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# taz.de -- Freispruch für Studenten in der Türkei: Einfallsreich gegen Behö…
> Ein Gericht in Ankara spricht 28 Studenten vom Vorwurf frei, Mitglieder
> einer Terrororganisation zu sein. Das Verfahren beweist die
> Rückständigkeit der Politik.
Bild: Tausende Menschen protestierten vor dem Gerichtsgebäude für die Freilas…
ISTANBUL taz | Einer der umstrittensten Prozesse in der Türkei ist mit dem
Freispruch aller Angeklagten zu Ende gegangen. Das Gericht für schwere
Straftaten in der Hauptstadt Ankara sprach 28 Studenten am Freitagabend vom
Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung frei.
Vorausgegangen waren eine beispiellose Solidaritätskampagne unter
Intellektuellen, bekannten Schauspielern und selbst Parlamentsabgeordneten.
Alles begann am 31. Mai dieses Jahres. Das Land war im Wahlkampf und
Ministerpräsident Tayyip Erdogan sollte am Mittag in Hopa, einer Stadt am
Schwarzen Meer, auftreten. Weil Hopa für seine eher linke Haltung bekannt
ist, verwandelte die Polizei Hopa in eine Stadt im Ausnahmezustand.
Gegenkundgebungen wurden verboten, bereits im Vorfeld fanden Razzien bei
stadtbekannten Linken statt. Als sich am Rande der Erdogan-Kundgebung dann
doch ein Protestzug formierte, ging die Polizei mit aller Härte dazwischen.
Es gab etliche Verletzte, ein Lehrer starb im Krankenhaus.
Zur Unterstützung der Protestierenden in Hopa fand am Abend in Ankara eine
spontane Demonstration statt, an der hauptsächlich Studenten teilnahmen.
Wieder kam es zu Straßenschlachten, weil die Polizei sofort auf die
Demonstranten einprügelte. Von den festgenommenen Demonstranten kamen dann
28 Studenten in U-Haft.
Die Staatsanwaltschaft warf ihnen aber nicht Widerstand gegen die
Staatsgewalt vor, sondern konstruierte eine Anklage, bei der alle 28
Studenten zu Mitgliedern einer Terrorvereinigung mutierten. Grundlage für
die Anklage waren linke Zeitschriften, Che-Guevara-Poster und marxistische
Klassiker, die bei Razzien in den Wohnungen beschlagnahmt wurden. Nicht
eine Waffe wurde gefunden. Trotzdem forderte die Staatsanwaltschaft
Haftstrafen bis zu 52 Jahren.
## Hunderte ließen sich die Haare schneiden
Gegen diese absurde Anklage wurde landesweit protestiert. Zwei Kommilitonen
der Inhaftierten ließen sich aus Solidarität auch den Kopf scheren und
schickte ihre Haare den Freunden in den Knast. Als die Staatsmacht die
beiden deshalb ebenfalls verhaftete, kam es in Ankara zu einer einmaligen
Aktion: Hunderte Prominente ließen sich auf einem Platz im Zentrum
öffentlich ebenfalls die Haare schneiden und schickten sie ins Gefängnis.
Am Prozesstag wurde das Gericht regelrecht belagert. Mehr als 3.000
Unterstützer der Angeklagten schafften es nicht in den Gerichtssaal und
harrten den ganzen Tag vor dem Gebäude aus. Per Twitter wurden sie aus dem
Saal auf dem laufenden gehalten. Als am Abend die Freisprüche verkündet
wurden, erlebte Ankara ein regelrechtes Freudenfest.
Doch so erfreulich die Freisprüche in Ankara sind, das generelle Problem
wachsender Repression gegen oppositionelle Kräfte in der Türkei ist damit
nicht gelöst. Amnesty International und Human Rights Watch haben bereits
mehrfach darauf hingewiesen, das in keinem anderen Land so viele Menschen
unter Terroranklage in U-Haft sitzen wie in der Türkei.
11 Dec 2011
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
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