# taz.de -- Autorin Ina Bruchlos über alltägliche Komik: "Leute fast wie Kari… | |
> Ina Bruchlos hat lustige Geschichten über ihre Eltern verfasst und malt - | |
> manchmal auch Waschbären. Ihr Geld zum Leben verdient sie in der | |
> Hamburger Kunsthalle. Ein Gespräch über verschrobene Typen, alte Meister | |
> und unerwarteten Erfolg. | |
Bild: Ist fast immer ohne Skizzenbuch unterwegs: Malerin und Autorin Ina Bruchl… | |
taz: Frau Bruchlos, Sie haben mal geschrieben: "Wenn mich einer fragen | |
würde, wie faul ich bin, würde ich antworten: So faul, wie man sich fühlt." | |
Wie faul sind Sie wirklich? | |
Ina Bruchlos: Oh, gute Frage … Ich habe den Eindruck, das verändert sich im | |
Lauf der Zeit. Wenn ich an meine Studienzeit denke - da hatten wir alle so | |
unheimlich viel Zeit! Da haben wir viel rumgehangen und vor uns hingefault. | |
Das geht jetzt nicht mehr. Durch den Alltag ist man gestresster, weil man | |
so viele unsinnige Dinge tun muss. Allerdings fehlt mir, glaube ich, | |
manchmal die Effizienz. | |
Fühlen Sie sich schuldig, wenn Sie faulenzen? | |
Manchmal schon. Denn ich schreibe ja nicht nur, sondern ich male auch. Und | |
das alles in die verfügbare Zeit zu packen, finde ich nicht leicht. | |
Warum müssen Sie eigentlich malen und schreiben? | |
Weil ich beides brauche. Wenn ich eine Zeit lang nur geschrieben habe, kann | |
ich irgendwann den Bildschirm nicht mehr sehen. Dann ist es schön, wieder | |
etwas Materielleres vor sich zu haben. | |
Was war zuerst da? | |
Das Malen. Das Schreiben kam durch einen Zufall dazu, nachdem ich nach | |
Hamburg gezogen war. Seither fahre ich mit dem Zug oft nach Aschaffenburg, | |
um meine Eltern zu besuchen. Diese Zugfahrt ist so lang und langweilig, | |
dass ich irgendwann anfing zu schreiben. Das habe ich aber eigentlich nur | |
für mich gemacht. Irgendwann hat mich eine Freundin für eine Lesebühne an | |
der Hamburger Uni eingetragen. Und gewissenhaft, wie ich bin, ging ich hin. | |
Mit welchen Texten? | |
Das einzige, was ich hatte, waren Geschichten über meine Eltern, und ich | |
dachte, das interessiert keinen. Naja, und dann haben sich die Leute | |
amüsiert, und das fand ich sehr schön, und so ging es dann weiter … | |
Irgendwo haben Sie geschrieben: "Wenn ich berühmt werde." Wann wird das | |
sein? | |
Ach, das ist mir gar nicht so wichtig. Ich finde, solange man seine Sachen | |
machen kann, die einem Spaß machen und es ein gewisses Publikum dafür gibt, | |
ist es für mich in Ordnung. | |
Ihre Geschichten sind ja alltags-ironische Abrechnungen … | |
Abrechnung - ich weiß nicht. Mir ist wichtig, dass die Leute, die darin | |
vorkommen, nicht schlecht wegkommen. Es sollen keine boshaften Geschichten | |
sein. Über die Hamburger Kunsthalle, wo ich an der Garderobe arbeite, würde | |
ich zum Beispiel sehr gern schreiben, und ab und zu tue ich es auch. Aber | |
das ist schwer, weil ich die Leute ja nicht bloßstellen will. Obwohl da | |
schon verschrobene Typen arbeiten. | |
An der Garderobe? | |
Ja - und auch insgesamt. Diese ganze Museumswelt ist sehr verschroben. | |
Manchmal kommen mir die Leute fast vor wie Karikaturen. Wenn man es genau | |
so aufschriebe, würde jeder sagen, das ist ja völlig übertrieben, so kann | |
niemand sein. | |
Können Sie Beispiele nennen, ohne jemanden bloß zu stellen? | |
Wir haben einen Kollegen, der immer schlechte Laune hat. Dabei ist er | |
eigentlich ein ganz reizender Typ. Zu seinen Kollegen ist er absolut nett, | |
aber gegenüber den Besuchern benimmt er sich unmöglich. Das ist schon | |
eigenartig. | |
Sprechen Sie mit ihm darüber? | |
Ja. | |
Und? | |
Ich glaube, er empfindet sich gar nicht so. | |
Arbeiten Sie immer an der Garderobe? | |
Nein, manchmal bin ich auch Saalaufsicht. | |
Ist es nicht öde, ewig vor demselben Bild zu stehen? | |
Nein, ich mag es ganz gern. Allerdings ist mir aufgefallen, dass ich lieber | |
acht Stunden vor den alten Meistern stehe als vor zeitgenössischen Werken. | |
Dabei sehe ich mir privat viel lieber Gegenwartskunst an. | |
Wie erklären Sie sich das Phänomen? | |
Mit den alten Meistern kann man sich länger beschäftigen. Bei den neuen | |
Arbeiten habe ich immer das Gefühl, nach eine Stunde hat man das Prinzip | |
verstanden. Und dann braucht man es auch nicht mehr groß anzugucken. | |
Ist das ein Armutszeugnis für die zeitgenössische Kunst? | |
Ich weiß nicht genau, woran es liegt. Vielleicht ist es das Material. Bei | |
den alten Werken hat man wahnsinnig viel zu gucken: Die alten Holländer und | |
Rembrandt - damit kann man sich stundenlang beschäftigen. Aber es gibt | |
natürlich auch moderne Ausstellungen, bei denen man lange vor den Bildern | |
stehen kann. Aber viele sind es nicht. | |
Gibt es Bilder, bei denen Sie besonders scharf aufpassen müssen? | |
Grundsätzlich ist Gegenwartskunst gefährdeter, weil die Bilder keinen | |
Glasrahmen haben. Bei Gerhard Richter zum Beispiel - da war mal eine | |
Lehrerin, die fuchtelte immer mit ihrem Kuli da herum. Die hat mich ein | |
bisschen wahnsinnig gemacht … Und ich sag nicht so gern was, denn ich | |
verstehe ja, dass die Leute in Ruhe gucken wollen - besonders, wenn es | |
Kindergruppen sind. Wenn man die ständig ermahnt, haben sie bald keine Lust | |
mehr auf die Kunst, und das will man ja auch nicht. | |
Hatten Sie mal erwogen, selbst von der Kunst zu leben? | |
Früher wollte ich das. Aber ich sehe bei Freunden, die von der Kunst leben, | |
wie viel Arbeit das ist. Da muss man wahnsinnig viele Dinge tun, die mit | |
Kunstproduktion nichts zu tun haben. Man muss ständig irgendwelche Kontakte | |
aufrecht erhalten und ein reges gesellschaftliches Leben führen. Wenn man | |
dagegen, wie ich, von der Kunsthalle sein Geld bekommt und nicht so darauf | |
angewiesen ist, mit der Kunst Geld zu verdienen, ist das sehr angenehm. | |
Sie haben mal Donald Ducks Haus nachgebaut. Warum eigentlich? | |
Darauf bin ich durch eine Freundin gekommen, die diese Comics immer liest. | |
Irgendwann hat sie mal gesagt, die Welt von Donald Duck sei so klar und | |
sähe immer gleich aus. Ich habe geantwortet, dass ich das nicht glaube. | |
Denn dann müsste es ja ein einheitliches Bild von dessen Haus geben, und | |
jeder Zeichner müsste sich exakt daran halten. Aber diese Disney-Welt ist | |
so komplex - da sind so viele Zeichner und Länder beteiligt, dass ich nicht | |
glaube, dass die alle dasselbe Haus gezeichnet haben. | |
Und? | |
Ich habe in den Büchern nachgesehen, und es gab wirklich Unterschiede. Mal | |
war der Briefkasten links, mal rechts. Mal hing die Hängematte am Baum, mal | |
am Haus. Und ich fand das so verrückt: Wenn man Leute fragt, würde jeder | |
sagen, das es immer dasselbe Haus ist. Aber es unterscheidet sich ja sogar | |
schon innerhalb einer Geschichte. Da hat das Haus in einer Szene eine | |
Garage und in der nächsten keine … Deshalb habe ich ein Modell gebaut, auf | |
dem alle Varianten des Hauses zu sehen sind. | |
Könnten Sie selbst das Haus, in dem Sie aufwuchsen, korrekt zeichnen? | |
Das habe ich auch schon überlegt. Ich glaube nicht. Jedenfalls nicht exakt. | |
Ich könnte zum Beispiel nicht mehr sagen, was für ein Kachelmotiv meine | |
Eltern in ihrem Bad hatten. | |
Und wenn Sie Ihre Eltern nach diesen Details und den alten Geschichten | |
fragen: Glauben Sie Ihnen? | |
Nein. | |
Warum nicht? | |
Ich habe das Gefühl, dass sich die Geschichten durch permanente | |
Wiederholung verändern. Mir ist auch aufgefallen, dass sich die Erinnerung | |
meiner Eltern wiederholt. Sie erzählen bestimmte Anekdoten immer wieder, | |
obwohl man sie in- und auswendig kennt. Da habe ich manchmal das Gefühl, | |
durch diese Wiederholung bekommt die Geschichten etwas Wahres - was | |
wahrscheinlich gar nicht stimmt. Vielleicht stimmt irgendein Detail | |
überhaupt nicht. Aber ich kann es nicht mehr prüfen. | |
Alltagsdetails sind ja auch Thema Ihrer Bilder. | |
Ja. Mir fällt etwas auf, ich beobachte es, und dann stelle ich es mir als | |
Bild vor. Jetzt habe ich zum Beispiel gerade Waschbären gemalt, die vor | |
Mülltonnen sitzen. | |
Wie kamen Sie darauf? | |
Ich war vor kurzem im Wildpark, und es war Waschbär-Fütterung. Der Wärter | |
sagte, dass die Tiere völlig zu Unrecht Waschbären hießen. Sie würden sich | |
zwar so bewegen, als ob sie wüschen, aber mit Sauberkeit habe das nichts zu | |
tun. Ich habe ihm das nicht so recht geglaubt. Denn der Bär hat wirklich | |
immer sein Stückchen Futter genommen, ist zum kleinen Teich gegangen und | |
hat angefangen, es zu waschen. | |
Haben Sie immer ein Skizzenbuch dabei, um solche Dinge festzuhalten? | |
Nein. Aber mein Bruder, der noch in Aschaffenburg lebt, macht das. Auch | |
seine Frau und seine Tochter. Die ganze Familie macht mich manchmal | |
wahnsinnig: Die kommen alle mit Skizzenbüchern, und dann sitzt man beim | |
Kaffee und kann sich mit keinem unterhalten, weil alle anfangen zu | |
zeichnen. | |
Haben Sie aus Trotz kein Skizzenbuch? | |
Nein. Sondern weil es mir nicht viel nützen würde. Denn wenn ich welche | |
mache, sehen meine Skizzen immer furchtbar aus. Das sind rudimentäre Ideen, | |
Strichmännchen - und manchmal kann ich selbst nicht erkennen, was es ist. | |
Dann schreib ich mir daneben, was es sein soll. Für später, zum Erinnern. | |
5 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Petra Schellen | |
Petra Schellen | |
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FC St. Pauli | |
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