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# taz.de -- Neues Album der Punkband EA80: Die Beratungsrésistance
> EA80 sind eine Punkband reinsten Wassers. Langes Schmoren im eigenen Saft
> hat auf ihrem unversöhnlichen neuen Album "Definitiv: Nein" Spuren
> hinterlassen.
Bild: Bandbilder gibt es nicht. Aber die Stimmung kommt ja ganz gut rüber.
Ob es nicht besser ist zu kapitulieren? Vor vier Jahren stellten Tocotronic
diese Grundfrage: Alle Schlachten schienen geschlagen, man hing in den
Seilen und warf leicht frivol das Handtuch. Wenn auch verhandelbar: Der
Gestus war ein defensiver.
Nun antworten EA80 spät, aber doch: "Definitiv: Nein!" - eine Absage, die
von den Mönchengladbachern äußerst angriffslustig vorgetragen wird: "Und
dieses Wort wird endgültig sein." Nicht die schlechteste Idee,
runtergerotzte Punksongs neben düsterem, melodischen Noisepop und einem
textlichen Universum, das versucht, Zustände aus einer Abseitsposition
verlautbar zu machen.
Dafür stehen EA80 seit Menschengedenken: Seit 1980, dem Jahr der
Bandgründung, werden sie in den linken Subkulturen des Punk und Postpunk
verehrt, bisweilen fast unterwürfig. Mit "Vorsicht Schreie" erschien 1983
ihr Debütalbum. Es folgten zehn weitere Alben, ein Tape und zwei 10inches,
zunächst in kürzeren, dann in immer längeren Abständen veröffentlicht.
Bemerkenswert sind EA80 in jedem Fall: Nicht nur wegen 31 Jahren in fast
identischer Besetzung (es gab lediglich zwei Wechsel an Bass und
Schlagzeug).
Nicht nur wegen 31 Jahren in der grenznahen Provinz von Mönchengladbach.
Nicht nur wegen 31 Jahren ohne stilistischen Bruch. Eher, weil sie Haltung
bewahrten, weil sie konsequent blieben. Weil ihnen Moden völlig schnuppe
waren. Das Einzige, worauf man sich immer einigen konnte, so Sänger Junge
im Gespräch mit der taz: Dass man Punk war. Das reichte aus als Statement.
Bis heute.
Im Gegensatz zum grüblerischen Vorgänger "Reise" (2007) ist ihr neues Album
dabei wieder ein wütenderes: "Dieser Ort macht dich krank / Dieser Job
macht dich krank / Dieser Alltag macht dich krank / Du kannst ihm nicht
entkommen", bratzt es zum Auftakt los. Im zweiten Song dann folgt das
definitive Nein. Kein Entkommen, stattdessen Flucht?
## Zeitlose existenzielle Not
Nein, man halte schon immer mit Witz und Wut dagegen, sei offensiv in der
Verweigerung, sagt Junge. "Definitiv: Nein!" handelt von zeitloser
existenzieller Not, von Ohnmacht in 50. Auflage, von der fortdauernden
Unmöglichkeit, zu partizipieren. Daher, mit EA80: "Diese Wiederholung macht
dich krank."
EA80 transportieren immer noch verdammt viel Gegenwart in ihrer Musik, in
ihren Texten: Wer glaubt, sie reproduzierten bloß alle Jubeljahre die
Negation des Punk und klicken dann auf "aktualisieren", irrt. EA80-Alben
müssen daher als Lebenszeichen derer da unten, besser: daneben gelesen
werden.
Ob sie das Gefühl haben, man habe als Band alles gesagt nach so langer
Zeit? Texte zu verfassen, sei manchmal ein Problem, sagt Junge.
Mittlerweile stehe auch die Musik am Anfang, dann komme langsam der Text
dazu. Ihre Songtexte würden auf jeden Fall von einigen Leuten überhöht - in
der Punkszene rezipiert man neue EA80-Alben bisweilen, als käme eine neue
Predigt des Messias aus dem Presswerk.
Wenn die Leute was aus den Songtexten ziehen könnten, freue ihn das zwar,
wenn sie verstanden würden, auch, dennoch sei es der Ehrerbietung zum Teil
etwas zu viel. "Zwei Leute" in der Band schrieben die Texte - wer, sei
egal. Junge sieht EA80 als Kollektivleistung, deshalb gebe er auch nur
Informationen zur Band, wolle sich aber keinesfalls als Sprachrohr für
diese verstehen.
Auch das trennt EA80 von anderen Bands: Interviews, selbst mit Fanzines,
haben sie wenn möglich gemieden - Abmachung bei unserem Telefonat: Keine
wörtlichen Zitate, keine Klarnamen. "Junge" ist ein Pseudonym. EA80 sind
der Promomaschinerie der Kulturindustrie immer fern geblieben, abgesehen
von den Alben gibt es nichts zu kaufen. Die raren Konzerte sind - ohne jede
Werbung - dennoch immer ausverkauft. Mit dem Musikbusiness habe man
glücklicherweise nie etwas zu tun gehabt, sagt Junge. Wenn er Autogramme
geben soll, kritzele er ein kleines Bild hin. Neben EA80 betreibt er noch
das Musikzimmer-Label, Heimstatt für (Geräusch-)Kunst, Musik und Filme in
Kleinstauflage.
## Huldigung der Nische
Mit "Zwischen 0 und 12" findet sich auf "Definitiv: Nein" auch ein Song,
der diesem selbstgewählten Nischenlos auf das Wesentliche huldigt: "Dies
ist ein Loblied auf das Kleine, das Einfache, Simple, auf das Reine." So
halten sie es als Band, so halten sie es im Umgang mit denen, die sie
umgeben. Wie wenig EA80 mit der Zeit gehen, wie sie auch nicht jeden Scheiß
- so Junge - mitmachen wollen, zeigt sich zum Ende des Songs: "Ich lebe ein
Format, das es nicht mehr gibt / Zweite Hand vielleicht, man weiß es
nicht." Vom Gestus erinnert das an den italienischen Filmemacher Pierre
Paulo Pasolini, der einst auch eine Figur kreierte, die ihrer Zeit
entfremdet war: "Ich bin eine Kraft des Vergangenen [?] / Und ich,
erwachsener Fötus, irre, ein Modernerer als die modernsten, um Brüder zu
suchen, die nicht mehr sind."
Neue Medien, essentieller Bestandteil der Aufmerksamkeitsindustrie, sind
EA80 als Band gleichgültig - alles, was sie zu sagen haben, sagen sie
ausschließlich mit Wort und Musik. Ihre Website ziert ein weißes EA80 auf
schwarzem Grund. Zu klicken gibt es nichts.
Konservativ also? Sie würden schon als wertkonservative Band wahrgenommen,
sagt Junge, damit habe man aber auch kein Problem, das schließe ja auch ein
Sich-treu-bleiben ein. Lange verwehrte man sich CD-Veröffentlichungen,
mittlerweile - da auch dieses Medium mittlerweile infrage gestellt ist -,
erscheinen die Alben auch als CD. Reine Vinyl-Veröffentlichungen gibt es
aber auch immer mal wieder, im Single-Format (7inch) oder sogar auf 5-Inch
wie 2010, als gemeinsam mit der befreundeten Band Die Strafe eine
Splitsingle erschien. EA80 fühlen sich wohl in ihrem kleinen Kreis von
Freunden, die ihr Ding machen.
"Jedem das Seine und das Beste unseren Freunden / Die leben und lachen mit
uns", heißt es in "Hausapotheke" aus dem Album "Schweinegott" (1998).
Leben, lachen, leiden - und zusammen Musik machen: Bands wie Serene Fall,
Killer, The Devil in Miss Jones und weitere kommen aus dem EA80-Dunstkreis.
Einer Szene gehöre man deshalb noch lange nicht an: Seitlich an den Szenen
vorbei bewege man sich, schon immer, sagt Junge. Natürlich hätten sie immer
Glück gehabt. Dass alle geblieben seien, in der niederrheinischen Provinz.
Dort müssen EA80 immer wieder wachgeküsst werden, wenn die Verzweiflung zu
groß wird: "Weck mich rechtzeitig, bevor die Welt untergeht / Ich kann
nicht länger warten, es ist doch schon so spät", singen sie in "Vor dem
Untergang". Vor allem sollte man EA 80 hören, wenn die Welt tatsächlich mal
wieder untergeht.
## EA80 "Definitiv: Nein" (Slowboy/Cargo)
16 Feb 2012
## AUTOREN
Jens Uthoff
Jens Uthoff
## TAGS
Punk
Punk
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