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# taz.de -- Die besudelte Ehre der Kapitänsbinde: Spielführerstreit in England
> Die englische Fußballnation diskutiert über ein Kleidungsstück, das John
> Terry gehörte, der Boulevard tobt. Auch Nationaltrainer Capello mischt
> mit – als Terrys Anwalt.
Bild: Der Innenverteidiger und mutmaßliche Rassist John Terry wird wohl nicht …
BERLIN taz | Deutschland ist fein raus. Es wird hierzulande nicht mehr über
den Kapitän der Fußballnationalmannschaft diskutiert. Philipp Lahm ist der
Chef und Michael Ballack nur noch ein grummelnder Bankdrücker in
Leverkusen.
In England allerdings streiten sie derzeit wie die Kesselflicker über den
Kapitän, der nur noch ein Exkapitän ist: John Terry. Mit einem Schuss
moralischem Rigorismus, einer Prise Fußballverrücktheit und der üblichen
Aufgeregtheit des britischen Boulevards wird über den Profi des FC Chelsea
debattiert.
Terry ist vom englischen Fußballverband FA als Kapitän des Nationalteams
abgesetzt worden. Begründung: Er soll Anton Ferdinand vom
Premier-League-Club Queens Park Rangers rassistisch beschimpft haben. Terry
räumte ein, einen vulgären Ausdruck gebraucht zu haben, allerdings nur als
rhetorische Frage: "Hey Anton! Glaubst du, dass ich dich eine verdammte
schwarze … genannt habe?"
So einer könne kein Vorbild sein, entschied der Verband. Doch die
zivilrechtliche Verhandlung über Terrys angebliches Vergehen findet erst im
Juli statt - nach der Europameisterschaft, in die Nationaltrainer Fabio
Capello gern mit Terry als Kapitän gegangen wäre. Deswegen hat sich der
Italiener über die Entscheidung der FA ziemlich aufgeregt. Dem
italienischen Fernsehsender Rai sagte er, dass er mit der Absetzung von
Terry "absolut nicht einverstanden" sei: "Ich denke, Terry sollte die
Kapitänsbinde behalten."
## Illoyalität eines überbezahlten Mannes
Die Entscheidung hatte das 14-köpfige Exekutivkomitee der FA am 2. Februar
getroffen, ohne Capello einzuweihen. Im TV-Interview, das recht hohe Wellen
schlägt, sagte Capello, dass er mit FA-Präsident David Bernstein den Fall
besprochen habe und der Meinung sei, dass man Terry nicht vorverurteilen
dürfe. "Das Zivilgericht hat zu entscheiden, nicht der Sport."
Nun mehren sich die Stimmen, die sagen, Capello hätte seine Kompetenzen
überschritten. Das Boulevardblatt The Sun bezeichnete Capellos Rede als
"den größten Akt von Illoyalität eines ohnehin weit überbezahlten Mannes".
Überschrieben war das Ganze mit der Schlagzeile: "Capello zündet eine große
Bombe und zieht in den Krieg gegen die FA."
Dieser Meinung ist auch, wenngleich er es dezenter formuliert,
Ex-FA-Generalsekretär David Davies: "Das wird von der FA sehr ernst
genommen, denn es könnte durchaus sein, dass Capello vertragsbrüchig
geworden ist." Auch der frühere Nationaltrainer Graham Taylor kritisierte
in der BBC Capellos "ungeschickte" Aussagen. "Sich so öffentlich zu äußern,
schafft größere Probleme in Bezug auf die Harmonie für die EM", sagte
Taylor, der die Engländer Anfang der 90e Jahre betreut hatte.
## Wie der Hermelin-Kragen der Königin
Die Kapitänsbinde übernimmt nun ausgerechnet Anton Ferdinands Bruder Rio.
Das ist nicht so neu für den Verteidiger von Manchester United. Er hatte
die Binde schon einmal von Terry bekommen, 2010 war das, als Terry auch
kurzfristig als ungeeignet galt für das Amt des Teamleaders. Es war
herausgekommen, dass Terry eine außereheliche Beziehung mit der Exfreundin
seines ehemaligen Kollegen im Nationalteam, Wayne Bridge, gehabt hatte.
Selbst deutsche Medien hatten daraufhin geschrieben, Terry habe "die Ehre
der Binde besudelt". All das wurde ihm jedoch verziehen - wie auch eine
kleine Revolte gegen Coach Capello im WM-Lager der Three Lions in
Südafrika. Zu Beginn der Saison 2011 durfte Terry die Kapitänsbinde wieder
über den Oberarm streifen. Es ist dies ein Akt der Weihe, denn es scheint
auf der Insel neben dem Hermelin-Kragen von Königin Elisabeth II. kein
wichtigeres Textil zu geben.
1 Jan 1970
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Anti-Rassismus
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