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# taz.de -- Digitalisierung im Kino: Abgewickelt
> Während Multiplexe ihre Filme bald nur noch digital zeigen, haben die
> Programmkinos Probleme mit der Finanzierung.
Bild: Die Umrüstung von Filmrolle auf Festplatte ist teuer.
Im Pankower Kino Blauer Stern steht die analoge Vergangenheit noch neben
der digitalen Zukunft. Aus dem Vorführraum richten sich zwei Projektoren
auf die Leinwand - dem moderneren der beiden fehlen die großen
35-Millimeter-Spulen. Aber die Vergangenheit hat nichts mehr zu melden: Der
Blaue Stern hat seine beiden Säle umgerüstet und projiziert bereits alle
Filme digital. "Die alten Projektoren bleiben trotzdem stehen", sagt
Betreiber Uwe Feld: Aus Nostalgie.
Zwar weigern sich viele Berliner Kinobetreiber, ihre alten Projektoren zu
verschrotten: Aus Traditionsbewusstsein oder aus Angst vor einem Ausfall
der neuen Technik. Doch zunehmend werfen Computer die Bilder per
Digitalprojektor auf die Leinwand. Dafür liefern die Verleiher nur noch
bespielte Festplatten und nicht mehr die auf große Spulen gerollten
Filmstreifen. 201 der insgesamt 266 Berliner Kinosäle hat das
Medienunternehmen Bewegte Bilder bisher auf Digitalisierung überprüft -
schon 108 davon sind digitalisiert. "Es gibt zwar keinen unmittelbaren
Zwang zur Digitalisierung", sagt der Sprecher der Mutltiplexkette Cinemaxx,
Arne Schmidt. "Aber logistisch ist es der einfachere Weg."
In der Vergangenheit versprachen sich Befürworter der Digitalisierung vor
allem bessere und schärfere Bilder von der neuen Technik. Doch Einzug hält
diese nun eher, weil Verleiher und langfristig auch Kinobetreiber damit
flexibler und billiger arbeiten können: Digitale Kopien auf Festplatte sind
günstiger und schneller zu verbreiten als Filmrollen. Außerdem ermöglichen
digitale Systeme die lukrative Übertragung von Live-Veranstaltungen wie
Fußballweltmeisterschaften.
Allerdings: Die Umrüstung ist teuer, große Multiplexe können sie viel
leichter stemmen als kleine Programmkinos. Die Kosten bewegen sich zwischen
70.000 Euro für einen Saal mit 2-D-Technik und 100.000 Euro für einen
3-D-Saal. Da viele Kinobesucher bereit sind, für die meist in Multiplexen
laufenden 3D-Filme höhere Eintrittspreise zu bezahlen, lohnt sich die
Investition für die großen Ketten schneller: Um 3-D-Blockbuster zeigen zu
können, müssen sie ihre Säle ohnehin aufrüsten - und schlagen mit der
Anschaffung digitaler Projektoren gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.
So hat Cinestar bereits 32 seiner 60 Berliner Säle digitalisiert, UCI mit
seinen vier Standorten will die noch fehlenden 13 seiner insgesamt 32
Leinwände im Laufe des Jahres umrüsten. Am weitesten ist die
Cineplex-Gruppe mit neun Filialen und 30 Leinwänden: Dazu zählen sowohl
Ein-Saal-Kinos wie das Adria in Steglitz als auch Multiplexe wie das in den
Neukölln Arcaden, wo Cineplex gerade die Digitalisierung komplett macht. Im
Cinemaxx am Potsdamer Platz sind dagegen erst fünf von 19 Sälen digital.
"Wir arbeiten noch an einem Kooperationsvertrag mit Sony, um das
Virtual-Print-Fee-Modell umzusetzen", erklärt Sprecher Schmidt.
Virtual-Print-Fee (VBF) ist die Zauberformel, mit der Kinobetreiber wie
Verleiher an den Kosten der Umrüstung beteiligt werden sollen - denn für
die Verleiher wird der Filmvertrieb per Festplatte oder künftig sogar
Satelliten-Übertragung erheblich billiger. Also sieht VBF die Hilfe Dritter
vor: Unternehmen wie Sony rüsten die Kinos um und holen sich die Kosten
über einen längeren Zeitraum hinweg jeweils anteilig von Betreibern und
Verleihern zurück.
Woran Cinemaxx noch arbeitet, darauf warten auch die meisten Programmkinos:
Eine finanzielle Beteiligung der Verleiher an den Umrüstungskosten. "Das
durchzusetzen, fällt Kinos mit Hollywood-Filmen im Programm natürlich
leichter", sagt Christian Bräuer, Vorstandsvorsitzender der AG Kino-Gilde,
des Verbands der Filmkunst- und Programmkinos: "Uns gegenüber halten viele
Verleiher ihre Zusagen, sich zu beteiligen, bislang nicht ein." Außerdem
bestünden sie auf der Anschaffung von Digital-Projektoren, die dem von
großen US-Studios propagierten "DCI-Standard" entsprechen. Das aber seien
die teuersten Anlagen, weil sie mit einem aufwändigem Kopierschutz
ausgestattet sind.
Zumindest einen weiteren Kampf haben die hiesigen Programmkinos derweil
gewonnen: den um staatliche Fördergelder für die Umrüstung. Erfüllt ein
Betreiber eines kleinen Kinos alle Richtlinien der Förderprogramme, erhält
er bis zu zwei Drittel der Kosten für die Digitalisierung eines Saals aus
öffentlichen Mitteln. Das meiste kommt vom Bund und der
Filmförderungsanstalt (FFA). In Berlin und Brandenburg gibt es seit 2010
zudem Landesgelder: 1,2 Millionen Euro hat das Medienboard
Berlin-Brandenburg bislang für 61 Leinwände in beiden Bundesländern
bewilligt, 28 davon in Berlin. Das entspricht etwa einem Viertel aller
Programmkino-Säle in der Stadt, bei denen die Digitalisierung im Gange oder
abgeschlossen ist. Der Blaue Stern in Pankow mit seinen beiden
digitalisierten Sälen gehört also zu einer Minderheit.
Solle auch der Rest der Kinos folgen, müssten sich alle Verleiher an den
Kosten beteiligen, sagt Programmkino-Vertreter Bräuer. Er ist auch
Geschäftsführer der Yorck-Kinogruppe, die zwölf Häuser in der Stadt
betreibt und bereits einige - das International und teilweise das
Filmtheater am Friedrichshain - auf digital umgestellt hat. "Zwar ist die
Digitalisierung für die Kleinen schwierig zu stemmen, aber sie bietet auch
große Chancen", findet Bräuer. Ein mit Mini-Budget produzierter Autorenfilm
etwa lasse sich leichter vervielfältigen, wenn er dafür nicht erst teuer
auf 35-mm-Rollen gespielt werden müsse - sondern einfach auf eine
Festplatte kopiert werden kann.
15 Feb 2012
## AUTOREN
Sebastian Puschner
Sebastian Puschner
## TAGS
Kino
UCI
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