars von Trier vor acht Jahren den Europäischen Filmpreis in der
Kategorie "Beste Regie" für seinen Spielfilm "Dogville" erhielt, fuhr er
nicht nach Berlin. Stattdessen grüßte er die Gäste, unter ihnen so illustre
Persönlichkeiten wie Jeanne Moreau, Isabelle Huppert und Claude Chabrol,
per Videoeinspielung.
Es war deshalb wie ein Déjà-vu, dass Lars von Trier am Samstagabend nicht
bei der Gala im Berliner Tempodrom zugegen war, obwohl "Melancholia" als
bester Film ausgezeichnet wurde und zudem den Preis für die beste Kamera
und das beste Setdesign erhielt. Diesmal schickte er kein Video, sondern
seine Ehefrau Bente Frøge Trier. "Er sagte, er habe keine Botschaft für
Sie", sagte sie, "weil er beschlossen hat, keine Statements mehr
abzugeben." Aber sie solle dem Publikum freundlich zuwinken.
Das war sympathisch, wenn auch durch einen stilistischen Fauxpas getrübt:
Triers schwarzes Kleid wurde von einer leuchtend roten, fast den Boden
berührenden Stola umspielt, die sich an den Rändern wellte wie Krepppapier,
sodass man sie sich gut als Dekoration bei einem Kindergeburtstag hätte
vorstellen können.
Das wäre nicht weiter der Rede wert, machte es nicht auf einen
entscheidenden Mangel aufmerksam: Wer nach Glamour, Esprit und Eleganz
sucht, wird bei den European Film Awards nicht glücklich. Die Redner, allen
voran der deutsche Kulturstaatsminister Bernd Neumann, mochten sich viel
Mühe geben, die gegenwärtige Eurokrise vergessen zu machen und das "Europa
der Herzen" zu beschwören, doch sie ließen dabei die Verve vermissen, die
es gebraucht hätte, damit man ihnen Glauben schenkt.
## Schon anderswo prämiert
Die Gala schleppte sich länger als bei solchen Veranstaltungen ohnehin
üblich hin. Anke Engelke machte als Moderatorin keine allzu gute Figur, bat
zum Beispiel die französische Schauspielerin Sylvie Testud im falschen
Augenblick auf die Bühne, absolvierte eher peinliche Übungen zur Aussprache
des englischen "th" und rangelte in gespielter Zickigkeit mit Nina Hoss
oder Heike Makatsch. Schön war ihr erster Auftritt, als sie in einem
Brautkleid, das dem von Kirsten Dunst in "Melancholia" nachempfunden war,
tat, als könne sie sich nicht von der Stelle bewegen.
Viele Witze zielten auf die Schärfe und Schlagfertigkeit der Screwball
Comedy, schafften es aber nur bis zur passiven Aggressivität, und die
Momente, in denen so etwas wie Ehrfurcht aufkam, waren rar - etwa als
Michel Piccoli einen Ehrenpreis entgegennahm oder als Nina Hoss bei ihrer
Vorstellung von "Melancholia" sagte, dass sie diesen Film wirklich liebe.
Die Akademiemitglieder favorisierten Filme, die schon anderswo mit Preisen
bedacht wurden; Tom Hoopers Film "The Kings Speech" etwa hat im Februar
vier Oscars erhalten und darf sich jetzt noch einmal über drei
Auszeichnungen freuen; "In a Better World" von Susanne Bier erhielt am
Samstag den Preis für die beste Regie, im Februar den Oscar für den besten
nicht englischsprachigen Film, und "Le Gamin au vélo" der Brüder Dardenne
bekam in Cannes den Großen Preis der Jury und nun den Preis fürs beste
Drehbuch. Vermutlich ist es naiv, sich zu wünschen, dass die
Mehrheitsentscheidung einer Akademie auch einmal etwas Sperriges wie "The
Turin Horse" von Béla Tarr belohnen könnte - aber schön wärs doch gewesen!
So war dann das beste Argument für diesen Abend die gute Laune bei der an
die Gala anschließenden Party. Der Hamburger Schauspieler Adam Bousdoukos
und ein Kumpel sorgten am DJ-Pult mit einer eingängigen Mischung aus
Bukovina Beats, den größten Hits der 80er und türkischem Dance-Pop dafür,
dass die Tanzfläche noch morgens um halb fünf voll war und die
Berichterstatterin sich unausgeschlafen und mit müden Füßen, aber bester
Dinge an den Schreibtisch setzte.
4 Dec 2011
## AUTOREN
Cristina Nord
Cristina Nord
## TAGS
Nouvelle Vague
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