# taz.de -- Kommentar Arbeitslosengeld I: Beitragszahler zweiter Klasse | |
> Häufig arbeiten Menschen nicht lange genug, um Arbeitslosengeld I zu | |
> bekommen. Arbeitslosengeld II bekommen sie aber auch nicht. Nun könnte | |
> sich das ändern – gut so. | |
Es ist eine Gerechtigkeitslücke, die vor allem unstetig Erwerbstätige | |
betrifft: Wer immer nur kurz sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, | |
erwirbt in vielen Fällen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I, sondern | |
bestenfalls auf den Bezug von Arbeitslosengeld II (Hartz IV). SPD und Grüne | |
bringen jetzt in den Bundestag zwei Anträge ein, um die | |
Anspruchsvoraussetzungen auf Arbeitslosengeld I zu senken. Das ist gut. Die | |
Union will marginal nachbessern, doch das wird nicht reichen. | |
Das Problem verschärft sich durch den unterschiedlichen Status von | |
Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II. Ein Beispiel: Jeder vierte | |
Zeitarbeiter war in den zwei Jahren vor der Beschäftigung weniger als zwölf | |
Monate lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Diese Leute zahlen | |
während ihrer Tätigkeit zwar Beiträge in die Arbeitslosenversicherung ein, | |
doch die Anwartschaft reicht nicht aus, um im Fall der Kündigung | |
tatsächlich Arbeitslosengeld I zu bekommen. | |
Arbeitslosengeld II kriegen sie aber auch nicht, wenn der oder die | |
PartnerIn einigermaßen verdient. Die prekären Existenzen von | |
LeiharbeiterInnen oder KünstlerInnen werden solcherart zur | |
Sozialversicherung herangezogen, es kommt aber keine Gegenleistung. Nach | |
den Anträgen von SPD und Grünen würde sich das ändern. | |
Die Arbeitgeber warnen sogleich vor "Fehlanreizen". Tatsächlich belegen | |
Studien Fälle von Arbeitslosengeld-I-EmpfängerInnen, die dazu neigen, einen | |
Anspruch auf die Leistung auszuschöpfen und sich daher weniger intensiv um | |
einen Job zu bemühen. Das gibt es, doch dies darf nicht dazu führen, alle | |
unstetig Beschäftigten quasi in Kollektivhaft zu nehmen und ihnen das | |
Arbeitslosengeld I von vornherein zu verweigern. Der psychologische Diskurs | |
zu "Fehlanreizen" spielt sich auf einer anderen Ebene ab und ist in diesem | |
Fall abzulehnen. Wer Sozialversicherungspflicht fordert, darf keine | |
BeitragszahlerInnen erster und zweiter Klasse schaffen. | |
6 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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