# taz.de -- Südkoreaner wegen Tweets verhaftet: Der Staatsfeind zwitschert | |
> Der Staat sieht alles. Vor allem im Netz. Einem Südkoreaner drohen nun | |
> sieben Jahre Haft, weil er sich auf Twitter über Nordkorea lustig machte. | |
Bild: Wegen Twitter im Gefängnis: der Südkoreaner Park Jeong Geun. | |
SEOUL dpa/taz | "Lang lebe King Jong Il!" – wegen dieses Tweets drohen | |
einem Südkoreaner sieben Jahre Haft. Was in Nordkorea offizielle | |
Staatspropaganda ist, gilt in Südkorea als Verbrechen. Auch, wenn es | |
ironisch gemeint ist. | |
Wiederholt hatte Park Jeong Geun Nachrichten der offiziellen | |
nordkoreanischen Website uriminzokkiri.com "retweetet". Dabei huldigte Park | |
nicht nur den im Dezember verstorbenen Diktator, sondern bezeichnete sich | |
auch sarkastisch als "Jungen General". Kim Jong Ils Sohn und Nachfolger, | |
Kim Jong Un, ist unter diesem Spitznamen bekannt. Außerdem postete Park | |
Links zu nordkoreanischen Progapanda-Songs. | |
Wegen dieser Tweets sitzt er seit dem 11. Januar in Untersuchungshaft, | |
berichtet Amnesty International. Park werde "Hilfe für den Feind" und | |
Verletzung des staatlichen Sicherheitsgesetzes vorgeworfen. Wird er | |
verurteilt, erwarten ihn bis zu sieben Jahre Gefängnis. Amnesty | |
International forderte die sofortige Freilassung des Südkoreaners. | |
Die Gefangenenhilfsorganisation berichtet, der Aktivist der Sozialistischen | |
Partei in Südkorea habe gesagt, er habe mit seinen Tweets die Führung in | |
Pjöngjang lächerlich machen und nicht unterstützen wollen. "Es war | |
beschämend und absurd zugleich, als ich den Behörden meine Witze erklären | |
musste", sagte Park laut der [1][New York Times]. | |
"Das ist kein nationaler Sicherheitsfall, es ist ein trauriger Fall des | |
Versagens der südkoreanischen Behörden, Sarkasmus zu verstehen", sagte der | |
Asien-Pazifik-Leiter bei Amnesty, Sam Zarifi. Die Vorwürfe seien | |
lächerlich. Die Verhaftung von Personen wegen friedlicher Meinungsäußerung | |
verstoße gegen internationales Recht. | |
## 67.300 Interneteinträge gelöscht | |
Das nationale Sicherheitsgesetz Südkoreas stellt unter anderem die | |
Verbreitung nordkoreanischer Propaganda unter Strafe. Es ist seit | |
Jahrzehnten heftig umstritten. Seine Gegner kritisieren, dass die Regierung | |
unter Präsident Lee Myung-bak es immer missbrauche, um politisch | |
Andersdenkende auszuschalten. | |
Die südkoreanische Regierung bestreitet, das Sicherheitsgesetz zu | |
missbrauchen. Dennoch wird es in letzter Zeit immer häufiger angewendet. | |
Wie die New York Times berichtet, wurden 2010 über 150 Menschen verhört, | |
weil sie verdächtigt wurden, das Gesetz gebrochen zu haben. 2007 waren es | |
39. Außerdem löschte die Polizei 2011 innerhalb von zehn Monaten 67.300 | |
Interneteinträge, die unter Verdacht standen, durch "Lobeshymnen auf | |
Nordkorea" die nationale Sicherheit zu gefährden. 2009 waren es "nur" | |
14.430. | |
Die Nutzung nordkoreanischer Medien wie zum Beispiel Websites ist in | |
Südkorea verboten, staatliche Internet-Blocker verwehren den Südkoreanern | |
den Zugang. Nachrichten aus Nordkorea dürfen nur von einer ausgewählten | |
Gruppe südkoreanischer Beamten verbreitet werden. Diese beziehen sich, wie | |
auch Park Jeong Geun, regelmäßig auf uriminzokkiri.com. | |
Das Unternehmen Twitter, das jüngst ankündigte, regionale | |
[2][Zensurmechanismen] einzuführen, erweist sich immer häufiger als | |
Überwachungstool staatlicher Behörden. Im Januar 2011 wurden ein Ire und | |
eine Engländerin davon abgehalten, in die USA zu reisen. Sie hatten vorher | |
auf Twitter angekündigt, "Marilyn Monroe auszubuddeln" und Amerika "zu | |
zerstören" – gemeint war, wie die Betroffenen erklärten, "wild zu feiern". | |
(kap) | |
3 Feb 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.nytimes.com/2012/02/03/world/asia/south-korean-indicted-for-twit… | |
[2] http://blog.twitter.com/2012/01/tweets-still-must-flow.html | |
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