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# taz.de -- Tennis Australian Open: Der unprätentiöse Straßenkämpfer
> Lleyton Hewitt, schien sich nach 15 Jahren im Tenniszirkus verschlissen
> zu haben. Nun kämpfte sich unter dem Jubel seiner Landsleute ins
> Achtelfinale vor.
Bild: Konzentriertes Spiel: Lleyton Hewitt begeistert bei den Australian Open d…
MELBOURNE taz | Es war eine halbe Stunde vor Mitternacht an diesem
magischen Samstag in der Rod-Laver-Arena, als selbst der alte Tennis-Soldat
Lleyton Hewitt die Rührung nicht mehr zurückhalten konnte. Es war der
Moment, in dem Australiens mal geliebter, mal verfluchter Altstar den
schönsten Moment seiner späten Karrierejahre erlebte.
Auferstanden aus schier endlosen Verletzungsqualen, stürmte der 30-jährige
Fighter (Spitzname: "Rusty") tatsächlich bei diesen
Australian-Open-Festspielen des Jahres 2012 noch einmal in die zweite
Turnierwoche und ins Achtelfinale vor: "Das ist ein echter Hammer. Einfach
unglaublich", sagte Hewitt, die aktuelle Nummer 181 der Welt, nach einem
glanzvollen 4:6, 6:3, 7:6 (7:5), 6:3-Sieg über den kanadischen Shootingstar
Milos Raonic.
In der Sekunde des besiegelten Erfolgs sank Hewitt wie vom Blitz getroffen
auf den Court nieder, auf dem er schon so viele erfolgreiche und bittere
Grand-Slam-Schlachten geschlagen hatte - und weder den hochauflösenden
Fernsehkameras noch den von ihren Sitzen gerissenen Fans entging, dass der
Meisterspieler seltene öffentliche Tränen des Glücks vergoss.
Wie im Ausnahmezustand wartet Tennis-Australien nun auf die späte
Nachtvorstellung des Montags (etwa ab 11 Uhr deutscher Zeit), in der Hewitt
auf den Mann der Saison 2011 trifft, auf den Weltranglistenersten Novak
Djokovic. Beim gastgebenden Fernsehsender Channel Seven rieben sich die
Bosse bereits vergnügt die Hände, schließlich wurden für die
Live-Übertragung rekordverdächtige Einschaltquoten um die 50 Prozent für
den Fünften Kontinent erwartet.
## Mehr oder weniger gut gemeinte Rücktrittsempfehlungen
Schon drei Siege hatte Hewitt gefeiert, Erfolge, die man dem zuletzt eher
durch Verletzungs- als Sieggeschichten aufgefallenen Veteranen kaum noch
zugetraut hätte. Gegen den deutschen Newcomer Cedrik-Marcel Stebe in Runde
1, dann gegen den alten Weggefährten Andy Roddick und nun auch noch gegen
Raonic, den kanadischen Ballermann mit dem Heintje-Gesicht.
"Ich schätze, jeder, der diese drei Siege getippt hätte, wäre mit einer
Riesensumme aus dem Wettbüro gegangen", sagte Hewitt. All die mehr oder
weniger gut gemeinten Rücktrittsempfehlungen hätten ihn zuletzt "nie
wirklich berührt" oder an sich "zweifeln" lassen, so Hewitt. Allerdings
hatte er in der zurückliegenden Saison gerade mal 20 Spiele bestreiten
können, und auch die nur selten im Vollbesitz seiner wahren Kräfte.
Das letzte Glanzlicht setzte der ehemalige Frontmann der Branche bei einem
seiner raren Gastspiele in Deutschland, im Juni 2010, als er seinen alten
Freund und Weggefährten Roger Federer im Endspiel des Rasenturniers in
Halle bezwang.
Hewitt preschte um die Jahrhundertwende als hochbegabter Teenager in die
Weltspitze vor. Bereits mit 16 Jahren holte er sich, ein schmales,
unscheinbares Kerlchen, seinen ersten Turniersieg. Mit seinem brillanten
US-Open-Sieg gegen Pete Sampras, bei dem er sich als exzellenter
Konterspieler einer neuen Tennisära profilierte, rückte er machtvoll ins
globale Rampenlicht.
## Grand-Slam-Titel waren außer Reichweite
Noch vor seinen Generationskollegen Federer und Roddick holte Hewitt sich
dann auch die ultimative Trophäe im Tennis, den Wimbledon-Pokal, den er
2002 gegen den Argentinier David Nalbandian gewann.
Anschließend machte ihm, wie vielen Profis dieser Generation, der
unaufhaltsame Aufstieg von Federer zu schaffen, Grand-Slam-Titel waren auf
einmal außer Reichweite, noch mehr, als dann auch noch Rafael Nadal die
große Tennisbühne betrat.
Aber Hewitt blieb sich stets treu, ein unprätentiöser Straßenkämpfer des
Tennis, der immer das Maximale herauszuholen versuchte, der kämpfte und
rackerte, bis es einem schon vom Zuschauen wehtun konnte. "Kompromisse gibt
es bei mir nicht. An dem Tag, an dem ich mit halben Sachen zufrieden bin,
höre ich lieber auf", sagte Hewitt am Samstagabend, als er Raonic auf die
Heimreise geschickt hatte.
An seiner professionellen Einstellung hat sich in 15 Jahren in der
Tretmühle der Tour nichts verändert, an seinem Naturell aber schon. Seit
Hewitt mit Frau Becky und einer dreiköpfigen Kinderschar umherreist, wirkt
er doch ausgeglichener und langmütiger an seinem Arbeitsplatz.
Aufbrausende Diskussionen mit Schiedsrichtern, Dispute mit Medien oder
Anfälle von Jähzorn in den Partien vermeidet Hewitt, weil er weiß, dass sie
nur die Konzentration aufs Wesentliche verhindern - und wertvolle Energie
kosten. "In meinem Alter wäre es töricht, noch die Fehler aus früheren
Jahren zu wiederholen", sagte Hewitt, "man entwickelt sich als Mensch immer
weiter. Und hoffentlich meistens zum Besseren."
23 Jan 2012
## AUTOREN
Jörg Allmeroth
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