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# taz.de -- Youtube nach dem Relaunch: Tubst du noch oder Google+ du schon?
> Zum ersten mal seit sechs Jahren wurde das Online-Videoportal Youtube
> einem Relaunch unterzogen. Mit dem Ergebnis, dass ein Kifferkumpel zum
> Unternehmensberater mutiert.
Bild: Noch ein soziales Netzwerk: Das Videoportal Youtube nach dem Relaunch.
Als Google 2006 1,65 Milliarden Dollar für den Kauf von Youtube bezahlte,
war das irgendwie lustig. Lustig, weil es sich letztendlich um einen Haufen
Schrott handelte, der nicht in Gold aufzuwiegen war. Youtube war schon
damals in den vielen gemeinsam über Musik- und Nonsens-Videos à la
Ich-werfe-ein-Mentos-in-eine-Colaflasche verbrachten Stunden zu so etwas
wie einem chaotischen, lustigen Freund mit einem leichten Drogenproblem
geworden, der sich – da waren sich seine Anhänger einig - jeglicher
Kommerzialisierung entziehen würde. Schon aus strukturellen Gründen.
Inzwischen soll sich der jährliche Umsatz der Videoplattform auf die oben
genannte Summe belaufen, noch einmal so viele Videos werden dort täglich
angeschaut und aus dem freundlichen Kifferkumpel Youtube mit roter
Pudelmütze wurde vergangenen Donnerstag nun ein aufgeräumter
Unternehmensberater im Dreiteiler, der alles was ihm mitgeteilt wird,
gewinnbringend anlegt und verwertet.
Wer nun zum Beispiel nach Michael Herbig sucht, wird fortan mit Videos von
und mit dem Mann nicht mehr in Ruhe gelassen. Gibt man den Namen ein, ist
der Schauspieler erst einmal in einer schwarzen Sidebar oben zu sehen, und
man erfährt, dass es von ihm über 1000 Videos gibt, die über 70 Millionen
mal aufgerufen wurden. Nun gibt es ihn im Abo, beliebte und neueste Videos
gefällig? Noch Fragen?
Ist noch keine Suche eingegeben, finden sich auf der Startseite mittig ohne
Ende Empfehlungen aus abonnierten Kanälen und die Videos, die Bekannte aus
den eigenen Kreisen bei Google+ posten – das soll natürlich die Aktivitäten
bei dem Google-Netzwerk ankurbeln, ebenso wie das sich angleichende
Corporate Design der Portale. Wer es vermag, kann sich aber auch die Clips
der Facebook-, Twitter- etc. Freunde anzeigen lassen. Kommentiert wird
selbstverständlich auch noch, schließlich dient die Kommentar-Auswertung
mittlerweile der Trend-Prognose.
## Knallhartes Marketing
In der Randspalte tummeln sich die Clips des Tages - "Trends" und
"Angesagt" - was auch immer der Unterschied ist...es ist totaler Schrott,
den man leider nicht ausblenden kann. Bei einer konkreten Suche ändert sich
dort zum Glück nichts. Dafür erfährt man nun mehr als genug, was in den
"abonnierten Kanälen" vor sich geht.
Kein Sichtreibenlassen mehr, sondern knallhartes Marketing. Noch schlimmer:
Youtube empfiehlt Kanäle basierend auf den Nutzungsgewohnheiten. Man
erträgt doch bereits mehr schlecht als recht die persönlich angepasste
Werbung bei Googlemail, die Buchempfehlungen bei Amazon, die
Freundesvorschläge und Einladungen bei Facebook. Diese Totalmanipulation so
gönnerhaft "Empfehlungen" zu nennen, ist hahnebüchen.
YouTube ist jetzt selbst ein Netzwerk geworden, das man irgendwie im Griff
haben muss. Wie schön, wir brauchten dringend noch eines. Am besten auch
noch eines, das alles können will. Eines, das anzeigt, welche Videos von
welchen Freunden in welchen Netzwerken gepostet wurden. Eines, das vom
angemeldeten Nutzer erwartet, Channels von Promis, Spaßvögeln,
Nachrichtenagenturen und anderen heißen Werbeträgern zu abonnieren, von
denen ein Video vielleicht gut und 99 schlecht sind – mit denen der User
jetzt vollgemüllt wird.
Merke: Nicht mehr einzelne Videos, sondern Spartenkanäle sind der neue
Schwerpunkt des Portals, die Dezentralität ist der Zentralität gewichen.
Wer hat denn Zeit für diesen ganzen Wahnsinn, all diese Netzwerke zu hegen
und pflegen. Community Manager für alle! Dann lieber ab und an mal ziellos
suchen und finden.
## Schluss mit Lustig
Doch das Suchen, Finden und Stöbern in Millionen von Videos von Profis als
auch Amateuren hat sein Ende in der künstlich hergestellten Ordnung
gefunden. Der alte Kumpel YouTube hat sich schick gemacht für das
internetfähige Fernsehen – auf allen Geräten und völlig ironiefrei. Der
User kann auf PC, Handy oder Konsole von einem Kanal zum anderen zappen:
Fußball, Unterhaltung, Autos, News, Kochen, Spiele, Reise. Dafür gibt es
die "Kategorien" und dort dann wieder ganz oben: am meisten gesehen. Wie
anstrengend.
Schluss mit der sinnlosen Rumspielerei, nun wird mal aufgeräumt und Geld
verdient - mit Werbung. Solange YouTube die Füße unter Googles Tisch
stellt, trägt es auch einen Dreiteiler, wenn der Suchmaschinenkonzern es so
will. Aber für Werbung sind die Millionen von Amateurschnipsel natürlich
weniger geeignet und werden jetzt zu Gunsten von professionellen Inhalten
in den Keller geräumt. Das Ende der anarchistischen Resterampe mit
versteckten Juwelen.
YouTube, du warst mal so eine lässige, coole Sau. Die reine Popkultur,
nachdem das Musikfernsehen einen ähnlich schäbigen Abgang gemacht hat. Und
jetzt bist du nur noch anstrengend. Ich ertrage deine benutzerfreundliche
Oberfläche nicht – damit kannst du höchstens bei iPad-Girlies landen.
Ich möchte das nicht, was du mir da auftischst. Ich möchte nicht wissen,
welcher meiner "Freunde" wann welches Video gesehen und dazu Salamipizza
gegessen hat, nachdem er laut Facebook Places mit Freundin Heike und Freund
Klaus auf der Schaumparty war, dort offenbar die Petra kennengelernt hat,
denn die sind jetzt alle vier Freunde und haben den Videomitschnitt des
Abends bei Youtube geposted.
Ich fürchte, ich habe nicht nur dich, sondern den Anschluss an diese
Gesellschaft verloren. Wenn ich meine Zeit verschwenden will, dann nicht,
damit andere davon profitieren, während ich verwirrt umher klicke. Apropos
profitieren: Wenn du dich schon überall einschleimen willst, dann einige
dich doch bitte auch mit der GEMA, damit in Zukunft keine Videos mit dem
Hinweis mehr blockiert werden, sie seien in Deutschland nicht verfügbar.
Danke, ganz lieb.
5 Dec 2011
## AUTOREN
Julia Niemann
## TAGS
Schwerpunkt Meta
Schwerpunkt Meta
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