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# taz.de -- Winter in Berlin: Zugefrorener Trottoir
> Die Behörden warnen vor dem Betreten der Eisflächen auf Berlins
> Gewässern. Spaziergänger und Schlittschuhläufer lassen sich das Vergnügen
> aber nicht entgehen.
Bild: Schlittschuhläufer auf dem Weissensee.
An der Kottbusser Brücke in Kreuzberg scheinen sich zur Zeit sämtliche
Wasservögel Berlins zu versammeln. Hier, wo der Landwehrkanal ein kleines
Stück eisfrei ist, drängen sich Schwäne, Enten und Möwen dicht an dicht auf
dem Wasser und werden von Menschen mit Brotkrumen versorgt. Ein paar
Hundert Meter Richtung Neukölln wird der Kanal von einer ganz anderen
Klientel in Anspruch genommen: Studenten, Familien und Besucher nutzen die
seltene Gelegenheit für einen Spaziergang auf dem Eis. Der Kanal friert nur
bei lang anhaltender Kälte mit Graden deutlich unter dem Gefrierpunkt zu.
Ein Vater zieht seine beiden Töchter am Samstag auf dem Schlitten hinter
sich her. Sie wohnten in der Nähe und kämen fast täglich zum winterlichen
Vergnügen aufs Eis, erzählt er.
Auch die 22-jährige Luise freut sich über die Gelegenheit zum
Schlittschuhlaufen mitten in ihrem Kiez. Dass die Eisdecke nur ein paar
Meter weiter viel dünner wird, scheint niemanden zu stören - man bleibe
eben dort, wo es sicher ist, sagt Thomas, der sich sogar mit dem Fahrrad
auf's Eis getraut hat. Gespräche über die Party vom Vorabend und die
anstehenden Klausuren hallen über die schneebedeckte Eisfläche, dazu
scheint die Sonne und wärmt zumindest die Gesichter ein wenig.
Viel los ist auch am Schlachtensee in Zehlendorf. Ein paar Verkäufer haben
Stände mit Bratwurst oder Glühwein auf dem Eis aufgebaut, davor bilden sich
lange Schlangen. Der Schnee knirscht unter den Füßen, ab und an knackt es
dumpf im Eis - für sorgenvolle Mienen sorgt das hier aber nicht. "Das
friert jetzt dieses Jahr schon so lange, da passiert nichts mehr", glaubt
Jakob, der mit seinen Freunden zum Eishockeyspielen hergekommen ist. Mit
Schneeschiebern und Besen haben sie ein kleines Spielfeld vom Schnee
befreit, jetzt fliegt der Puck zwischen den aus Colaflaschen improvisierten
Toren hin und her. Ein paar Kinder haben sich eine schneefreie Eisbahn
geschaffen, über die sie mit Anlauf auf den Knien rutschen.
Esther und Benedikt sind derweil auf Langlauf-Skiern auf dem See unterwegs.
"Die Bedingungen sind gerade perfekt, es ist ganz glatt zugefroren und dann
hat es genau die richtige Menge drauf geschneit", erklärt Esther.
Allerdings sei es so voll, dass man aufpassen müsse, mit niemandem
zusammenzustoßen.
Polizei und Feuerwehr warnen vor dem Betreten der Eisflächen. Die Eisdecke
könne sehr unterschiedlich dick sein, was von oben oft nicht zu erkennen
sei, sagt Andreas Meyer von der Wasserschutzpolizei. Viele Menschen seien
zu leichtsinnig, die Polizei wolle nicht zusätzlich dazu animieren, aufs
Eis zu gehen.
Eine Aufforderung ist derweil auch gar nicht nötig: Auf dem Schlachtensee
tummeln sich Rentnerinnen in Pelzmänteln und mit großen Sonnenbrillen,
Familien mit kleinen Kindern und jede Menge Hunde, oft mit kleinen Deckchen
vor der Kälte geschützt. Das Ehepaar Ostwald wohnt nur wenige Straßen vom
See entfernt und kommt jeden Tag zum Winterspaziergang hierher. "So etwas
gibt es nur in Berlin, so viele Seen in der Stadt. Im Sommer gehen wir hier
baden, im Winter auf dem Eis spazieren - was will man mehr?", sagt Herr
Ostwald.
Auch die nahe Krumme Lanke ist gut besucht. Susanne ist mit ihrer
8-jährigen Tochter hier und freut sich über den Tag in der Natur. "Auf
Spazierengehen hat die Kleine ja nie Lust, aber so ein Ausflug mit dem
Schlitten ist da schon was ganz anderes", sagt sie. Tatsächlich sieht das
Kind ziemlich zufrieden aus, während es, dick eingepackt im knallroten
Schneeanzug, von seiner Mutter über das Eis gezogen wird.
Frau Kurt hat sich ebenfalls warm angezogen für ihren Spaziergang, auch
wenn die Zehlendorferin im Leopardenmantel eigentlich ganz schön abgehärtet
ist: Sie gehe jeden zweiten Tag hier im See Eisbaden, das halte nämlich
jung und gesund, sagt sie. "Seit dem Sommer bin ich bei jedem Wetter ins
Wasser gegangen, um mich vorzubereiten. Im November war es manchmal richtig
schlimm, wenn der Wind so stark war." Jetzt habe sie sich aber dran
gewöhnt, "und gerade bei der schönen Sonne heute ist das kein Problem".
Zwei Kinder, die das Gespräch mitgehört haben, können da nur den Kopf
schütteln. So etwas wäre ihm viel zu kalt, sagt einer der beiden Jungen.
"Wir waren heute den ganzen Tag hier, aber jetzt fahren wir gleich nach
Hause. Dann trinke ich erstmal einen Kakao, damit ich wieder auftaue."
12 Feb 2012
## AUTOREN
Malene Gürgen
## TAGS
Eis
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