Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Erinnerung an Hatun Surücü: "Der Fall hat uns aufgerüttelt"
> Heute jährt sich zum siebten Mal der Mord an der Berlinerin Hatun Sürücü.
> Seitdem hat sich viel bewegt, sagt die Linken-Politikerin Evrim Sommer
Bild: Die drei Brüder von Hatun Sürürü (hier eine Zeichnung aus dem Prozess…
taz: Frau Sommer, heute findet eine Mahnwache zum Gedenken an die vor
sieben Jahre einem sogenannten Ehrenmord zum Opfer gefallene Berlinerin
Hatun Sürücü statt. Sie werden auch daran teilnehmen. Warum beschäftigt uns
gerade dieser Fall so lange und nachhaltig?
Evrim Sommer: Er war der Auslöser für eine Debatte über Themen, über die
vorher nicht gesprochen wurde. Dass auch hier in Deutschland MigrantInnen
nach archaischen Regeln und tradierten Rollenvorstellungen leben, wurde
lange ignoriert. Es leben ja auch nicht alle so. Aber es gab und gibt
solche Familien. Da wurde lange nicht genau hingesehen, es wurde mit
Tradition, Kultur, Religion erklärt nach dem Motto: Sollen die doch so
leben, wie sie wollen. Das hat der Fall Hatun Sürücü aufgebrochen, er hat
die deutsche Gesellschaft aufgerüttelt.
Sind auch die Familien aufgerüttelt worden, die nach solchen Traditionen
leben?
Das bezweifle ich. Ich komme selber aus der kurdischen Community, und ich
kriege immer wieder mit, dass ein kleiner Teil davon noch nach diesen
archaischen Vorstellungen lebt. Ich sehe das auch bei meinen Besuchen in
ländlichen Gebieten der Türkei. Da gibt es sicher mehr solche Fälle als
hier. Aber auch hier passiert es noch. Wir können nicht sagen, es ist
vorbei.
Trotzdem hat man den Eindruck, dass weniger hysterisch als vor sieben
Jahren mit dem Thema umgegangen wird. Hat sich die Zahl der Taten verändert
oder der Umgang der Öffentlichkeit mit dem Thema?
Ich glaube, dass sich vor allem der öffentliche Umgang mit dem Thema
verändert hat. Die negative Folge der Debatte, die der Mord an Hatun Sürücü
ausgelöst hatte, war ja, dass unglaublich pauschalisiert wurde: Plötzlich
waren alle türkischstämmigen Migrantinnen zwangsverheiratet und Opfer von
Gewalt. Und das stimmt ja nicht: Gewalt gegen Frauen zieht sich durch alle
gesellschaftlichen Kreise. Und sie geht auch nicht zurück, wie uns Zahlen
und Studien zeigen. Aber es wird heute nicht mehr so einseitig hingeguckt
und berichtet, nicht mehr so abgewertet und pauschalisiert. Auch
emanzipierte und erfolgreiche Migrantinnen werden mittlerweile zur Kenntnis
genommen.
Sie loben in Ihrer Presseerklärung zum Sürücü-Gedenken, was die bisherige
rot-rote Landesregierung in Sachen Schutz von Frauen gegen Gewalt
unternommen habe. Ihre grünen Kolleginnen sagen dagegen, es sei nicht viel
passiert.
Das stimmt definitiv nicht. Wir haben als rot-rote Landesregierung in zwei
Teilschritten das Angebot von Projekten, die sich mit dem Thema Gewalt
gegen Frauen auch auf interkultureller Ebene beschäftigen, gestärkt. Wir
haben außerdem zweijährige Verträge für alle Frauenprojekte auf den Weg
gebracht und den damaligen Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) daran
gehindert, den Etat dafür zu halbieren. Wir haben aus der Szene der
Projekte viel Lob für unsere Arbeit bekommen. Allerdings reicht das heute
nicht mehr aus. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass die Frauenhäuser
in Berlin überlaufen sind.
Und wie sehen Sie nun als Oppositionspolitikerin die Zukunft?
Ich habe kein gutes Gefühl, wenn ich mir vorstelle, was unter Rot-Schwarz
auf die Frauenprojekte in der Stadt zukommt. Wenn die Regierung sagt, sie
wolle unsere Projekte fortsetzen, ist das zwar schön. Aber es reicht nicht,
wie die fehlenden Plätze in der Frauenhäusern zeigen. Man muss die Dinge
weiter entwickeln und ausbauen - vor allem den Schutz von Frauen vor
Gewalt.
7 Feb 2012
## AUTOREN
Alke Wierth
## TAGS
Tötungsdelikte
## ARTIKEL ZUM THEMA
10 Jahre nach dem Sürücü-Mord: Ein Verbrechen und seine Folgen
Vor zehn Jahren wurde die Deutschkurdin Hatun Sürücü von ihrem Bruder
ermordet. Diese Tat hat die Integrationsdebatte verändert.
Todestag von Hatun Sürücü: "Zu uns kommen nur die Stärkeren"
Diese Woche jährt sich der Todestag von Hatun Sürücü. Eva K. leitet die
Kriseneinrichtung Papatya und betreute Mädchen, die wie Sürücü später im
Namen der Ehre umgebracht wurden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.