Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Hochschulratsreform in BaWü: Die Wirtschaft soll kein Vorbild sein
> Hochschulräte kontrollieren Universitäten und werden selbst stark von der
> Wirtschaft dominiert. Nun will Baden-Württemberg die Besetzung der
> Gremien ändern.
Bild: Zu viel Einfluss: Studierenden-Protest gegen Hochschulräte.
STUTTGART taz | Was in anderen Bundesländern Hochschulräte sind, das sind
in Baden-Württemberg die „Aufsichtsräte“. Jahrelang hatte Schwarz-Gelb
dafür gesorgt, dass die Wirtschaft großen Einfluss auf die Hochschulen des
Landes hat. Die grün-rote Landesregierung will die Hochschulräte nun
abschaffen und Beiräte einführen. Und die sollen beraten statt entscheiden.
Da bangt die Wirtschaft um ihre Pfründen und macht schon jetzt mobil gegen
ein Gesetz, das erst 2014 verabschiedet werden soll.
Nach der Novelle des Hochschulrahmengesetzes von 1998 wurden die
Hochschulräte in fast allen Bundesländern eingeführt. Sie sollen
gesellschaftlichen Input in die Hochschulen bringen und diese
kontrollieren. Meist werden sie überwiegend extern besetzt. Die
Ausgestaltung der Kompetenzen ist jedoch sehr unterschiedlich. Am
Industriestandort Baden-Württemberg gehen sie sehr weit. Dort dürfen die
Hochschulräte die Rektoren mitwählen, den Haushalt genehmigen und über
Entwicklungspläne entscheiden.
„Über die Hochschulräte wird in die Hochschulen hineinregiert“, kritisiert
Andreas Keller vom Bundesvorstand der Bildungsgewerkschaft GEW. „Die Räte
haben Mitgestaltungsmöglichkeiten zum Beispiel darüber, wie das Geld
verteilt wird. Das gehört eigentlich zur Selbstverwaltung einer
Hochschule.“
Doch nicht nur die Befugnisse, auch die Zusammensetzung sehen Kritiker
problematisch. „Die Räte sollen einen gesellschaftlichen Input in die
Hochschulen bringen. Das können sie nur erreichen, wenn sie entsprechend
zusammengesetzt sind“, sagt Michaela Kuhnhenne von der
Hans-Böckler-Stiftung.
Zahlen der Stiftung aus dem Jahr 2008 belegen jedoch: Die meisten Vertreter
stammen aus der Wirtschaft. Nur 14 Mitglieder sind Arbeitnehmervertreter,
und zwar in ganz Deutschland. „Das ist schon bitter wenig“, sagt Kuhnhenne.
Zudem seien Frauen unterrepräsentiert.
## Nicht an Unternehmen orientieren
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) betonte
dieser Tage, dass die Wissenschaft ein eigenes Leitbild brauche, „das sich
nicht einfach an Unternehmen orientiert, die bekanntlich in der
Marktwirtschaft vornehmlich nach Rentabilitätsgesichtspunkten arbeiten“.
Auch die Mitwirkung von Frauen müsse gestärkt werden, „und zwar
gravierend“. Konkrete Pläne sollen aber erst in diesem und im nächsten Jahr
erarbeitet werden.
Doch schon jetzt machen Politik und Wirtschaft mobil gegen die Pläne. „Das
ist ein Rückfall in die Ideologie der Nach-68er-Generation“, sagte am
Mittwoch CDU-Fraktionschef Peter Hauk. Der Zweck von Lehre und Forschung
sei immer stärker wirtschaftsorientiert. Es dürfe, gerade in Zeiten des
Fachkräftemangels, „nicht am Bedarf vorbeigeforscht werden“.
Zuvor hatte die Industrie- und Handelskammer (IHK) Baden-Württemberg eine
Studie unter knapp 100 Vertretern der Wirtschaft in den Hochschulräten
veröffentlicht. Ergebnis: Die Unternehmer „wollen sich nicht auf die Rolle
eines Beirats herabstufen lassen“. Falls doch, wollen nur zehn Prozent der
Vertreter ihr Engagement fortführen.
GEW-Vorstand Keller bestätigt, „dass die Hochschulen nicht nur in ihrem
eigenen Saft schmoren dürfen“. Doch es könne nicht sein, dass nur die
Wirtschaft Einfluss hat. „Die Hochschulen müssen schließlich mehr leisten,
als Fachkräfte auszubilden. Sie haben auch einen kulturellen Auftrag.“
Das Wissenschaftsministerium weist nun darauf hin, dass es weiterhin großen
Wert auf externe Expertise legen wolle. Die Umfrage der IHK solle in einen
Dialog mit den Vorsitzenden der Hochschulräte zur Ausgestaltung des
Gesetzes einfließen.
1 Mar 2012
## AUTOREN
Nadine Michel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Baden-Württembergs Wirtschaft zufrieden: Lobby lobt Grüne fürs Zuhören
Ein Jahr nach der Landtagswahl findet die Wirtschaft viele lobende Worte
für die neue Regierung in Stuttgart. Trotz einiger inhaltlicher Differenzen
könne man über alles reden.
Gremien der Hochschulen: Mehr Demokratie wagen!
Der Verwaltungsapparat jeder Hochschule ist groß und komplex. Ein spürbares
Mitbestimmungsrecht von Studenten und Lehrenden bleibt aber oft auf der
Strecke.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.