# taz.de -- Chinas kritischer Rechtsanwalt: Der Dauerverlierer | |
> Mo Shaoping ist die große Hoffnung für die Chinesen, die ins Visier der | |
> Polizei geraten. Doch bisher hat er noch keinen seiner Prozesse gewonnen. | |
Bild: Vermeidet politische Diskussionen: Rechtsanwalt Mo Shaoping. | |
Wer in Peking Probleme mit der Polizei bekommt, weil er kritische Artikel | |
im Internet veröffentlicht oder gegen Behördenwillkür protestiert, hat | |
keine große Auswahl, wenn er einen Rechtsbeistand sucht. Mo Shaoping gehört | |
zu den Ausnahmen. Der 54-jährige Jurist ist die große Hoffnung für viele | |
seiner Landsleute, die ins Visier der Polizei geraten. Mo hilft - auch wenn | |
er bislang noch keinen seiner Menschenrechtsprozesse gewonnen hat. | |
Seinen prominentesten Mandanten, den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, | |
durfte er allerdings nicht selbst verteidigen, als dieser zu Weihnachten | |
2009 wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" vor Gericht | |
gestellt und zu elf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Lius Verbrechen: Er | |
hatte - zusammen mit anderen - die "Charta 08" verfasst. Weil Mo den im | |
Internet verbreiteten Reformappell selbst unterzeichnet hatte, musste er | |
die Verteidigung Lius seinen Bürokollegen überlassen. | |
In einem Interview erläuterte Mo kürzlich: "Meine Haltung ist: Welches | |
Verbrechen jemand auch begangen hat - er muss immer das Recht auf einen | |
Anwalt haben. Das gehört zu den fundamentalsten Grundrechten." | |
Als Kind hatte Mo die Wirren der Kulturrevolution erlebt, in der Millionen | |
Chinesen in Schauprozessen abgeurteilt und öffentlich gedemütigt wurden. | |
Seine beiden Großväter kamen in dieser Zeit zu Tode - der eine nach | |
schwerer Folter durch Rotgardisten, der andere durch Selbstmord. | |
Im Todesjahr Mao Tse-tungs, 1976, trat er in die Armee ein. Vier Jahre | |
später bekam er einen Arbeitsplatz in der Pekinger Staatsanwaltschaft | |
zugeteilt. Bald gehörte er zu den ersten Studentenjahrgängen, die wieder | |
Jura belegen konnten. Chinas Rechtsfakultäten waren Ende der fünfziger | |
Jahre aufgelöst worden: Nicht Gesetze, sondern die Partei bestimmte, was | |
Recht war. | |
Mo, ein zurückhaltender und höflicher Mann, argumentiert stets rein | |
juristisch und vermeidet politische Diskussionen. Das hat ihn womöglich vor | |
dem Schicksal einiger seiner Anwaltskollegen bewahrt, die in den | |
vergangenen Jahren ihre Lizenz verloren oder eingesperrt wurden. | |
Trotzdem: Zum Botschaftsempfang anlässlich des Besuchs von Bundeskanzlerin | |
Merkel am Donnerstag ließ man ihn nicht gehen. Begründung: Dies könnte die | |
"soziale Stabilität" Chinas gefährden. | |
3 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Jutta Lietsch | |
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