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# taz.de -- Kommentar Tarifeinheit: Vorsicht Kollateralschäden!
> Auch wenn der Fluglotsenstreik ausgesetzt wird, die Debatte über eine
> gesetzliche Absicherung der Tarifeinheit geht weiter. Es droht ein Abbau
> der Arbeitnehmerrechte.
BERLIN taz | Kaum tut ein Streik empfindlich weh, wie jener der
Vorfeldlotsen auf dem Frankfurter Flughafen, wird diskutiert, ob solche
Arbeitskämpfe zulässig sind. Es ertönt erneut der Ruf, das Parlament solle
den Grundsatz "ein Betrieb – ein Tarifvertrag", die sogenannte
Tarifeinheit, per Gesetz festschreiben.
Die Idee dahinter: Kleinere Spartengewerkschaften, die Beschäftigte wie
Ärzte, Fluglotsen oder Lokführer auf machtvollen Positionen organisieren,
könnten keine Einzelkämpferaktionen mehr durchführen, im Betrieb wäre
verlässlicher Ruhe.
Man kann den 200 Vorfeldlotsen durchaus vorwerfen, dass sie egoistisch nur
für ihre Belange streiken, und sich nicht mit Mitarbeitern zusammen
schließen, die schwächere Verhandlungspositionen haben. Doch die Rufe nach
Tarifeinheit sind fahrlässig leichtsinnig. Denn am Ende könnte das
Streikrecht insgesamt eingeschränkt werden, die Organisierung in Betrieben
beschädigt werden.
Juristen haben sich mit den hochkomplizierten Möglichkeiten, die
Tarifeinheit per Gesetz vorzuschreiben, seit Mitte 2010 ausführlich
auseinander gesetzt. Das Gebot, nur eine Gewerkschaft im Betrieb soll das
Sagen haben, nur sie darf streiken, würde in der Praxis zu
Rechtsunsicherheiten und Komplikationen führen.
Wie überhaupt grenzt man einen Betrieb bei der Verästelung und
Ausgliederung von Unternehmensteilen ab? Wer stellt wie fest, welche
Gewerkschaft die mächtigste ist? Sollen die Beschäftigten künftig etwa den
Arbeitgebern offen legen, welches Gewerkschaftsbuch sie in der Tasche
haben?
## Recht auf Koalitionsfreiheit und Streik
Arbeitnehmer könnten in Folge der undurchsichtigen Gemengelage noch
häufiger vom Streik zurückschrecken, denn er könnte per se illegal sein.
Auch besteht die Gefahr, dass tariffreie Zonen wachsen: Denn wenn nur noch
der Tarifvertrag des Marburger Bundes für die Ärzte in den Krankenhäusern
gilt, gehen Pfleger und Krankenschwestern leer aus.
Nicht zuletzt gibt es schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken:
Artikel neun des Grundgesetzes schützt das Recht jedes einzelnen auf
Koalitionsfreiheit und Streik. Die Entscheidung, in welcher Organisation
man sich als Arbeitnehmer im Betrieb für seine Interessen einsetzen will,
gehört zu den geschützten Freiheiten.
Soll kleineren Gewerkschaften das Recht entzogen werden, Tarifverträge
abzuschließen oder dafür zu streiken, ist das ein massiver Eingriff in das
Grundgesetz. Wer also nach dem Gesetzgeber ruft, sollte vorher bedenken,
was er damit lostritt. Der Ruf nach Tarifeinheit könnte die Büchse der
Pandora öffnen. Einmal mehr, weil in Europa die Zeichen auf Abbau der
Arbeitnehmerrechte stehen.
22 Feb 2012
## AUTOREN
Eva Völpel
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