# taz.de -- Auswirkungen der Wirtschaftskrise: China sorgt sich um Wachstum | |
> Die globale Krise dämpft Chinas wirtschaftliche Entwicklung. | |
> Regierungschef Wen Jiabao fordert zum Auftakt des Volkskongresses sein | |
> Volk auf, mehr zu konsumieren. | |
Bild: China könnte wirtschaftlich härtere Zeiten bevorstehen. | |
PEKING dapd/dpa | Nach Jahren der ungebremsten Entwicklung hat der | |
chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao das Wachstumsziel von acht Prozent | |
in der Vergangenheit auf 7,5 Prozent in diesem Jahr reduziert. Obwohl das | |
Wachstum auch in diesem Jahr Prognosen zufolge deutlich über acht Prozent | |
liegen wird, verdeutlicht die Absenkung des Zielwerts einen Politikwechsel | |
weg von schnellem hin zu nachhaltigem Wachstum. | |
Um dieses Ziel zu erreichen, setzt Wen auf den Binnenkonsum. Steigende | |
Verbraucherausgaben seien entscheidend für die Zukunft Chinas, sagte er bei | |
der Eröffnung der Jahrestagung des Volkskongresses der Kommunistischen | |
Partei am Montag. | |
In den vergangenen Jahren hatte das chinesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) | |
rasant zugenommen. 2010 legte das Wirtschaftswachstum um 10,3 Prozent zu. | |
Im Vorjahr war es etwas rückläufig. Analysten zufolge muss China seine | |
Verbraucherausgaben ankurbeln, stärker auf den Technologiesektor setzen und | |
seine Abhängigkeit von Exporten und Billigkräften reduzieren, um weiter | |
wachsen zu können. | |
Wen versprach in seiner Rede eine ganze Reihe von Maßnahmen. Die | |
Mindestlöhne sollen erhöht werden, ebenso die Unterstützungsleistungen für | |
Studenten und Bauern. Klamme Privatunternehmen sollen außerdem leichter | |
Kredite bekommen und in Schwierigkeiten geratenen Exportunternehmen soll | |
unter die Arme gegriffen werden. Außerdem forderte Wen mehr bezahlten | |
Urlaub für Arbeiter und Angestellte und einfacheren Zugang zu | |
Verbraucherkrediten. | |
In seiner fast zweistündigen Rede vor 3.000 Delegierten in der Großen Halle | |
des Volkes in Peking sagte Wen, „die chinesische Wirtschaft ist mit neuen | |
Problemen konfrontiert.“ International werde die Straße zur | |
wirtschaftlichen Erholung ein gewundener Pfad sein, sagte Wen. „Im Inland | |
ist es dringender, aber auch schwieriger geworden, die institutionellen und | |
strukturellen Probleme zu lösen und die aus ungleichen, unkoordinierten und | |
nicht nachhaltigen Entwicklungen entstehenden Probleme zu lösen." | |
Das von Wen vorgestellte Programm trägt alle Merkmale seiner Politik der | |
vergangenen zehn Jahre. Unter ihm wurden das soziale Sicherungsnetz | |
ausgebaut, Versuche unternommen, das Wachstum über die wohlhabenden | |
Küstengebiete aufs weniger entwickelte Hinterland auszuweiten und die | |
Einkommen der Arbeiter und Bauern zu erhöhen. | |
Allerdings geriet seine Politik des schrittweisen Vorgehens in den | |
vergangenen Monaten auch in die Kritik, weil es zu risikoscheu und zu | |
bruchstückhaft sei, um es mit den etablierten Interessen insbesondere der | |
mächtigen Staatsunternehmen und ihrer Unterstützer in der Bürokratie | |
aufnehmen zu können. Eine Umstrukturierung ist nach Überzeugung der | |
Weltbank aber notwendig, wenn China in die Liga der reichen | |
Industrienationen aufsteigen will. | |
„Die Ausweitung der Binnennachfrage, besonders der Verbrauchernachfrage, | |
die unerlässlich für die langfristige, stabile und robuste wirtschaftliche | |
Entwicklung Chinas ist, steht in diesem Jahr im Fokus unserer Arbeit", | |
kündigte Wen an. Die Zentralregierung und die örtlichen Regierungen würden | |
ihre Ausgaben um über 14 Prozent auf 12,4 Billionen Yuan (1,5 Billionen | |
Euro) aufstocken, sagte Wen. Die größten Steigerungen sollen bei den | |
sozialen Sicherungssystemen, auf dem Arbeitsmarkt und bei der Schaffung | |
bezahlbaren Wohnraums erfolgen. | |
## Verteidigungshaushalt steigt | |
Doch China steht auch vor politischen Herausforderungen. Denn unklar ist, | |
wie gut die chinesische Führung auf den bevorstehenden Abgang von Präsident | |
Hu Jintao und vieler ranghoher Parteikader vorbereitet ist und welche | |
Machtkämpfe der Wechsel im Hintergrund auslöst. "Wir sind gerade in einer | |
ruhigen Periode, alles passiert hinter den Kulissen", sagte Yang Zhaohui, | |
Politikanalyst an der Universität von Peking. | |
Chinas Nachbarn sorgen sich dagegen über die anhaltende Aufrüstung Chinas. | |
Das Land will seinen Verteidigungshaushalt in diesem Jahr um 11,2 Prozent | |
auf 670,2 Milliarden Yuan (mehr als 80 Milliarden Euro) aufstocken. Chinas | |
offizieller Verteidigungshaushalt ist nach den USA der weltweit | |
zweitgrößte. Die tatsächlichen Ausgaben dürften laut Einschätzung von | |
Experten aber um 50 Prozent höher liegen, da in den offiziellen Angaben | |
Investitionen in Atomraketen und andere Programme nicht enthalten sind. | |
Der Auftakt des Volkskongresses wurde überschattet von der Nachricht über | |
zwei neue Selbstverbrennungen von Tibetern. Seit einem Jahr haben sich | |
schon mehr als 20 Tibeter selbst angezündet und getötet, um damit gegen die | |
chinesische Herrschaft über das tibetische Volk zu protestieren. In seinem | |
Bericht beschwor der Regierungschef nur die Einheit aller Volksgruppen in | |
China, ohne auf die fortdauernden Proteste einzugehen. Als Reaktion hat die | |
Regierung zusätzlich Sicherheitskräfte in tibetisch bewohnte Gebiete | |
entsandt. | |
5 Mar 2012 | |
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