| # taz.de -- Versicherungsfrau über Unternehmenskultur: "Geld versaut den Chara… | |
| > Sexreisen für Führungskräfte spiegeln die Kultur der | |
| > Versicherungsbranche, sagt eine ehemalige Mitarbeiterin. Dort arbeiten | |
| > vor allem Männer an der Spitze. | |
| Bild: Versicherungsvertreter sind wie andere Männer auch: "Manche gehen ins Bo… | |
| taz: Frau Mustermann (Name geändert), Sie haben über zwanzig Jahre bei | |
| diversen Versicherungen und Finanzdienstleistern gearbeitet. Wie kommt es | |
| zu solchen Sexreisen, mit denen Unternehmen wie Ergo und zuletzt Wüstenrot | |
| im vergangenen Jahr in die Schlagzeilen gerieten? | |
| Gerda Mustermann: Solche Reisen gibt es nicht offiziell, schon gar nicht | |
| für einfache Mitarbeiter. Ich kenne auch keine Frau, die auf eine solche | |
| Reise eingeladen wurde - das macht die männliche Führungsebene schön unter | |
| sich aus. Aber auch für einfache Mitarbeiter springt zur Belohnung schon | |
| mal eine Reise raus. | |
| Allerdings ohne Sex? | |
| Ja, das sind Eventreisen in irgendein Hotel an der See. Ich habe noch nie | |
| gehört, dass es da zuging wie bei den Sexreisen. Das hätte sich dann auch | |
| schon früher herumgesprochen, denn an der Basis arbeiten mehrere tausend | |
| Leute. Eine Belohnungsreise kriegen aber höchstens 30 Mitarbeiter spendiert | |
| - die mit den besten Umsatzzahlen. | |
| Kann es in normalen Hotels nicht auch Prostituierte geben? | |
| Ja, aber nicht jeder Versicherungsvertreter ist per se ein Sextourist. Die | |
| Männer in dieser Branche sind wie überall: Es gibt welche, die gehen ins | |
| Bordell, und andere, die machen das nicht. Ich hatte viele ehrliche und | |
| treue Ehemänner als Kollegen, die solide Arbeit leisten. | |
| Kann man sagen: je höher das Amt, desto unmoralischer? | |
| Geld versaut den Charakter, ja. Das konnte man an den Sexreisen der | |
| Chefetagen prima sehen. Der Fisch fängt vom Kopf her an zu stinken. Es gibt | |
| aber noch andere Prämien, für die einfachen Kolleginnen und Kollegen. | |
| Wie sehen die aus? | |
| Zum Beispiel eine Weihnachtsgans für rund 30 Euro. Die muss in der | |
| Steuererklärung angegeben und auch selbst abgeholt werden, mitunter ein | |
| paar hundert Kilometer weiter. | |
| Kann man sagen: Für die Männer gibt es als Gratifikation Sex, für die | |
| Frauen Gänse? | |
| Wenn Sie so wollen. Die Toppositionen sind mit Männern besetzt, an der | |
| Basis arbeiten vor allem Frauen. Einmal wurde in einer Mitarbeiterzeitung | |
| eines langjährigen Unternehmens breit berichtet, dass dort zum ersten Mal | |
| eine Frau Gebietsleiterin geworden ist. Das wurde groß gefeiert, obwohl es | |
| nur die mittlere Führungsebene ist. | |
| Kann eine Frauenquote dazu beitragen, die Unternehmenskultur zu verändern? | |
| Unbedingt. Aber die Branche will keine Quote, die würde ja das schöne | |
| System stören. | |
| Hatten Sie es als Frau schwer, sich durchzusetzen? | |
| In einer männerdominierten Branche gibt es immer welche, die Frauen nicht | |
| nur als Kollegin betrachten. Ich habe häufig Sätze gehört wie: Mit dir | |
| würde ich ja auch gern mal in die Kiste steigen. Auch Chefs sagten das. | |
| Oder: Sie sind eine Frau, Sie haben doch gar keine Ahnung. | |
| Wie haben Sie reagiert? | |
| Gelächelt und gedacht: Träum weiter, Schätzchen! Wenn ich offen gekontert | |
| hätte, wäre ich als Zicke verschrien gewesen. Männer tratschen viel mehr, | |
| als man glaubt. In einem Unternehmen, bei dem ich neu anfing, hatten die | |
| Kollegen nichts Besseres zu tun, als herauszufinden, mit wem ich privat | |
| zusammen bin. | |
| Mit Frauen wäre Ihnen das nicht passiert? | |
| Wenn sich Männer gegenseitig aufheizen, halten die keine Grenzen ein, da | |
| rutscht es schnell ab ins Sexuelle, und Frauen werden abgewertet. Es gibt | |
| aber auch Frauen, die sich darauf einlassen. | |
| Gibt es da keine Solidarität? | |
| In einem Unternehmen in Berlin, in dem ich gearbeitet habe, herrschte | |
| generell ein rüder Umgangston. Manche Frauen haben das mitgemacht. In einer | |
| anderen Firma in München hingegen waren die Chefs auf Augenhöhe, da ging es | |
| nicht frauenfeindlich zu. Da begrüßte mich der Chef, der mich vorher noch | |
| nie gesehen hatte, gleich an meinem ersten Arbeitstag mit meinem Namen. | |
| Das kommt nicht oft vor? | |
| Es kommt immer seltener vor. | |
| 4 Jan 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schmollack | |
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