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# taz.de -- Monti verärgert Italiener: Langzeitbeschäftigung? Wie öde!
> Ein Leben lang der gleiche Job sei doch langweilig, findet Italiens
> Premier Mario Monti. Er plädiert für einen flexibleren Arbeitsmarkt – die
> Italiener sind empört.
Bild: Ein Leben lang Premier? Ist doch langweilig.
BERLIN taz/afp | Mario Monti zieht den Zorn junger Italiener auf sich.
Monti, bislang eher durch Seriosität als verbale Eskapaden aufgefallen,
behauptete am Mittwoch in einer Fernsehshow zu seiner umstrittenen
Arbeitsmarktreform, Jugendliche sollten sich nicht auf einen festen
Arbeitsplatz einstellen. Sie müssten „sich daran gewöhnen, dass sie nicht
das ganze Leben einen festen Job haben werden“. Einen Nachteil sehe er
darin nicht. Dieselbe Arbeit ein Leben lang sei doch „langweilig“.
Gianfranco Rotondi, ein früheres Mitglied der Berlusconi-Regierung,
bezeichnete Montis Bemerkung als „respektlos“. „Er sollte fristlos
entlassen werden. Seine Aussagen sind ein Affront für die Millionen von
Italienern in finanziellen Nöten“, sagte ein Sprecher der Linkspartei FDS.
Auch Matteo L., 24, findet Montis Worte „unmöglich“. Der Bozener hat in
Italien Psychologie studiert. Dort findet er keine Arbeit, zurzeit arbeitet
er in einem Krankenhaus in Berlin. Er will so lange wie möglich bleiben, um
irgendwann seinen Doktor zu machen und einen Job zu finden. Eigentlich ist
es ihm egal, wo, „nur nicht zurück nach Italien. Dort gibt es eh keine
Arbeit.“
Die Jugendarbeitslosigkeit in Italien befindet sich auf einem Rekordhoch.
Fast ein Drittel der jungen Leute zwischen 15 und 24 Jahren, die nicht mehr
in der Ausbildung sind, haben keinen Job. Auch Chiara Marzocchi ist
besorgt. Die 24-jährige studiert in Bologna Jura, nach ihrem Abschluss
rechnet sie mit mehreren unbezahlten Praktika, bevor sie eine Stelle
findet. „Man darf seine Aussage nicht wortwörtlich nehmen.“ Er habe zu
starke Worte gewählt, findet Chiara, „aber im Unrecht ist er nicht. Wir
müssen uns auf einen neuen Arbeitsmarkt einstellen.“
## Mehr Flexibilität
Montis Arbeitsmarktreform sieht mehr Flexibilität für den Arbeitsmarkt vor.
Dabei will er vor allem den Kündigungsschutz lockern, einen bislang tief
verankerten Pfeiler des italienischen Arbeitsrechts. Außerdem will er die
Nummer von unbefristeten Verträgen reduzieren und somit Neueinstellungen
begünstigen. Flexibilität statt Sicherheit. Dabei galten die unbefristeten
Arbeitsverträge lange Zeit als heiliger Gral der italienischen
Arbeitspolitik.
Auf Montis Facebook-Seite hagelt es daher Kritik für den Regierungschef: In
über tausend Kommentaren erbosen sich die Italiener. „Diese Aussage zeugt
von einem Mangel an Respekt vor allen Arbeitenden“, heißt es dort, „wie
kann man nur etwas so Absurdes sagen?“ Viele Italiener berichten von ihren
eigenen Erfahrungen mit der erfolglosen Jobsuche oder beschimpften Monti.
„Auf welchem Planeten lebst du?“, fragten erboste User, „dass du solchen
verrückten Psychoscheiß von dir gibst?“
Erst am Dienstag hatte Monti angekündigt, einen „offenen Dialog“ mit den
italienischen Bürgern im Netz führen zu wollen. Mithilfe von Experten wolle
er „auf alle Fragen mit einer adäquaten Antwort einzugehen“.
Bislang hat er noch auf keinen Post geantwortet.
3 Feb 2012
## AUTOREN
Katalina Präkelt
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