# taz.de -- GENTRIFIZIERUNG: Ewig stampft die Mietmaschine | |
> In der Luisenstrasse wehren sich Mieter gegen den Verkauf ihrer Häuser, | |
> steigende Mieten und Immobilienspekulation im Viertel. Doch tun können | |
> sie wenig | |
Bild: Mit dem Verkauf der Häuser im Viertel kam der Gartenzaun. Die Anwohnerin… | |
Ein mannshoher Palisaden-Zaun teilt den grünen Garten des Wohn-Karrees | |
zwischen Sielwall, Luisenstrasse und Schildstrasse. Die Stützpfeiler sitzen | |
tief in der Erde. Bis zum August hatten die MieterInnen den Garten noch | |
gemeinsam genutzt. Dann ist eines Morgens ein stattlicher Bagger in der | |
Hinterhof-Idylle aufgetaucht und hat die Erde umgegraben. Die AnwohnerInnen | |
waren entsetzt. Den neuen Zaun nennen sie nur den "Todesstreifen". Er ist | |
das sichtbarste Zeichen für den Verkauf ihrer Häuser. | |
Nun schimpfen sie über "Miethaie" und befürchten "Gentrifizierung". So | |
heißt die Aufwertung vormals günstiger Wohnviertel, nachdem sich Künstler, | |
Alternative und Studenten angesiedelt hatten und das Wohnquartier | |
attraktiver machten. Ein Ausbreiten kapitalistischer Wirklichkeit, die mit | |
Protest kaum aufzuhalten ist. | |
Über ein Jahrhundert lang gehörten die Häuser in der Luisen- und der | |
Schildstrasse dem "Verein für Blinde". Am Sielwall hatte er seinen Sitz, | |
die anderen Häuser wurden günstig vermietet. Manche MieterInnen wohnen seit | |
30 Jahren darin. Dann zog der Verein nach Schwachhausen. Die Bremer Firma | |
Imogrund kaufte die acht Häuser Ende 2010 auf einen Streich, mit über 30 | |
Mietparteien. Imogrund ist kein Wohltätigkeitsverein. Drei der Häuser | |
wurden bereits wieder weiterverkauft. Eine Maklerfirma bewirbt im Internet | |
deren "ruhige, aber zentrale Lage in Bremens aufsteigendem Kulturviertel". | |
Dass darin noch Mieter wohnen, verschweigen die Anzeigen nicht. "Der | |
Erwerber müsste bei Eigenbedarf kündigen", steht da. Und: "Die Mieten sind | |
stark entwicklungsfähig." Imogrund-Geschäftsführer Carl-Hubertus Nitzsche | |
versteht die Aufregung nicht. "Wer die Miete nicht zahlen kann, muss zum | |
Sozialamt", sagt er. Ab November hat er manche der Mieten um 20 Prozent | |
erhöht. Und den Garten aufgeteilt, nach Häusern getrennt. Zwei Eigentümer | |
von Häusern am Körnerwall hatten das Land hinter ihren Häusern erworben und | |
schützen es fortan gegen Eindringlinge. Den Zaun findet selbst Nitzsche | |
"ziemlich hoch". | |
Dass eine Immobilienfirma ein ganzes Ensemble erwirbt, ist im Bremer | |
Viertel selten. Die meisten Häuser sind einzeln in Familienbesitz. Verkauft | |
wird nur, wenn Oma stirbt und die Erben ein wenig Geld machen wollen. | |
Vergangenen Mittwoch trafen sich die MieterInnen im Ortsamt Mitte mit | |
Ortsamtsleiter Robert Bücking. Vier Stadtteil-Beiräte, von den Piraten, der | |
SPD, der CDU waren gekommen. Auch sie wollen keine Gentrifizierung. "Wir | |
brauchen bezahlbaren Wohnraum im Viertel", sagte SPD-Beirat Jan Cassalette. | |
Was die Beiräte tun können, will ein Anwohner wissen. "So gut wie nichts", | |
sagt Siegfried Wegner-Kärsten von den Piraten. Die Immobilien sind nicht in | |
öffentlicher Hand. Mieten dürfen an die der umliegenden Wohnungen | |
angeglichen werden. Und mit Häusern Geschäfte zu machen, ist nicht | |
verboten. "Das ist ja das Verbrechen", ruft ein Anwohner in die Runde. Der | |
Rat ist ratlos. | |
Robert Bücking will mit dem Vermieter Nitzsche sprechen. Ansonsten bleibt | |
nicht viel. Der Mieterhöhung haben alle zugestimmt, alle drei Jahre könnte | |
es wieder 20 Prozent nach oben gehen. Wenn an den Häusern etwas saniert | |
würde, könnten die Mieten noch weiter steigen. | |
Und Sanierungen, etwa zur verbesserten Wärmedämmung, lohnen sich für | |
Bremens Hausbesitzer, weil die Immobilien auch bei einer späteren | |
Mieterhöhung noch gefragt sind. Denn während in den äußeren Stadtteilen | |
verlassene Mietskasernen abgerissen werden, steigen besonders in den | |
zentrumsnahen Stadtteilen die Mieten stetig an. Die städtische | |
Wohnungsbaugesellschaft Gewoba hat im Stadtgebiet so gut wie keine freien | |
Wohnungen, weniger als ein Prozent steht leer. Laut Bremer Bauressort ist | |
die Zahl freien Wohnraums für Bremen insgesamt nicht viel höher. Im | |
September lobte die bremische Wirtschaftsförderungs-Gesellschaft diese | |
niedrige Leerstandsquote. Für Investoren sind das gute Zahlen. Für Mieter | |
nicht. | |
Ein Mieter war erst vor ein paar Monaten in die Schildstrasse gezogen. Er | |
hatte extra noch gefragt, wie lange er wohl dort wohnen könne. Keine Sorgen | |
solle er sich machen, hatte der neue Vermieter Nitzsche gesagt. Noch als er | |
mit Farbpinsel auf der Leiter stand, habe ein Mann geklingelt und gefragt, | |
was er dafür haben wolle, wenn er gar nicht erst einzieht. | |
Irgendetwas wollen die MieterInnen gegen die Gentrifizierung machen. | |
Natürlich nicht wie die Autonomen, die deshalb Autos anzünden. Auf dem | |
Treffen im Ortsamt aber werden die Töne doch militanter. "Am besten sollten | |
wir einfach alles besetzen, so wie früher", sagt eine Mieterin. | |
12 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Jean-Philipp Baeck | |
## TAGS | |
Bremen | |
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