# taz.de -- Polizei-Konfliktmanager über Castorblockade: "Wir sind das mildest… | |
> Als Konfliktmanager vermittelt Karsten Schröder zwischen Polizisten und | |
> Demonstranten. Er soll Eskalationen verhindern und war zuletzt bei der | |
> Schienenblockade in Hitzacker eingesetzt. | |
Bild: Sagt, er stehe für Friedfertigkeit und gegenseitige Achtung: Konfliktman… | |
taz: Herr Schröder, Sie haben die Räumung großer Blockaden beim letzten | |
Castor-Transport so moderiert, als seien Sie ein externer Mediator. War das | |
eine Art moderner psychologischer Kriegsführung der Polizei? | |
Karsten Schröder: Die Art, wie ich die Räumung der Schienenblockade in | |
Hitzacker, auf die Sie anspielen, moderiert habe, war in der Tat vollkommen | |
polizeiuntypisch. Polizeiliche Durchsagen sind im Regelfall sprachlich sehr | |
formal. Ich war dort als Konfliktmanager der Polizei im Einsatz und meine | |
Aufgabe ist es in dieser Funktion, den Druck aus solchen Situationen | |
herauszunehmen. Wir suchen den Dialog und versuchen so, Positionen | |
anzunähern, Eskalation zu vermeiden und Gewalt zu verhindern. | |
Sie haben den Demonstranten beispielsweise vorab versichert, es werde | |
niemand in Gewahrsam genommen. Ein Teil dürfte dadurch eher sitzen | |
geblieben sein, um sich wegtragen zu lassen. Wie haben Ihre Kollegen darauf | |
reagiert? | |
Viele Beamte sind sehr lange im Einsatz und sind körperlich schwer | |
belastet. Und dann komme ich und will, dass sie langsam räumen. Es ist | |
klar, dass manche meine Moderation dann nicht gut finden. Man kann als | |
Polizeibeamter ja auch sagen: Die Leute wissen, dass es verboten ist, sich | |
auf die Schienen zu setzen, und die werden da jetzt schnellstmöglich | |
wegbefördert, wie auch immer wir das schaffen. Dann unterbleiben adäquate | |
Ansprachen oft und die Lage kann schneller eskalieren. | |
Wie setzen Sie Ihre Linie durch? | |
Gar nicht. Wir sind immer auf die Akzeptanz der jeweiligen Polizeiführer | |
angewiesen. Wenn mir ein Polizeiführer so eine Moderation nicht zugesteht, | |
dann mache ich sie auch nicht. | |
Kommt das oft vor? | |
In Hitzacker war die Kooperationsbereitschaft des verantwortlichen | |
Polizeiführers sehr hoch. Wir sind per Erlass fest in der niedersächsischen | |
Polizei verankert - als das mildeste polizeiliche Einsatzmittel. Im | |
Wendland arbeiten viele verschiedene Länderpolizeien und die Bundespolizei | |
zusammen. So kann es sein, dass Angebote des Konfliktmanagements, in | |
bestimmter Art zu unterstützen, nicht angenommen werden. Der jeweilig | |
verantwortliche Polizeiführer bestimmt die aus seiner Sicht in der | |
Situation erforderlichen Maßnahmen. | |
Es hängt also von Ihrer Überredungskunst ab? | |
Als Konfliktmanager formuliere ich Angebote und stelle mögliche | |
Konsequenzen vor. Für Polizeiführer, die die Arbeitsweise des | |
Konfliktmanagements nicht kennen ist es häufig nicht leicht, sich auf unser | |
Mitwirken einzulassen. Das hat mit Vertrauen zu tun. Den meisten | |
Polizeiführern in einem solchen Großeinsatz sind wir als Person vollkommen | |
unbekannt. | |
Wie sind Sie Konfliktmanager geworden? | |
Ich war in den 90er-Jahren im Wendland immer in einem Festnahmezug | |
eingesetzt. Die Castor-Transporte 1995 und 1997 wurden teilweise sehr | |
massiv durchgesetzt … | |
… das würden viele Menschen auch über den letzten Einsatz sagen. Was war | |
Ihrer Meinung nach damals damals anders? | |
Es gab sehr unschöne Szenen, etwa beim Vorgehen gegen friedlich | |
protestierende Menschen, oder Schlagstockeinsätze, ohne dass diese zwingend | |
erforderlich gewesen wären. Die Polizei hat damals festgestellt, dass sie | |
nicht so weitermachen konnte. In der niedersächsischen Polizeiführung gab | |
es ein Umdenken. Der sozialwissenschaftliche Dienst der Landespolizei, dem | |
wir angegliedert sind, hat begonnen, die Konfliktmanager aufzubauen. Im | |
März 2001 begann unsere Arbeit. Viele hatten damals zu hohe Erwartungen an | |
uns. Viele Menschen im Wendland dachten, wir könnten die Situation | |
zugunsten der Protestierenden entscheiden, seien den Polizeiführern | |
gegenüber weisungsbefugt. Das war 2001 nicht - und ist auch heute nicht so. | |
Haben Sie eine besondere Ausbildung? | |
90 Prozent der Konfliktmanager sind ausgebildete Verhaltenstrainer, ich | |
auch. Das ist eine halbjährige Ausbildung, während der man viel über | |
Kommunikation lernt. Ich fand diesen Ausbildungsgang faszinierend. Ich habe | |
bis 1999 gezögert, mich dafür zu bewerben. | |
Warum? | |
Ich hatte Angst, beim Eingangstest durchzufallen. 70 Prozent der Bewerber | |
wurden seinerzeit nicht zugelassen. Es hat dann für mich wider Erwarten | |
aber doch geklappt. | |
Kommen Sie erst ins Spiel, wenn der Konflikt schon da ist? | |
Nein. Wir sind auch im Vorfeld von Einsatzlagen aktiv. Über den | |
sozialwissenschaftlichen Dienst der niedersächsischen Polizei werden die | |
agierenden Konfliktparteien intensiv betrachtet und analysiert. Bei | |
Einheiten mit spezieller Ausrichtung, die für besondere Lagen vorgehalten | |
werden, wie zum Beispiel Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten, | |
versuchen wir im Vorfeld für "duldsame Kommunikation auf Augenhöhe" und | |
Verständnis für die Position des Protests zu werben. Ähnliches gilt für | |
Beamte, die noch nie im Wendland waren und die Hintergründe des Protests | |
gar nicht kennen. Denen fehlt oft das Verständnis für das Verhalten der | |
Demonstranten. Wir sind deshalb in früheren Jahren in andere Bundesländer | |
gefahren, um dort Aufklärung zu leisten. | |
Was versuchen Sie außer gewaltarmen Räumungen noch zu erwirken? | |
Ein häufiger Diskussionspunkt ist beispielsweise der Helm. Von den 19.000 | |
Beamten wurde zwar nur eine sehr kleine Zahl wirklich angegriffen, aber es | |
gab eben auch Angriffe mit Steinen oder Böllern. Also wollen viele Kollegen | |
in Einsatzlagen den Helm aufbehalten. Das wirkt aber für viele Menschen | |
bedrohlich und provozierend auf Leute, die da nur sitzen, und keinerlei | |
Absicht haben, aggressiv zu sein. Ein Mittel zum Selbstschutz trägt so | |
häufig zur Eskalation bei. Ich werbe in entsprechenden Situationen bei den | |
Einsatzführern: kein Helm. Solche kleinen Gesten sind oft sehr entspannend. | |
Und die Kollegen akzeptieren das? | |
Die sehen das teils so, dass ich mich mit den Demonstranten, statt mit | |
ihnen solidarisiere und bringen ihr Missfallen zum Ausdruck. Ich muss ihnen | |
dann mein Vorgehen erklären. Wir Konfliktmanager haben in bestimmten | |
Situationen oft das Gefühl, weder zur einen noch zur anderen Seite zu | |
gehören. Das ist ein permanenter Rollenkonflikt. | |
Wie reagiert denn die "andere Seite" auf Sie? | |
Man unterstellt uns oft manipulative Absichten. Ich werde oft gefragt, ob | |
ich Psychologie studiert hätte oder höre Sachen wie: "Oh nein, wieder so | |
ein Typ, der uns geschmeidig machen soll?" | |
Das wollen Sie doch auch! Das ist es doch, was Sie mit "Positionen | |
annähern" meinen. | |
Wir stehen für Friedlichkeit und gegenseitige Achtung. Und ich hoffe sehr, | |
dass die Leute mir das abnehmen. Auf beiden Seiten fehlt es häufig an | |
Kompromissbereitschaft und der Bereitschaft, den anderen zuzuhören. Wenn es | |
uns gelingt, in dieser Hinsicht nur eine Situation positiv zu beeinflussen, | |
hat sich das gelohnt. Aber dabei müssen wir zuverlässig sein. Sonst gibt es | |
ein Riesen-Glaubwürdigkeitsproblem und es heißt: "Die in den roten Westen | |
sind Lügner." | |
Ist das schon mal vorgekommen? | |
Ja, zuletzt vor drei Wochen. Es gab einen sogenannten "Unruhetag" zum | |
Auftakt der Proteste. Da behinderten Personen die Zufahrt des | |
Polizeikommissariats in Lüchow. Wir hatten ein einvernehmliches | |
Verhandlungsergebnis erreicht - und dann konnte ich das innerhalb der | |
Polizei doch nicht durchsetzen. Bei der Auftaktdemo in Lüchow haben mich | |
dann Personen wiedererkannt und mir aus der Menge zugerufen: "Hallo Herr | |
Schröder, sind Sie wieder hier, um uns zu belügen?" In solchen Momenten | |
würde ich am liebsten im Boden versinken. | |
Sind Sie im Einsatz bewaffnet? | |
Ja. Das wirkt wie ein Widerspruch. Konfliktmanager sind ausgerüstet wie | |
jeder andere Polizeibeamte, um sich und andere in entsprechenden | |
Situationen sichern und schützen zu können. | |
Ihre Interventionen bauen darauf, dass es einen unausgesprochenen Konsens | |
gibt: Die Proteste sind vor allem politisches Spektakel. Polizei und | |
Demonstranten wetteifern um die Dauer des Transports, letztlich akzeptieren | |
aber von vornherein alle, dass der Staat sich durchsetzt. Wie lösen Sie | |
Konflikte mit denen, die keine "Castor-Festspiele" wollen, sondern den | |
Transport ernsthaft verhindern? | |
Das käme auf deren Mittel an. Mein gesetzlicher Auftrag ist klar. Ein Ende | |
der Transporte wünsche ich mir aber auch. Nach allem, was ich weiß, gibt es | |
für sie keine objektive Notwendigkeit. | |
*** | |
Den Castor-Transport zusammengefasst als Bilderstrecke gibt es [1][hier]. | |
4 Dec 2011 | |
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## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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