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# taz.de -- Oscar-Verleihung: Das Kino als Krisengebiet
> Jean Dujardin gilt als Oscar-Favorit. Er ist der Star in "The Artist",
> der Hommage an den Stummfilm, die den verlorenen Glamour Hollywoods
> feiert.
Bild: Der Glanz von 1929 – Jean Dujardin und Berenice Bejo in "The Artist".
Wenn große Stars auf einen wichtigen Termin hinfiebern, dann tun sie das
manchmal im buchstäblichen Sinn: Jean Dujardin hat Husten, und es galt für
eine kleine Weile als offiziell ungewiss, ob er am Wochenende zur
Oscar-Verleihung nach Los Angeles reisen kann. So war das neulich auch
schon einmal mit Shah Rukh Khan und der Berlinale. Aber für den großen
männlichen Favoriten für die wichtigste Filmpreisverleihung der Welt wird
sich wohl noch ein Remedium finden lassen.
Jean Dujardin ist der Star in "The Artist", der Hommage an den Stummfilm
von Michel Hazanavicius, die in zahlreichen Kategorien nominiert wurde. Es
wäre eine Überraschung, wenn dieser Film, auf den sich so unterschiedliche
Publikumsgruppen einigen können, am kommenden Sonntag nicht die wichtigsten
Trophäen holen würde: bester Film, beste Regie, bester Hauptdarsteller.
Nur der ewige Provokateur Bret Easton Ellis ließ im digitalen Gezwitscher
verlauten, er glaube an eine Auszeichnung für George Clooney, der in "The
Descendants" ausnahmsweise einmal nicht ultracool und superslick auftritt.
## Ironiefreier Glamour
"The Artist" verweist die amerikanische Filmindustrie auch auf ein
Spiegelbild ihrer selbst, in dem sie sich gar nicht mehr wiedererkennen
will. Denn Hazanavicius punktet ungeniert mit einer Überdosis Glamour, die
kaum ein Gran Ironie enthält. Und Glamour, also jener Faktor, den die
großen Studios vor 60 Jahren noch produzierten, als ginge es um eine eigene
Währung, ist schwer in Misskredit geraten.
De facto sind es schon seit vielen Jahren gerade noch die Oscars, die
einmal im Jahr die Stars aus den Krisengebieten einsammeln, in denen sie
sich gerade umtun und neue Adoptivkinder suchen, um sie in teure Kleider zu
stecken und über den roten Teppich zu jagen.
Die Oscars simulieren eine Industrie, die ihr Geld längst vorwiegend in
3-D, Animation und großflächiges Konsumrealitätenrendering steckt, dass
alles noch so läuft wie 1929, als die Oscars zum ersten Mal vergeben
wurden, oder 1974, als mit "Der Clou" ein vergleichbar nostalgisches Thema
wie in diesem Jahr ganz oben stand. Damals war übrigens auch globale
Katerstimmung.
"The Artist" verweist nun aber darauf, dass Hollywood im weltweiten
Kopieren und Umschreiben von Brands und Images längst nicht mehr
amerikanisches Besitztum ist, sondern eben ein zirkulierendes Zeichen, das
der überraschend cinephile Hazanavicius übrigens sehr deutlich in den
Zusammenhang der europäischen Exilanten stellt, die das "goldene Zeitalter"
des amerikanischen Kinos prägten.
## Wim Wenders im Rennen
Wie sich daneben das dumme Rassismusdrama "The Help" schlägt, ob Terrence
Malicks bisher schlechtester Film, der schwülstige "The Tree of Life",
etwas holen kann, das sind Petitessen am Rand. Das deutsche Interesse ist
stark auf Wim Wenders konzentriert, der mit "Pina" im Rennen um den besten
Dokumentarfilm ist. Darüber hinaus hat aber auch die Berliner
Kostümbildnerin Lisy Christl (nominiert für den in Babelsberg gedrehten
"Anonymous") eine reelle Chance.
Die spannendste Kategorie für Freunde des Kinos ist eindeutig: bestes
Originaldrehbuch. Hier konkurriert Hazanavicius mit Kristen Wiig und Annie
Mumolo ("Brautalarm"), J. C. Chandor ("Der große Crash"), Woody Allen
("Midnight in Paris") und, tatsächlich, Asghar Farhadi, dem iranischen
Regisseur und Autor von "Nader und Simin".
Diese letzte Personalie verweist ebenfalls auf das dramatische Maß der
Globalisierung der Oscars. Ein Eindruck, der allerdings nur die Oberfläche
betrifft und nicht darüber hinwegtäuschen darf, wie abwesend das Weltkino
in den USA nach wie vor ist. Gleichwohl wird der Oscar mehr internationale
Flugbewegungen denn je erforderlich machen. Und wer am Ende leer ausgeht,
muss vielleicht verschnupft nach Hause fliegen.
26 Feb 2012
## AUTOREN
Bert Rebhandl
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