Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Black History Month: Musik hat keine Hautfarbe
> Unbeachtet von der Mehrheitsgesellschaft wird im Februar schwarze Kultur
> auch in Deutschland zelebriert. Zum Beispiel von dem Sänger Arenor Anuku.
Bild: Arenor Anuku ist kein schwarzer Reinhard Mey.
Früher verband sie vor allem die Erfahrung des Rassismus. Heute formulieren
schwarze Deutsche ihr positives Selbstverständnis so: "Wir kommen aus der
Wiege der Menschheit - das verbindet uns", sagt etwa der afrodeutsche
Sänger und Gitarrist Arenor Anuku.
"Empowerment - die Stärkung der eigenen Identität - das ist der künftige
Weg der Black Community in Deutschland", bestätigt auch Nigel Asher. Er ist
einer der Organisatoren des Black History Month (BHM) in Hamburg und
Berlin, der wichtigsten Plattform für das wachsende schwarze
Selbstverständnis.
Die Idee eines Veranstaltungsmarathons zur Stärkung des Selbstbewusstseins
als Schwarze kommt aus den USA. Seit 1926 besinnen sich Afroamerikaner
jeweils im Februar auf Errungenschaften ihrer Vorfahren und erinnern an die
verloren gegangene afrikanische Kultur. Fast unbemerkt von der weißen
Mehrheitsgesellschaft wird auch seit über 20 Jahren in Deutschland
aufgeklärt und diskutiert, performt und gedichtet. Auch Arenor Anuku wird
wieder singen.
Seine Songs singt er auf Deutsch. Dass man ihn deshalb als "schwarzen
Reinhard Mey" und seine Lieder als "Musik für Erwachsene" bezeichnet, weist
er zurück. Sein Vorbild sei gar nicht Reinhard Mey, sondern der
nigerianische Superstar Fela Kuti. Auch Bob Marley, Bob Dylan und Tom Waits
haben den Deutschnigerianer inspiriert. "Musik hat keine Hautfarbe", sagt
Anuku.
Seine Songtexte stecken voller Ironie - Rassismus findet sich nicht.
Rassistische Floskeln würden von der Mehrheitsgesellschaft oft
unreflektiert reproduziert, sagt Anuku. So nennt der Schauspieler und
Rockstar Marius Müller-Westernhagen sein aktuelles Album
"Hottentottenmusik" und geht auf "Hottentotten-Tour" - diesen Begriff aus
der Kolonialzeit wieder zu verwenden sei inakzeptabel, sagt Anuku.
## Familiäre Atmosphäre
Sein eigenes Bühnenprogramm heißt wie sein neues Album: "Geld spielt heut
keine Rolle". "Es geht um Emotionen, die jeder mitfühlen kann", erklärt er.
Anuku war von Beginn an beim deutschen Black History Month involviert. Bei
dessen Hamburger Ausgabe fühlt sich der Berliner Anuku gut aufgehoben. Die
Atmosphäre sei familiär.
An allen Sonntagen im Februar liegt der Fokus auf Afrokultur aus vier
Regionen: USA, Deutschland, Afrika und Südamerika plus Karibik. Alles, was
Rang und Namen hat, stand schon auf der Sonntagsbühne der Hansestadt:
Nneka, Jamaica Papa Curvin, Samy Deluxe, Patrice, Love Newkirk, auch der
NDR-Moderator Yared Dibaba.
"Die Konzertsonntage sind der Rahmen des Programms, mit der Zeit haben wir
das Repertoire um Vorträge, Filme und Poetry-Slam erweitert", erklärt
Asher. Hamburg ist die Stadt mit der größten schwarzen Bevölkerung in
Deutschland. Das Publikum ist jung und schwarz. Anders sieht es in Berlin
aus: Hier sind die meisten Besucher eher weiß und älter.
## Schwerpunkt Brasilien in Berlin
Um den Black History Month in Berlin gab es Querelen - jahrelang fiel er in
der Hauptstadt komplett aus. Philippa Ebéné, die Leiterin der Werkstatt der
Kulturen, möchte das ändern. Der Schwerpunkt in Berlin ist in diesem Jahr
Brasilien, die afrobrasilianische Religion Candomblé und Capoeira, eine
Mischung aus Tanz und Kampf. "Beides trug dazu bei, die 350 Jahre
andauernde Qual zu überstehen, die aus der Versklavung durch Europäer und
der transatlantischen Deportation - der 24 Millionen Menschen zum Opfer
fielen - resultierte", sagt Ebéné.
Die Sozialwissenschaftlerin Natasha Kelly hat in Berlin die
Podiumsdiskussion "Soul Sister" initiiert. Im Zentrum steht die Dichterin
May Ayim. Ihr Buch "Farbe bekennen" gilt als Standardwerk für die
afrodeutschen Community. "Ich werde trotzdem afrikanisch sein - auch wenn
ihr mich gerne deutsch haben wollt - und werde trotzdem deutsch sein - auch
wenn euch meine Schwärze nicht passt", schrieb Ayim etwa.
## Farbe bekennen
Die Afrodeutsche war Dozentin, antirassistische Feministin und
Mitbegründerin der "Initiative Schwarze Deutsche in Deutschland". Die jung
verstorbene Ayim wurde 2009 in Berlin mit einem Straßennamen geehrt. Das
Groebenufer, das nach dem Leiter einer Expedition der deutschen
Kolonialzeit hieß, wurde ihr zu Ehren in May-Ayim-Ufer umbenannt.
Katharina Oguntoye, Mitherausgeberin von "Farbe bekennen", und Abenaa
Adomako, Protagonistin in "Farbe bekennen" und die Kuratorin Sandrine
Micossé-Aikins werden an Ayims Verdienste erinnern. Ihr Podiumsgespräch
führt ein Seminar fort, das Kelly an der Berliner Humboldt-Universität
gehalten hat: "May Ayim - Schwarze deutsche Feministin?".
Wegen der großen Nachfrage hat Kelly für das Sommersemester einen zweiten
Teil angesetzt. "Mein Ansatz ist Critical Whiteness", sagt Kelly. Die
Seminarteilnehmer sollten die Bereitschaft haben, sich mit ihrer Hautfarbe
auseinanderzusetzen - "weiß sein" könne nicht länger als Norm gelten. Das
fördere nur rassistische Hierarchisierung.
24 Feb 2012
## TAGS
AfD Hamburg
Critical Whiteness
## ARTIKEL ZUM THEMA
Eklat am Runden Tisch: Kolonialdebatte ohne AfD
Beim Runden Tisch zur Kolonialismus-Aufarbeitung hat die Black Community
den Abgang des AfD-Hardliners Alexander Wolf erzwungen. Nicht alle fanden
die Aktion demokratisch.
Debatte „Critical Whiteness“: Weiß, Macht, Schwarz
„Critical Whiteness“ will den Blick von denen weglenken, die Rassismus
erfahren – hin zu denen, die Rassismus ausüben. Im linken Milieu wird
diskutiert.
Rassistische Beschimpfungen: Nur Trauern reicht nicht
In einer Berliner S-Bahn wurden Schüler als "Türkenpack" beschimpft.
Niemand griff ein - auch nicht der Fahrer. Warum Mut wichtiger ist als
Schweigeminuten.
Streit um Theaterstück: Rassismus? Ja, wo denn?
Um die Rolle eines schwarzen US-Amerikaners zu besetzen, verlässt sich das
Steglitzer Schlossparktheater auf ganz viel Schminke. Im Internet hagelt es
Kritik.
Afrodeutsches Theater auf Tour: Warten auf das schöne Leben
Die Berliner afrodeutsche Theatergruppe Label Noir ist mit ihrem Stück über
Heimat durch Brandenburg gereist. Es geht um Angst, Ignoranz und um
Vorurteile - auch um die der Schauspieler.
Gedenken an Afrika-Konferenz: Dichterin am Ufer
Das Kreuzberger Gröbenufer heißt ab Samstag May-Ayim-Ufer. Nach dem Festakt
gibt es eine Gedenkdemo.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.