# taz.de -- Eurokrise in Deutschland: Heilmittel höhere Löhne | |
> Die Eurokrise wird auf die deutsche Realwirtschaft durchschlagen, warnt | |
> das IMK-Institut. Für 2012 prognostizieren die Experten bestenfalls eine | |
> Stagnation. | |
Bild: Ohne Stahl keine Wirtschaft – nicht nur in Deutschland. | |
BERLIN taz | Dass der Euroraum 2012 in eine realwirtschaftliche Rezession | |
hineinsteuert, ist Konsens unter den Konjunkturexperten. In Griechenland, | |
Spanien, Portugal, Irland, Italien und Frankreich schrumpft die | |
Wirtschaftsleistung bereits. | |
Aber was ist mit Deutschland, das 2011 wohl ein gutes Plus von 3 Prozent | |
verzeichnen wird? "Es gibt auf der Welt keine Volkswirtschaft, die immun | |
ist gegen die Krise", sagte die Chefin des Internationalen Währungsfonds, | |
Christine Lagarde, im Dezember. Das deckt sich mit der Prognose für 2012, | |
die das keynesianisch orientierte Institut für Makroökonomie und | |
Konjunkturforschung (IMK) am Dienstag in Berlin vorstellte. | |
Demnach wird auch die Wirtschaftsleistung in Deutschland sinken, wenn auch | |
nur um 0,1 Prozent, so dass IMK-Chef Gustav Horn von einer "Stagnation" | |
spricht. Voraussetzung sei, dass "die Wirtschaftspolitik die richtigen | |
Entscheidungen trifft". Andernfalls drohe eine Rezession mit einem Minus | |
von 1,5 Prozent. | |
Tatsächlich hängt von den Beschlüssen der europäischen Regierungen | |
unmittelbar ab, was mit den hochverschuldeten Ländern der Eurozone | |
passiert, was mit dem Euro und der EU - und eben auch, wie sich die | |
Konjunktur entwickelt. Ohne das kontinuierliche Eingreifen der Europäischen | |
Zentralbank, die den Leitzins bei 1 Prozent hält und den Banken bis Ende | |
2014 unbegrenzt Geld zu ebendiesem Satz zur Verfügung stellt, wäre die | |
Realwirtschaft längst tiefer abgerutscht. Da sich die Banken untereinander | |
nichts mehr leihen, bekämen auch Unternehmen keine Kredite mehr. | |
## Unternehmen geben nur noch 0,7 Prozent aus | |
So aber greift die Krise nur langsam auf die Realwirtschaft über: Weniger | |
Investitionsgüter werden bestellt, die Auftragseingänge sinken. Die | |
staatliche KfW-Bank geht davon aus, dass die Unternehmen, die 2011 noch 8 | |
Prozent mehr investierten als im Vorjahr, 2012 nur noch 0,7 Prozent mehr | |
ausgeben – und auch das nur, um die Kosten für Energie, Rohstoffe, Arbeit | |
zu senken. | |
Die Dynamik wird sich beschleunigen, das ist für Horn ausgemacht. | |
Schließlich hängt die deutsche Wirtschaft zu über 50 Prozent am Export, | |
wobei 60 Prozent der Ausfuhren in andere EU-Länder gehen. Und dort engen | |
nicht nur die Rezession, sondern auch staatliche Sparprogramme den | |
Spielraum ein. Die Schwellenländer können das nicht kompensieren – China | |
etwa nimmt bislang gerade mal 6,1 Prozent der deutschen Exporte ab. | |
Und wenn es wieder zu einer Krise wie 2008/2009 kommt, sind die | |
Instrumente, mit denen sich die deutschen Unternehmen damals über die Zeit | |
retteten, noch gar nicht wieder einsatzfähig: Die Arbeitszeitkonten sind | |
leergeräumt, neue Kurzarbeitsregelungen fraglich. | |
IMK-Chef Horn sieht nur eine Lösung: "Der Kern der Krise ist eine | |
Vertrauenskrise", sagte er. Diese sei von den "Märkten durch den Einsatz | |
spekulativer Finanzanlagen verschärft", aber von der "verengten Wahrnehmung | |
der Krise durch die europäische Politik" verursacht worden: Es handle sich | |
nicht um eine Staatsschuldenkrise, die sich mit Sparen lösen lasse, sondern | |
um eine Leistungsbilanzkrise: In Deutschland halte man den eigenen | |
Überschuss fälschlich für ein Zeichen von Leistungsfähigkeit. | |
Tatsächlich sei man aber nur Gläubiger im Ausland - und verliere Geld, wenn | |
die Schuldner ihre Verbindlichkeiten nicht bedienen könnten. Besser für | |
alle sei es, den Exportüberschuss durch höhere Löhne im Land zu halten und | |
so die Binnenwirtschaft als zweiten Motor anzukurbeln. | |
3 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Beate Willms | |
## TAGS | |
Muss Europa deutsch werden? | |
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