# taz.de -- Studie über Muslime in Deutschland: Eine Umfrage wird zum Spielball | |
> Eine Studie über Muslime sorgt noch vor ihrer Veröffentlichung für | |
> Streit. CSU-Politiker sind „besorgt“, FDP und andere rügen den | |
> Innenminister. | |
Bild: Umstritten interpretiert: Aussagen der Studie zu jungen Muslimen. | |
BERLIN taz | Die meisten Muslime in Deutschland wollen integrieren. Nur | |
eine Minderheit beharrt auf der „eigenen Herkunftskultur“. Das besagt eine | |
Studie im Auftrag des Innenministeriums, die jetzt für Streit sorgt. Denn | |
als größte Problemgruppe haben die Autoren jenes Viertel aller Befragten | |
zwischen 14 und 32 Jahren ohne deutschen Pass ausgemacht. | |
Die Forscher beschreiben diese Minderheit als streng religiös, „mit starken | |
Abneigungen gegenüber dem Westen, tendenzieller Gewaltakzeptanz und ohne | |
Integrationstendenz“ – bei jungen Muslimen, welche die deutsche | |
Staatsbürgerschaft besitzen, fallen nur 15 Prozent in diese Kategorie. | |
Noch bevor sein Ministerium die Studie am Donnerstag auf seiner Webseite | |
veröffentlichte, hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) die | |
Ergebnisse für Bild schon kommentiert: „Wir akzeptieren nicht den Import | |
autoritärer, antidemokratischer und religiös-fanatischer Ansichten“, so der | |
Minister. Und sein Parteikollege Hans-Peter Uhl, der innenpolitische | |
Sprecher der Union im Bundestag, nutzte die Zahlen, um vor „Fanatismus und | |
Terrorismus“ unter Muslimen zu warnen. | |
Scharfe Kritik schlug Friedrich daraufhin sogar vom Koalitionspartner | |
entgegen. „Ich muss mich schon wundern, dass das BMI erneut Steuergelder | |
darauf verwendet, eine Studie zu finanzieren, die Schlagzeilen produziert, | |
aber keinerlei Erkenntnisse“, sagte der integrationspolitische Sprecher der | |
FDP-Bundestagsfraktion, Serkan Tören, der Neuen Osnabrücker Zeitung. | |
Auch die Opposition ging hart mit dem Innenminister ins Gericht. Es sei | |
„befremdlich“, dass der Bericht nur einer einzigen Zeitung vorliege und die | |
Abgeordneten sich nur aus dieser Quelle eine Meinung bilden könnten, | |
kritisierte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Aydan Özoguz. „Nicht | |
Religion oder die Einwanderungsgeschichte sind die entscheidende Ursache | |
für Jugendgewalt, sondern Chancen- und Perspektivlosigkeit“, sagte der | |
integrationspolitische Sprecher der Grünen, Memet Kilic. | |
## „Keine Frage von Kultur oder Religion“ | |
Und Sevim Dagdelen von der Linken betonte, dass „Gewaltprobleme keine Frage | |
der Kultur oder Religion“ seien. Sie verwies auf die Langzeitstudie | |
„Deutsche Zustände“ des Bielefelder Forschers Wilhelm Heitmeyer, wonach | |
knapp zehn Prozent der Deutschen Gewalt billigten. Der Jenaer Psychologe | |
Wolfgang Frindte, der die umstrittene Untersuchung maßgeblich leitete, | |
verteidigte dagegen den Ansatz seiner Studie: Die Zahlen seien für ihn | |
nicht überraschend, sagte er der Nachrichtenagentur dpa. | |
Tatsächlich decken sich seine Befunde, die unter anderem auf eine | |
Auswertung muslimischer Internetforen und Gruppeninterviews mit | |
muslimischen Jugendlichen beruhen, mit früheren Erhebungen. Die Religion | |
betrachten Frindte und seine Kollegen auch nicht per se als | |
Integrationshemmnis: Muslime radikalisierten sich eher, wenn sie den Bezug | |
zur Herkunftskultur verlören, aber nicht von der neuen Gesellschaft | |
aufgenommen würden, so ihr Fazit. | |
Schwer wiegt für sie daher, dass sich viele Muslime von deutschen Medien | |
als Gruppe diskriminiert fühlen. Anhand von Telefoninterviews mit | |
muslimischen und nichtmuslimischen Jugendlichen vor und nach dessen | |
Veröffentlichung konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass das | |
Sarrazin-Buch der Integration geschadet habe, da es Vorbehalte auf beiden | |
Seiten verstärkt hat. | |
1 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
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