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# taz.de -- AKW-Sicherheit in Frankreich: Schnell nuklear eingreifen
> Der Stresstest für die französischen Atomkraftwerke hat teure
> Konsequenzen: Zwar dürfen im Prinzip alle weiterlaufen, einige brauchen
> aber Milliardeninvestitionen.
Bild: Das älteste französische AKW Fessenheim im Elsass bekommt noch schärfe…
PARIS taz | Alle französischen Atomanlagen dürfen vorerst weiter betrieben
werden. Keine weist so gravierende Sicherheitsmängel auf, dass eine
sofortige Stilllegung angezeigt sei. Das ist die erste Schlussfolgerung,
welche die französische Behörde für nukleare Sicherheit (ASN) am Dienstag
in ihrem Bericht aus den durchgeführten Stresstests zog.
Die französische Energieindustrie hätte es zu gern bei diesem
vordergründigen Urteil belassen. Aber die ASN verbindet ihre prinzipielle
Genehmigung mit einschneidenden und kostspieligen Auflagen, wie erst später
klar wurde. Konkret fordert sie zusätzliche Investitionen in die Sicherheit
in Höhe von mindestens 10 Milliarden Euro.
Zudem erwartet die Behörde, dass der Energiekonzern Électricité de France
(EDF) ihr binnen sechs Monaten mitteilt, wie er die verlangten Maßnahmen
realisieren will. Damit hat EDF nicht nur ein finanzielles Problem, sondern
auch ein technisches.
## Erweiterte Unfallszenarien
Das bedeutet, dass der Stresstestbericht für die französische Atomindustrie
tatsächlich eine Wende darstellt: Er zwingt alle Beteiligten, die Risiken
der Technologie und ihre mögliche Vermeidung nach der Reaktorkatastrophe
von Fukushima neu zu überdenken.
ASN-Präsident André Claude Lacoste sagte in einem Interview mit der Zeitung
Le Monde: "Man kann nur schockiert sein darüber, was in Japan geschehen
ist. Es gibt ein Vor- und ein Nach-Fukushima, das ist klar." Die Konkurrenz
von Libération hält die mit diesen drakonischen Bedingungen verknüpfte
Betriebserlaubnis sogar für grotesk: "Was würde man von einem Fahrzeug
halten, das zwar bei der technischen Prüfung für fahrtüchtig erklärt wird,
aber gleichzeitig für Reparaturen in die Garage soll, weil es sonst zu
gefährlich ist?"
Als Schlussfolgerung aus den erweiterten Unfallszenarien des Stresstests
verlangt die ASN, dass alle Anlagen mit einem unabhängigen Kommandobunker
zum Notfallbetrieb und mit zusätzlichen Diesel-Notstromaggregaten
ausgerüstet werden.
## Superfeuerwehr
Allein die Kosten für diese Diesel-Generatoren, die noch am einfachsten
installiert werden können, werden von Lacoste auf 2 Milliarden Euro
beziffert. Alle AKWs müssen zudem in einem halben Jahr über eine Art
Superfeuerwehr, eine Schnelle Nukleare Eingreifeinheit, verfügen - wobei
unklar ist, wie das technisch und finanziell bewerkstelligt werden soll.
Für EDF stellt sich in mehreren Fällen die Frage, ob die ultimativ für
notwendig erklärte Anpassung an revidierte Sicherheitsnormen bei den
älteren Anlagen überhaupt noch Sinn ergibt. Im fast 400-seitigen
ASN-Bericht sind namentlich für das AKW Fessenheim auch weitere Auflagen
aufgelistet, um namentlich Erdbeben- und Hochwasserrisiken zu begegnen.
In Frankreichs ältestem Atomkraftwerk im Elsass ist die Betriebserlaubnis
für weitere zehn Jahre mit der zusätzlichen Aufgabe verbunden, den
Betonboden von rund einem auf drei Meter zu erhöhen und den Schutz vor
einer Überschwemmung aus dem Elsass-Kanal zu gewährleisten.
Umweltministerin Nathalie Kosciusko-Morizet stellte klar, dass die
Regierung nicht zögern werde, Fessenheim zu schließen, falls nicht alle
Bedingungen integral erfüllt werden. Der Physiker Jean-Marie Born vom
Atomgegnerkollektiv Sortir du Nucléaire wäre darum nicht überrascht, wenn
EDF aus Kostengründen das überalterte AKW Fessenheim opfern würde, um
politisch den ganzen Rest zu retten.
4 Jan 2012
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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