# taz.de -- KMK-Präsident über Abschlussprüfungen: "Jeder wünscht sich das … | |
> Ties Rabe, neuer Präsident der Kultusministerkonferenz, über die Pläne | |
> für einheitliche Standards fürs Abi, anspruchsvolle Aufgaben und | |
> Grundvertrauen ins Schulsystem. | |
Bild: Verzweifeln sollen Schüler an den neuen Abiturstandards nicht, sagt Ties… | |
taz: Herr Rabe, Sie werden am Montag neuer Chef der als zerstritten | |
bekannten Kultusministerkonferenz. Was wollen Sie dort bewegen? | |
Ties Rabe: Seit der Pisa-Studie sind alle Kultusminister darin einig, dass | |
wir enger zusammenarbeiten müssen und eine neue Kultur brauchen. Zentrales | |
Thema sind die gemeinsamen Bildungsstandards, mit denen wir präzise | |
beschreiben, was ein Schüler lernen und können soll. Beim Haupt- und | |
Realschulabschluss sind wir da schon recht weit. Jetzt steht das Abitur an. | |
Planen Sie ein Zentralabitur? | |
Nein, das ist praktisch kaum möglich. Dafür müssten wir die Ferien | |
bundesweit zusammenlegen. Denn ein Zentralabitur kann man nur an einem Tag | |
schreiben, sonst werden die Aufgaben sofort verraten. | |
Was planen Sie dann? | |
Wir werden für Deutsch, Mathematik und Sprachen Standards festlegen und | |
Musteraufgaben entwickeln, die einen klaren Rahmen für das Abitur vorgeben. | |
Vielleicht gibt es sogar einen zentralen Aufgabenpool mit bundesweiten | |
Abituraufgaben, aus dem sich die Länder nach und nach bedienen können. | |
Wie schwer soll ein Abitur sein? Ökonomen sagen, dass ein leichterer | |
Abschluss wie in England oder Frankreich, der von vielen erreicht wird, | |
volkswirtschaftlich sinnvoll sei. | |
Das ist eine schwierige Frage, zu der es bundesweit zurzeit keine klare | |
Meinung gibt. Viele Menschen wünschen sich ein anspruchsvolles Abitur - | |
aber zugleich wünscht sich fast jeder für sich selbst oder für seine Kinder | |
das Abitur. Sicher kann man sagen, dass die Zahl der Abiturienten derzeit | |
nicht ausreicht, wenn Deutschland auf dem Weltmarkt weiter Spitze sein | |
will. | |
Also ist es ganz gut, dass manche Länder leichtere Anforderungen haben. | |
Wozu diese Standards? | |
Damit Eltern und Schüler ein Grundvertrauen in das deutsche Schulsystem | |
haben können und es gerecht und klar zugeht. Egal ob jemand in Sachsen oder | |
Schleswig-Holstein oder Hamburg oder Hessen zur Schule geht - die | |
Leistungsanforderungen müssen gleich sein. | |
Und wenn infolgedessen die Abi-Quote sinkt? | |
Das müssen und werden wir verhindern. Die Entwicklung gibt uns Recht: | |
Bundesweit steigt in allen Ländern die Abiturquote. Hamburg liegt jetzt | |
erstmals bei 50 Prozent. | |
Bis wann soll was passieren? | |
Wir werden 2013 die Standards für das Abitur abstimmen. Kurz darauf werden | |
die ersten Abiturienten auf dieser Grundlage Abitur machen. | |
Ein vermintes Gebiet ist die Inklusion behinderter Kinder. Die neuen | |
Empfehlungen der KMK stehen in der Kritik: Sie seien zu unverbindlich, weil | |
separate Sonderschulen weiter erlaubt sind. Darf hier jedes Land machen, | |
was es will? | |
Die Empfehlungen sind nicht völlig unverbindlich. Es gibt schon einen roten | |
Faden. Im Rahmen dieser Empfehlungen darf jedes Land seinen Weg finden. | |
Aber es kann passieren, dass ein Kind in Hamburg auf die Regelschule geht | |
und nach einem Umzug nach Bayern auf die Sonderschule muss. | |
Das ist zurzeit denkbar. Aber wir müssen uns bewusst machen, dass die | |
Förderstrukturen in allen 16 Ländern sehr unterschiedlich waren und noch | |
sind. Allein die Frage "Was ist ein Sonderschüler?" wird sehr | |
unterschiedlich beantwortet. | |
Hamburg räumt seit 2010 jedem Kind das Recht auf Besuch einer Regelschule | |
ein - ohne Einschränkung. Klappt das? | |
Wir haben das sehr plötzlich eingeführt. Das war am Anfang nicht genügend | |
unterfüttert. Es gibt deshalb eine Menge Gegenwind. Inzwischen sind die | |
Bedingungen allerdings besser geworden, besser als in allen anderen | |
Ländern. | |
Könnte es diesen Rechtsanspruch bundesweit geben? | |
Wenn wir in 20 Jahren das Schulsystem in Deutschland betrachten, wird sich | |
das überwiegend durchgesetzt haben. Aber das Tempo sollte man einzelnen | |
Ländern nicht vorschreiben. Das lehren uns auch die Hamburger Erfahrungen. | |
21 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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