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# taz.de -- Asyl-Verfahren in Berlin: Das Recht auf Bildung
> Fünf Flüchtlingskinder auf Afghanistan konnten monatelang nicht zur
> Schule gehen. Erst eine Klage schaffte laut ihrer Anwältin nun Abhilfe.
Bild: So würde man es sich wünschen: eine Schule, die alle Kinder willkommen …
Der 15 Jahre alte Hamid sitzt mit seiner Mutter im
Flüchtlingsberatungszentrum in der Moabiter Turmstraße und erzählt von
seiner Odyssee. Dabei geht es nicht etwa um die Flucht seiner Familie vor
dem Krieg aus Afghanistan – die Odyssee, die er hier schildert, ist seine
Suche nach einem Schulplatz in Berlin. Fünf Monate hat es gedauert, bis
Hamid (Name geändert) und vier andere aus Afghanistan stammende Kinder von
Asylbewerbern nun die Luise-und-Wilhelm-Teske-Sekundarschule in Schöneberg
besuchen dürfen. Die Odyssee hat vorerst ein Ende.
Walid Chahrour vom Flüchtlingsrat, der die Anwalts- und Verfahrenskosten
vorstreckte, sagt, er habe sich bereits im Dezember letzten Jahres bei der
Senatsverwaltung beschwert, dass die Kinder noch immer keinen Schulplatz
hätten. Die Verwaltung habe zwar angekündigt, sich um Plätze zu kümmern –
es sei aber nichts passiert. Es sei „skandalös“, wie von Seiten der
Schulverwaltung laufend gegen die Schulpflicht verstoßen werde, sagt
Chahrour. Im Namen der Kinder hatte Rechtsanwältin Sylvia Pfaff-Hofmann
Klage und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim
Verwaltungsgericht eingereicht. Erst danach wies das Schulamt
Tempelhof-Schöneberg den fünf Kindern im Alter von zwölf bis fünfzehn
Jahren Schulplätze zu. „Wir haben die Klage daraufhin für erledigt
erklärt“, sagt Pfaff-Hofmann. Erst der mit der Klage verbundene Druck habe
jedoch dazu geführt, dass das Schulamt den Kindern Schulplätze zuwies: „Dem
Land können pro Fall Prozesskosten in Höhe von rund 600 Euro entstehen. Das
tut schon weh.“ Es könne nicht sein, sagt jedoch Chahrour, dass
Flüchtlingskinder erst dann einen Schulplatz bekommen, wenn sie einen
Anwalt beauftragen.
„Mitnichten“, sagt jedoch Jutta Kaddatz (CDU), Bildungsstadträtin von
Tempelhof-Schöneberg, sei es so, „dass die Kinder nur dann einen Schulplatz
bekommen, wenn geklagt wird“. In diesem Fall seien fünf weitere
Asylbewerberkinder aus der Förderklasse, die Kinder mit sprachlichen
Defiziten zunächst besuchen, in Regelklassen überführt worden. So seien die
Plätze frei geworden, die der Bezirk dann zugewiesen habe.
In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Anzahl der Erwachsenen in
Berlin, die Antrag auf Asyl gestellt haben, von knapp tausend auf mehr als
2.400 mehr als verdoppelt. Wie viele Kinder sie mitbringen, wird nicht
erfasst. Asylsuchende Flüchtlingskinder sind allerdings ebenso
schulpflichtig wie alle anderen Kinder und haben damit auch das Recht auf
einen Schulplatz. Sie werden von den Schulämtern der Bezirke in Abstimmung
mit der Schulaufsicht der Senatsverwaltung registriert und an die Schulen
verteilt. Was einfach klingt, zieht sich in der Praxis jedoch oft mehrere
Monate hin.
Walid Chahrour sagt, Hamids Erfahrungen seien typisch dafür, was
Asylbewerberkinder immer wieder durchmachen. „Sie werden von den Wohnheimen
an die Schulämter verwiesen. Dort sagt man ihnen, sie sollen sich direkt an
die Schulen wenden“, erzählt Chahrour. Sie und ihre Eltern würden
anschließend persönlich in den Schulen erscheinen und alle erforderlichen
Unterlagen wie eine schriftliche Anmeldung und eine schulärztliche
Bescheinigung mitbringen – um dann vom Schulleiter zu hören, dass es keine
freien Plätze mehr gebe. Als Gründe für die langen Verzögerungen nannten
die Bezirke fehlende Räume, fehlende Lehrer oder fehlende Kapazitäten der
Schulärzte.
Hamid, der ebenso wie die anderen Kinder im Wohnheim Marienfelde wohnt, ist
erst einmal froh. „Ich möchte endlich in die Schule gehen“, sagt er in noch
holprigem Deutsch. Nervös sei er nicht. Er hoffe nur, dass er in der Schule
nicht schon wieder auf irgendeiner Warteliste landet.
28 Feb 2012
## AUTOREN
Aleksandar Sarovic
## TAGS
Flüchtlinge
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