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# taz.de -- Krebserreger im Trinkwasser in NRW: "Formal nicht zu beanstanden"
> Die Ruhr führt krebserregende Tenside mit sich. NRWs Umweltminister
> Remmel (Grüne) über fehlende Grenzwerte und was er in eineinhalb Jahren
> erreicht hat.
Bild: Idylle mit Krebserreger.
taz: Herr Remmel, was haben vermutlich krebserregende perfluorierte
Tenside, kurz PFT, in der Ruhr zu suchen, die Millionen Menschen mit
Trinkwasser versorgt?
Johannes Remmel: Gar nichts, genauso wie viele andere Mikroschadstoffe.
Warum transportiert die Ruhr trotzdem einen Chemikaliencocktail, der auch
Röntgenkontrastmittel und Antibiotika enthält?
Die kommen über die Abwässer in die Ruhr. Im Gegensatz zum Rest der
Republik gewinnen wir in NRW 60 Prozent des Trinkwassers nicht aus
Grundwasser. Stattdessen wird es Flüssen wie der Ruhr oder dem Rhein
entnommen …
… die auch als Abwasserrohr für Kläranlagen und Industriebetriebe dienen.
Bis zu 40 Prozent des Ruhrwassers stammen aus Kläranlagen, ist also
flussaufwärts schon einmal durch Toiletten gerauscht.
Das hat historische Gründe. Die großen Talsperren im Sauerland regulieren
nur den Wasserstand der Ruhr. Natürlich wäre es besser, wenn
Trinkwasserspeicher wie Möhne oder Bigge direkt mit den Wasserwerken
verbunden wären, anstatt einfach nur das Ruhrwasser zu verdünnen. Heute
würde man die gesamte Trinkwasserversorgung anders konzipieren als zur
Hochzeit der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts.
Also braucht NRW eine komplett neue Wasserversorgung?
Ein Neuaufbau wäre eine Jahrhundertaufgabe, die jeden finanziellen Rahmen
sprengen würde. Das kann niemand umsetzen.
Trotzdem: Sie sind eineinhalb Jahre im Amt. Warum fließen im Ruhrgebiet
noch immer Chemikalien aus den Hähnen?
Das Trinkwasser ist formal nicht zu beanstanden, weil kein Grenzwert
überschritten wird. Wir haben bereits einiges erreicht, aber einfacher wäre
es, wir hätten bundesweit einheitliche Vorgaben. Schon vor einem Jahr habe
ich deshalb Bundesumweltminister Norbert Röttgen von der CDU angeschrieben
und auf eine Oberflächengewässer-Verordnung mit Grenzwerten für
Mikroschadstoffe gedrängt. Leider interessiert das außerhalb von NRW nur
wenige: Nur Baden-Württemberg beschäftigt sich aufgrund der
Trinkwassergewinnung aus dem Bodensee ebenfalls mit der Thematik.
Und der Christdemokrat Röttgen hat Ihnen nicht weitergeholfen. Noch einmal:
Was haben Sie konkret unternommen?
Wir haben überhaupt erst einmal transparent gemacht, was eingeleitet wird.
Und wir haben Druck gemacht, dass PFT in Produktionsprozessen durch andere
Stoffe ersetzt werden. Bestimmte Stoffe kann man aber nicht an der Quelle
zurückhalten: Wir können den Leuten schlecht verbieten, für die Gesundheit
notwendige Arzneimittel zu nehmen. Deshalb dringen wir auf der
Abwasserseite auf bessere Klärtechnik: In Pilotprojekten wird bereits eine
vierte Klärstufe eingesetzt - die sogenannte Ozonierung und den Einsatz
eines Aktivkohlebetts.
Diese bräuchte man flächendeckend bei der Wasserentnahme zur
Trinkwassergewinnung. Die Ruhr schleppt noch immer bis zu 250 Gramm PFT pro
Tag mit sich.
Am Rhein und am Ober- und Unterlauf der Ruhr wird der Stand der Technik
schon heute erreicht, auch durch Ozonierung, Aktivkohle, Nano- oder
Ultra-Filtration. In Essen investieren die Wasserwerke bis 2013 noch einmal
50 Millionen Euro. An der mittleren Ruhr stehen wir allerdings auf dünnerem
Eis.
Weil dort vier Millionen Menschen mit Wasser versorgt werden, das nur ein
paar Tage durch Sandfilter gepresst wurde. Warum bekommen die Leute in
Dortmund dreckigeres Wasser als in Düsseldorf?
Die Zuspitzung "dreckig" kann ich so nicht stehen lassen. Auch an der
mittleren Ruhr werden derzeit keine Grenzwerte überschritten. Aber: Bessere
Vorsorge ist sinnvoll, um zu verhindern, dass gefährliche Stoffe nicht ins
Trinkwasser durchschlagen.
Die Wasserversorger drohen bereits mit Preiserhöhungen.
Natürlich kostet die Nachrüstung Geld - aber die Trinkwassergewinnung macht
nur 20 Prozent des Wasserpreises aus. Der Rest der Gebühren ist auf die
Erhaltung der Leitungen zurückzuführen. Nach unseren Schätzungen wird eine
vierköpfige Familie etwa 10 bis 15 Cent pro Kubikmeter mehr zahlen müssen.
Das sollte uns das saubere Wasser wert sein.
26 Feb 2012
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