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# taz.de -- Occupy: "Die Räumung setzt Ideen frei"
> Wie stark die Bewegung in Berlin ist, wird die Demo am Sonntag zeigen,
> meinen zwei Aktivisten.
Bild: Da waren sie noch am ehemaligen Bundespressestrand: Occupy in Berlin.
taz: Herr Ponader, am Montag wurde das Occupy-Camp geräumt: Gibt es eine
bessere Mobilisierungshilfe für die Demonstration am Sonntag?
Johannes Ponader: Mir wäre es lieber, es wäre anders gekommen. Für mich war
die Räumung rechtswidrig. Aber sicherlich dürfte das noch einmal die
Aufmerksamkeit für unser Anliegen erhöht haben.
Frau Chase, wie sehr schmerzt die Räumung?
Pippa Chase: Faktisch ist es ein Verlust, aber es setzt auch wieder
Ressourcen und Ideen frei. Ich gehe davon aus, dass wir bald wieder ein
Camp in Berlin haben, in dem Leute täglich miteinander diskutieren werden.
Ponader: Die Bundesimmobilienanstalt hatte uns ja auch eine Etage im Haus
der Statistik am Alexanderplatz angeboten. Das Angebot haben wir angenommen
und warten nun auf die Übergabe. Wir werden sehen, ob sie noch zu ihrem
Wort steht.
Was können denn die Berliner im Jahr 2012 von Occupy erwarten?
Ponader: Occupy wird weiter einen breiten gesellschaftlichen Dialog
anstoßen. Und wir wollen uns noch mehr in die Tagespolitik einmischen.
Was genau wollen Sie ändern?
Ponader: Zuerst einmal die Art, wie wir in unserer Gesellschaft
Entscheidungen treffen.
Und dann?
Ponader: Ganz konkret? Mir persönlich schwebt ein bedingungsloses
Grundeinkommen, eine Währung ohne Zinsen vor. Oder die Idee einer
europäischen liquid democracy umzusetzten, einer Mischung aus direkter und
repräsentativer Demokratie. Andere von uns empören sich über Hartz IV, das
Jugendamt oder die Politikelite. Daraus einen Forderungskatalog abzuleiten,
wäre ein heilloses Unterfangen.
Klingt nach Kapitulation.
Chase: Nein, gar nicht. Aber zuerst brauchen wir einen Bewusstseinswandel.
Was uns alle verbindet, ist die Empörung über etwas. Darüber müssen wir uns
austauschen. Denn die Probleme habe alle eine Wurzel: Entscheidungen werden
nicht mehr danach gefällt, was die Gesellschaft braucht, sondern zum Nutzen
einiger weniger, die Macht haben. Die berühmten 1 Prozent, die von den 99
Prozent profitieren.
Empörung schön und gut. Aber wie wird daraus Wandel?
Ponader: Indem ich zuerst mich selbst wieder in Besitz nehme: Occupy
myself! Für mich ist Wandel nur dann möglich, wenn er zuerst bei mir
beginnt. Indem ich meine Bürgerrechte einfordere. Auch die Asambleas sind
ja eine Forderung: eine Forderung nach Mitbestimmung.
Wie soll sich dieses Bewusstsein multiplizieren?
Chase: Indem wir darüber sprechen. Über die Medien, ob klassisch oder Web
2.0, und ganz direkt in der Asamblea. Wir müssen Wissen schaffen. Vielen
der 99 Prozent ist gar nicht bewusst, dass sie zu den Verlierern gehören in
diesem System.
Ponader: Es kommen ja bereits Parlamentarier oder Sparkassenchefs, die mit
uns sprechen wollen. Unsere politische Kultur beginnt also zu
kontaminieren.
Andere sagen hingegen, Occupy habe seinen Zenit bereits überschritten.
Ponader: Natürlich fahren wir gerade nicht so Volldampf wie im Oktober. Und
ja, wir hatten im Camp viele Probleme zu lösen. Aber ich sehe, dass es
wieder anläuft. Vielleicht nicht so öffentlich, dafür wird sich gerade
stark vernetzt. Die Demo am Sonntag wird zeigen, wie stark wir derzeit
sind.
Als Ihr Camp am Montag geräumt wurde, haben Sie danach noch den Sand
geharkt. Laufen Sie nicht Gefahr, belächelt zu werden?
Ponader: Vielleicht. Vielleicht werden wir aber auch unterschätzt. Bisher
hat unser Auftreten stets bewirkt, dass man mit uns in den Dialog trat. Und
die Marke Occupy wird ja geradezu gehypt. Das müssen wir nun mit Leben
füllen, das ist viel Arbeit.
13 Jan 2012
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt Occupy-Bewegung
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