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# taz.de -- Kanada liefert mutmaßlichen Hetzer aus: Ein neuer Fall für Ruanda…
> Leon Mugesera, der bereits lange vor dem ruandischen Völkermord zur
> Tötung der Tutsi aufrief, verliert 16-jährigen Kampf gegen seine
> Auslieferung.
Bild: Leon Mugesera: Die kanadischen Behörden liefern ihn jetzt aus.
BERLIN taz | Einer der berüchtigsten Völkermordhetzer Ruandas wird sich in
seinem Heimatland vor der Justiz verantworten müssen. Das Oberste Gericht
der kanadischen Provinz Québec billigte am Montag die Auslieferung des
Hutu-Exilanten Leon Mugesera. Nachdem ein kanadisches Bundesgericht einen
Sofortantrag dagegen ablehnte, sollte Mugesera noch am Dienstag in ein
Flugzeug nach Ruanda gesetzt werden.
Mugesera war vor dem Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 Führungsmitglied der
damaligen Regierungspartei MRND (Nationale Republikanische Bewegung für
Demokratie und Entwicklung) des Hutu-Präsidenten Juvénal Habyarimana.
Am 22. November 1992, als in Ruanda Bürgerkrieg zwischen Armee und
Tutsi-Rebellen herrschte, hatte er in einer Rede vor MRND-Mitgliedern zum
Krieg gegen die Tutsi-"Kakerlaken" aufgerufen und gefordert, Familien
mutmaßlicher Sympathisanten von Oppositionsparteien und Tutsi-Rebellen
umzubringen.
Es war das erste Mal, dass von so hoher Stelle solche Hetzreden kamen;
später wurden sie in Ruanda alltäglich. Damals erregte das noch solches
Aufsehen, dass gegen ihn Haftbefehl wegen Volksverhetzung erging.
Im August 1993, also noch vor dem Völkermord, floh er nach Kanada. Nach dem
Genozid wurde Mugesera, ältester Streitfall zwischen Ruandas neuer
Regierung nach dem Völkermord und ausländischen Gerichten, zum cause
célèbre der internationalen Unterstützernetzwerke flüchtiger ruandischer
Völkermordtäter.
## Gerichtsentscheidungen
Bereits 1996 hatten Kanadas Behörden Mugesera zur Ausreise aufgefordert,
und das Oberste Gericht bestätigte dies 2005 in letzter Instanz. Ähnlich
wie bei anderen Fällen, in denen Gerichte beispielsweise in Frankreich,
Großbritannien oder Deutschland Auslieferungen nach Ruanda schließlich
abgelehnt haben, machte aber auch Mugesera in Kanada geltend, ihm drohe bei
einer Rückkehr nach Ruanda Folter und er könne nicht mit einem fairen
Verfahren rechnen, weil es in Ruanda heute unmöglich sei, als
Entlastungszeuge für Völkermordangeklagte aufzutreten.
Mit dieser Begründung und immer neuen Prüfanträgen verzögerte Mugesera ab
2005 seine Auslieferung immer weiter. Jetzt lehnten die Richter einen
letzten Einspruch seiner Anwälte ab, seine Abschiebung bis zu einer
Stellungnahme des UN-Folterkomitees auszusetzen.
Zwei Gerichtsentscheidungen hatten schon zuvor das internationale Vertrauen
in Ruandas Justiz bekräftigt. Am 28. Juni 2011 hatte das UN-Ruanda-Tribunal
im tansanischen Arusha erstmals beschlossen, ein Verfahren nach Ruanda zu
übertragen – eine Präzedenzentscheidung.
## Weitere Auslieferungen
Jean-Bosco Uwinkindi, der 2010 in Uganda verhaftet und an Arusha
ausgeliefert worden war, soll nun spätestens am 23. Februar nach Ruanda
überstellt werden. Am 16. Januar übergab der Chefankläger des UN-Tribunals
die entsprechende Akte der ruandischen Staatsanwaltschaft.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hatte außerdem
am 27. Oktober 2011 eine Klage des wegen Völkermord gesuchten Ruanders
Sylvère Ahorugeze gegen seine Auslieferung aus Schweden abgelehnt.
Begründung: Weder das Folterverbot noch das Recht auf einen fairen Prozess
seien in Ruanda in Gefahr.
Allerdings hatte die schwedische Justiz einige Monate zuvor Ahorugeze aus
der Untersuchungshaft entlassen, und er war prompt nach Dänemark geflohen.
Der EGMR-Beschluss könnte aber andere anhängige Klagen gegen Auslieferungen
aus Europa nach Ruanda beeinflussen. Und die neue Entwicklung im Fall
Mugesera bedeutet einen weiteren Schritt nach vorn in der internationalen
Zusammenarbeit gegen flüchtige ruandische Völkermordtäter.
24 Jan 2012
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
Ruanda
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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