# taz.de -- Debatte Das Mullah-Regime: Kein Frühling im Iran | |
> Das iranische Regime der Mullahs fühlt sich von den angrenzenden Ländern | |
> wie auch von inneren Konflikten bedroht. Davon profitieren die Radikalen. | |
Bild: Regimetreue paramilitärische Einheiten demonstrieren Entschlossenheit vo… | |
Der Konflikt um das iranische Atomprogramm eskaliert. Härtere Sanktionen | |
und Kriegsdrohungen sollen das Regime zum Einlenken zwingen. Doch ein Blick | |
auf die iranische Außenpolitik und die Lage, in der sich das Regime | |
befindet, lässt die Hoffnung auf ein Nachgeben Teherans kaum zu. | |
Die iranische Außenpolitik hat sich seit Gründung der Islamischen Republik | |
mehrmals gewandelt. Trunken von dem Sieg, der ihnen durch den Volksaufstand | |
gegen den Schah zuteil worden war, träumten Ajatollah Chomeini und seine | |
Weggefährten von einem islamischen Weltreich. Unser Weg geht über Bagdad | |
nach Jerusalem, lautete die Parole. | |
Dieser Wunsch dauerte, bis Chomeini nach einem achtjährigen Krieg gegen den | |
irakischen Nachbarn endlich von der Realität eingeholt wurde und wider | |
Willen ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnete, das ihm, wie er offen | |
gestand, wie ein Gifttrunk vorkam. | |
Nach dem Tod des Revolutionsführers leitete die Ära Rafsandschani eine | |
Phase ein, die notgedrungen den Versuch unternahm, die Beziehungen des Iran | |
zu der Außenwelt pragmatisch neu zu gestalten. Doch diese Politik erlitt | |
immer wieder Rückschläge, weil sie vom Terror nach innen und nach außen | |
begleitet wurde. Anschläge und Attentate führten zeitweise sogar zum | |
Abbruch diplomatischer Beziehungen mit einigen Staaten Europas. | |
Erst in der Ära des Staatspräsidenten Mohammed Chatami begann die | |
Islamische Republik allmählich international salonfähig zu werden. Die | |
Offenheit, die Chatami propagierte, seine Forderung nach einem Dialog der | |
Kulturen, bahnten dem islamischen Staat allmählich einen Ausweg aus der | |
Isolation. | |
Doch diese Versuche wurden nicht zuletzt durch die konfrontative Politik | |
der USA torpediert. Obwohl Chatamis Regierung bereit gewesen war, allen | |
Widerständen der Radikalen im eigenen Land zum Trotz, Zugeständnisse zu | |
machen und, sei es im Atomkonflikt oder bei der Besetzung Afghanistans und | |
Iraks, mit Washington zu kooperieren, war das Weiße Haus unter der Führung | |
von George W. Bush nicht gewillt, die Feindschaft gegen den Iran | |
aufzugeben. | |
Im Gegenteil, der Iran wurde als Schurkenstaat und Achse des Bösen | |
eingestuft. Chatami scheiterte und die radikalen Kräfte übernahmen die | |
Macht. | |
## Krisen in der Nachbarschaft | |
Doch so unterschiedlich die hier kurz skizzierten Phasen, so gleichbleibend | |
waren und sind die realen Gegebenheiten, die für die iranische Außenpolitik | |
ausschlaggebend sind. Der Iran befindet sich in der krisenreichsten Region | |
der Welt. | |
Das Land ist umgeben von elf Nachbarstaaten beziehungsweise Staaten, von | |
denen die meisten eine auch für den Iran bedrohliche Instabilität | |
aufweisen. In Afghanistan und im Irak herrschen seit Jahren Krieg und | |
Bürgerkrieg. In Pakistan stehen weite Teile des Landes außerhalb der | |
Kontrolle der Regierung. | |
Der Zerfall der Sowjetunion stellte den Iran vor die Herausforderung, zu | |
den zumeist von Krisen heimgesuchten neuen Staaten Beziehungen | |
herzustellen. | |
## Riskante Nahostpolitik | |
Konfliktreich ist das Engagement des Iran auch in anderen Ländern des | |
Vorderen Orients. Abgesehen von den Beziehungen zu Syrien, die bis zum | |
Ausbruch der Unruhen als stabil galten, verfolgt der Iran neben der | |
ideologisch verbrämten Feindschaft gegen Israel eine recht risikoreiche | |
Politik in Palästina und im Libanon. | |
Die finanzielle, militärische und politische Unterstützung der radikalen | |
Kräfte in Palästina sowie der Hisbollah im Libanon ist ein Spiel mit dem | |
Feuer, aber zugleich ein wirksames Instrument, um im Nahen Osten als | |
bedeutender Mitspieler wirken zu können. | |
Das Regime in Teheran fühlt sich durch die geografische Lage des Landes | |
bedroht. Der achtjährige Krieg gegen den Irak, die Millionen afghanischen | |
Flüchtlinge, der Drogenschmuggel, der inzwischen Millionen Heroinsüchtige | |
hervorgebracht hat, begründen die Furcht, die allerdings auch zur | |
Legitimierung diktatorischer Maßnahmen gegen die eigene Bevölkerung | |
instrumentalisiert wird. | |
Zu der geografisch bedingten Bedrohung kommt die militärische hinzu. Der | |
Iran ist rund um seine Grenzen von US-Streitkräften umzingelt. In | |
Afghanistan sind sie als Besatzungsmacht präsent, im Norden besitzen sie in | |
den meisten ehemaligen Sowjetrepubliken Militärstützpunkte, im Westen | |
befindet sich das Nato-Land Türkei, im Irak sind die USA wiederum als | |
Besatzungsmacht vertreten, im Persischen Golf wimmelt es von | |
US-Kriegsschiffen und Stützpunkten. | |
Der Iran ist auch von Atommächten umzingelt, im Osten von Pakistan und | |
Indien, im Norden von Russland und im Westen von Israel. | |
## Innere Konflikte | |
## | |
Das Regime ist aber auch von innen bedroht. Der Iran ist ein | |
Vielvölkerstaat. Die vorwiegend transnationalen Minderheiten streben nach | |
Autonomie, teilweise aber auch nach nationaler Einheit mit Ethnien in den | |
Nachbarstaaten. Kurden, Araber, Belutschen, Aseris, Turkmenen stehen seit | |
Jahrzehnten in Konflikt mit der Zentralregierung, Konflikte, die auch von | |
außen geschürt werden. | |
Das Regime steht auch einer beachtlichen Opposition und einer unzufriedenen | |
Mehrheit der Bevölkerung gegenüber. Und es hat nicht zuletzt eine panische | |
Angst vor einer von außen gelenkten "samtenen Revolution". | |
Um all den äußeren und inneren Gefahren entgegenwirken zu können, sieht die | |
iranische Staatsführung offenbar nur einen Ausweg: den immer stärkeren | |
Ausbau des bestehenden Gewaltapparats. | |
## Die Logik der Macht | |
530.000 Mann stehen bei der Armee und den Revolutionsgarden unter Waffen, | |
gestützt von über einer Million Basidsch-Milizionären, mehreren | |
Geheimdiensten und paramilitärischen Organisationen. | |
Dieser Logik der Macht folgend, ist es nicht ausgeschlossen, dass bestimmte | |
radikale Kräfte die irrige Meinung vertreten, auch die Option einer | |
nuklearen Ausrüstung würde den Machterhalt des Regimes sichern. Ein | |
Verzicht auf das Atomprogramm käme hingegen einer Kapitulation gleich, | |
meinen sie. | |
Dieser Macht gegenüber sind Sanktionen, auch Luftangriffe auf Atomanlagen, | |
wirkungslos. Sie treffen nur die Bevölkerung. Um den Atomkonflikt zu lösen, | |
bedarf es eines umfassenden Friedensplans für die gesamte Region. | |
16 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Bahman Nirumand | |
## TAGS | |
USA | |
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