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# taz.de -- Gratis-Downloads bei Verlagen: Wir könnten gute Freunde werden
> Wer Vinyl ersteht, bekommt den Download gratis. Was kleine Plattenfirmen
> längst praktizieren, soll jetzt auch auf dem Buchmarkt durchgesetzt
> werden.
Bild: Zur Schallplatte die CD gratis mit dazu? Manche Label bieten das jetzt an.
Die Vorschau für das Frühjahrsprogramm 2012 des Berliner Verlags Rogner &
Bernhard enthält eine Überraschung. "Buch und E-Book sind jetzt Freunde",
lautet ganz facebookianisch die Überschrift des Editorials, in dem ein
neues Konzept mit dem Titel "Hardcover Plus" angekündigt ist. Künftig
erscheinen Bücher des Hauses mit einem Code, der es Käufern ermöglicht, die
E-Book-Version herunterzuladen - ohne etwas dazuzahlen zu müssen.
Wer den bald bei Rogner & Bernhard erscheinenden Briefwechsel zwischen Jack
Kerouac und Allen Ginsberg ersteht, bekommt auch die digitale Version.
Leicht pikiert fragte die FAZ: "Nur Buch, das gibts nicht mehr?" Im
Tonträgerhandel gibt es eine Entsprechung zum Rogner-&-Bernhard-Modell
schon lange. Wer ein Album auf Vinyl kauft, bekommt den Download-Code
gratis.
Da passt es ins Bild, dass Jakob Karsten, der Vertriebsleiter von Rogner &
Bernhard, auch in der Musikbranche tätig ist, er ist Manager der
HipHop-Band Puppetmastaz. Karsten betont aber, die Pionierarbeit der Labels
sei für die Entscheidung seines Verlags nicht ausschlaggebend gewesen. Man
wolle vor allem erforschen, was der Leser wolle.
Im Tonträgerhandel gehen einige Firmen einen Schritt weiter. Labels wie
Mute oder Epitaph legen in einer Plastikhülle gleich die fertige CD bei. So
kommt es, dass Käufer der aktuellen Alben von Künstlern wie Wilco oder Nick
Caves Band Grinderman mit der Vinylversion de facto zwei Exemplare der
Alben mit nach Hause nehmen.
Der Grund für solche Maßnahmen ist simpel, sagt Anne Haffmans,
Labelmanagerin von Mute in Deutschland und in derselben Funktion tätig für
Domino Records (Bonnie Prince Billy, Animal Collective): Man könne nun mal
Vinyl nicht auf einem Computer abspielen. Der Hintergedanke: Bei
Vinyl-Anhängern handelt es sich oft um Musikliebhaber, die bereit sind,
mehr Geld für Tonträger auszugeben. Es sind wohl die treuesten Kunden, die
die Branche hat.
## Geiz ist geil
In Zeiten, in denen die Zahl jener, die für Musik gar nichts zu zahlen
bereit sind, steigt, sollte man sich um solche Käufer kümmern.
Vinyl-Tradition hin oder her, ein Album auch in digitalisierter Form
verfügbar zu haben, um es jederzeit auf dem Endgerät des Vertrauens
abspielen zu können, sorgt für mehr Mobilität. Hinzu kommt, dass die Zahl
jüngerer Fans steigt, die aus einer Retrohaltung heraus zu Vinylkäufern
werden. Die Labels, für die Haffmans arbeitet, setzen auf unterschiedliche
Produktbündel: Domino-Alben enthalten einen personalisierten Download-Code,
bei Mute gibt es zum Vinyl die CD gratis.
Das ist aber keine Frage der Labelphilosophie, sondern der Praktikabilität:
Domino hat einen eigenen Onlineshop, Mute nicht. Zusatzkosten fürs Beilegen
einer CD sind gering. Laut Haffmans koste das zwischen 38 und 50 Cent pro
Exemplar. Auch der finanzielle Aufwand für den Download-Code ist
überschaubar. Oke Göttlich, Geschäftsführer der Hamburger Firma finetunes,
die als Digitaldienstleister für Indielabel fungiert, sagt, die Basiskosten
betrügen pro Album 80 Euro. Dazu kommen dann Kosten für den Druck der
Kärtchen mit dem Code.
Ob bei den Vinylkäufern CD oder Code besser ankommen, ist eine Altersfrage:
"Ein jüngerer Kollege hat mal gesagt: Was soll ich mit der CD, wenn ich sie
in iTunes überspielt habe? Das ist doch nur Restmüll", erzählt Haffmans.
Jemand wie Mute-Labelchef Daniel Miller sagt dagegen, er finde beigelegte
CDs besser. Kein Wunder, der Mann, der Depeche Mode entdeckt hat, ist 2011
60 geworden. Auffällig ist, dass die Majors diese Services bisher nicht
anbieten - unter anderem, weil sie wohl befürchten, das Produkt CD damit zu
entwerten.
Auf dem Buchmarkt, sagt Jakob Karsten, sei die Situation folgendermaßen:
E-Books herzustellen sei relativ günstig, trotzdem habe bisher kein Verlag
dafür ein funktionierendes Geschäftsmodell gefunden. Rogner & Bernhard
nutzt E-Books nun als Marketinginstrument: Wer in einer Buchhandlung die
Wahl zwischen dem Kerouac-Ginsberg-Briefband und einem Buch ohne Code hat,
entscheidet sich möglicherweise für Buch plus E-Book. Nicht zuletzt dient
die Marketingmaßnahme dazu, einen Strategiewechsel zu begleiten: Die Bücher
des Verlages gab es jahrzehntelang exklusiv bei Zweitausendeins. Ab
kommenden Frühjahr wird man sie aber in jeder Buchhandlung kaufen können.
Möglicherweise lässt sich für Verlage bald Ähnliches sagen wie jetzt für
die Musikindustrie. Oke Göttlich meint: "Labels, die Vinylalben ohne
Download-Code veröffentlichen, haben die Entwicklungen in der Branche in
den letzten fünf Jahren nicht mehr wahrgenommen."
22 Dec 2011
## AUTOREN
Rene Martens
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