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# taz.de -- Grün-Rot schiebt Roma ab: "Wir müssen jeden Einzelfall prüfen"
> Baden-Württembergs grün-rote Landesregierung will wieder Roma ins Kosovo
> abschieben. Der grüne migrationspolitische Sprecher, Memet Kilic, fordert
> dafür strenge Kriterien.
Bild: Keine besonders gute Lage: Roma in Kosovo.
taz: Herr Kilic, in Baden-Württembergs herrschte für Roma aus dem Kosovo
ein faktischer Abschiebestopp, die grün-rote Landesregierung hebt ihn nun
auf. Was ist da los?
Memet Kilic: Wir Grünen wissen um die prekäre Lage der Minderheiten im
Kosovo. Aber um einer Volksgruppe eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu
gewähren, muss das Bundesinnenministerium damit einverstanden sein. Dieses
Okay gibt es derzeit nicht.
Also ist Grün-Rot in Baden-Württemberg gezwungen, Roma ins Kosovo
abzuschieben?
Ja, zumindest in einigen Fällen. Das Aufenthaltsgesetz besagt, dass für
Abschiebestopps von mehr als einem halben Jahr die Zustimmung des Bundes
und aller Länder nötig ist.
Die Grünen in Baden-Württemberg wollten das aber nicht akzeptieren. Deshalb
suchten sie mit dem Landespetitionsausschuss kürzlich selbst Beweise für
die schlechte Lage der Minderheiten im Kosovo. Was fanden Sie vor?
Solche Reisen sind voll gestopft mit offiziellen Programmpunkten. Vier Tage
reichen nicht, um festzustellen, ob Abschiebehindernisse vorliegen. Deshalb
müssen auch Berichte von NGOs einbezogen werden. Das
UN-Flüchtlingshilfswerk und andere Organisationen haben aktuell Beweise für
die wirtschaftliche Not und gesellschaftliche Diskriminierung der Roma und
anderer Minderheiten im Kosovo vorgelegt. Diese Menschen haben dort keine
Lebensperspektive. Wenn eine Landesregierung eine eigene Entscheidung über
Abschieberegelungen treffen will, muss das schon einfließen. In
Baden-Württemberg werden die Grünen auf die Situation im Kosovo jetzt
verstärkt bei Einzelfallprüfungen schauen.
Im rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen hat sich das nicht bewährt, es
wird weiter kräftig ins Kosovo abgeschoben. Werden die Grünen damit nicht
unglaubwürdig?
Wenn ein rot-grün-regiertes Land ähnliche Abschiebebilanzen aufweist wie
das schwarz-gelbe Niedersachsen, dann ist das bedenklich. In
Nordrhein-Westfalen sind Alte, Kranke oder Alleinerziehende weitestgehend
vor Abschiebungen geschützt. In Baden-Württemberg sollten die Kriterien der
Einzelfallprüfung noch weiter gefasst werden, man muss auch die Chancen auf
wirtschaftliche Teilhabe berücksichtigen. Drei von vier rückgeführten
Romakindern gehen im Kosovo nicht zur Schule, die Arbeitslosigkeit liegt
bei 90 Prozent. Personen ohne fertige Ausbildung oder albanische
Sprachkenntnisse haben null Perspektive. Sie sollten von der Abschiebung
ausgenommen sein.
Die baden-württembergische SPD will die Möglichkeiten ausdehnen, dass
Familien ein Bleiberecht bekommen können, wenn die Kinder gut in der Schule
sind. Ist das gut?
Das wäre Sippenhaft: Das Kind würde sich lebenslang schuldig fühlen, wenn
seine Familie gehen musste, weil es nicht gut genug in der Schule war.
Erfolg in unserem Bildungssystem, das Migranten nach wie vor stark
benachteiligt, kann kein Kriterium für ein Bleiberecht sein.
Wie muss das Bleiberecht reformiert werden?
Die Innenminister der Länder und des Bundes müssen sich für alle
Flüchtlinge auf eine humane Regelung einigen, die unabhängig von Stichtagen
funktioniert. Es darf nicht mehr verlangt werden, dass Geduldete mit einem
Aufenthaltsrecht auf Probe den eigenen Lebensunterhalt sichern müssen, um
ein langfristiges Aufenthaltsrecht zu bekommen. Daran scheitern viele Roma,
die durch Vorurteile bei der Jobsuche benachteiligt sind.
17 Feb 2012
## AUTOREN
Karen Grass
## TAGS
Abschiebung
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