# taz.de -- Die Wutbürgerinnen Jolly Goods: Wir sind das Walross | |
> Das hessische Schwesternduo Jolly Goods geht auf Tour und zeigt Pop in | |
> bester Riot-Grrrl-Tradition. Statt mit Geschlechterdifferenz beschäftigen | |
> sie sich jetzt mit der Riesen-Robbe. | |
Bild: Auf Bandfotos posieren die beiden Musikerinnen oft mit Bärten oder im Bi… | |
"Her.Barium", das Debütalbum der Jolly Goods beginnt mit einem | |
infernalischen Schrei: "Some said I was a freak / I am a freak …" Damit | |
gelang dem Duo, das aus den Schwestern Angy und Tanja Pippi besteht, das | |
Kunststück, einen Song von The Jesus & Mary Chain wütender und | |
energetischer klingen zu lassen als im Original. | |
Eine Leistung, zumal die beiden Schwestern aus der nicht gerade für seine | |
Wutbürger bekannten hessischen Provinz stammen. Die mitreißende Wut der | |
Jolly Goods erinnert an die Punkhaltung der Riot-Grrrl-Bands aus den | |
Neunzigern. Diese vermischten schneidende Gitarrenriffs mit | |
emanzipatorischen Texten und inszenierten sich dabei mal bewusst politisch, | |
mal selbstironisch oder scheinbar naiv, um so zu versuchen, gängige | |
weibliche Klischees aufzubrechen. | |
Auch die Jolly Goods nutzen die Inszenierungsmöglichkeiten von Pop, um mit | |
Geschlechterzuschreibungen zu spielen. Das zeigt zum Beispiel das Video zu | |
ihrer Single "Try" aus dem 2011 veröffentlichten, zweiten Album "Walrus". | |
Dort bewegt sich ein Mann in perfekter Synchronisation zur Stimme Tanja | |
Pippis, während die Kamera langsam über seine Beine und den tiefen | |
Ausschnitt fährt. Auf Bandfotos posieren die beiden Musikerinnen oft mit | |
Bärten oder im Bikini mit Achselhaar. | |
Am Sound hat sich auf "Walrus" wenig verändert - immer noch fußen die Songs | |
der Jolly Goods auf Gitarrenriffs und Drums -, doch die Band stimmt die | |
einzelnen Elemente ihrer Musik inzwischen besser aufeinander ab. Dadurch | |
wirkt ihr Sound dynamischer, ohne der in ihr transportierten Wut Abbruch zu | |
tun. | |
## | |
## Eine schwergewichtige Robbenart | |
Im bemerkenswert stürmischen Song "Travel", der entfernt an die | |
Riot-Grrrl-Hymne "Rebel Girl" von Bikini Kill erinnert, schaffen es die | |
beiden Musikerinnen, mit dem geschickten Einsatz von Gitarrenriffs und | |
preschenden Drums eine Wirkung zu erzeugen, die mehr mitreißt als manch | |
clever durchkomponierter Popsong. Das liegt nicht zuletzt am nuancierten | |
Gesang. | |
Schön ist auch, dass sich vielschichtige kompositorische Ansätze finden, | |
Folk-Elemente etwa, die das Songwriting betonen und den Rhythmus in den | |
Hintergrund rücken lassen. Das verschafft den Songtexten mehr Raum. So zum | |
Beispiel beim Song "If I Were A Woman", in dem es heißt: "All I know is | |
that I / Wish I was a walrus". In einem kunstvoll dazu arrangierten | |
DIY-Video schlängelt sich eine Frau in einer Badewanne, um sich ganz | |
sinnbildlich in die Rolle dieses Walrosses zu versetzen. | |
Tanja Pippi, die inzwischen Kunst studiert, überträgt ihre feministische | |
Sichtweise auch auf andere Medien. Auf ihrer Internetseite | |
[1][www.flickr.com/people/tanja_pippi/] veröffentlicht sie Fotografien und | |
Zeichnungen, die sich mit der Geschlechterdifferenz und dem Körperbild der | |
Frau beschäftigen. Spätestens an dieser Stelle stellt sich die Frage, ob | |
der Nachname Pippi vielleicht an die feministische Schweizer | |
Videokünstlerin Pippilotti Rist angelehnt ist. Die Musikerinnen von Jolly | |
Goods haben sich für ihr Leben schon eine ganze Reihe von Geschichten | |
erfunden. Gerade verkörpern sie weder Tanja Pippi und Angy noch Männer in | |
Achselhemden - sondern eben eine schwergewichtige Robbenart. | |
Live 1. 2. Dresden, Scheune; 2. 2. Hamburg, Hafenklang; 3. 2., Hannover, | |
Café Glocksee; 4. 2. Ludwigshafen, Das Haus; 5. 2. Darmstadt, | |
Künstlerkeller; 6. 2. München, Orange House; 7. 2. Ulm, CAT | |
30 Jan 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.flickr.com/people/tanja_pippi/ | |
## AUTOREN | |
Lisa Forster | |
## TAGS | |
Musikkultur | |
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