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# taz.de -- Protest in Russland: Hunderte Putin-Gegner festgenommen
> Auf die unfairen Wahlen folgen unfairer und harter Polizeieinsatz:
> Mindestes 550 Demonstranten wurden in Moskau und St. Petersburg
> festgenommen. Und Putin? Startet politische Manöver.
Bild: Vier gegen eine: Die Polizei in Moskau war mal wieder nicht zimperlich.
MOSKAU dpa | Schatten über einem ohnehin nicht lupenreinen Wahlsieg: Nach
der als unfair kritisierten Wahl von Wladimir Putin zum Kremlchef ist die
Polizei erstmals seit Monaten wieder mit Härte vorgegangen und hat
mindestens 550 Demonstranten festgenommen. Zehntausende hatten am
Montagabend in Moskau und St. Petersburg gegen die Rückkehr des 59-jährigen
Ex-Geheimdienstchefs ins Präsidentenamt protestiert.
In der Nacht zu Dienstwag ließ die Polizei die ersten Festgenommenen wieder
frei. Internationale Beobachter kritisierten die Wahl als ungerecht und
unfair. In jedem dritten Wahllokal seien bei der Auszählung Unstimmigkeiten
festgestellt worden, teilte die Organisation für Sicherheit und
Zusammenarbeit in Europa (OSZE) mit. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)
forderte Putin zu Reformen auf.
Bei den Protesten in der Hauptstadt wurde der bekannte Blogger Alexej
Nawalny, der in Oppositionskreisen als möglicher künftiger
Präsidentschaftskandidat gehandelt wird, ebenso abgeführt wie der
Linkspolitiker Sergej Udalzow. Nawalny sei in der Nacht gegen eine
Geldstrafe wieder freigelassen worden, meldete die Agentur Interfax. Und
auch Udalzow wurde noch in der Nacht auf freien Fuß gesetzt, wie die
Agentur Itar-Tass berichtete.
Dagegen feierten in der Nähe des Roten Platzes nach offiziellen Angaben
etwa 10.000 Jugendliche bei einer erlaubten Versammlung die Rückkehr von
Putin.
Putin wird im Mai nach 2000 und 2004 zum dritten Mal in den Kreml als
Präsident einziehen. Bundeskanzlerin Merkel teilte in Berlin mit, sie setze
weiter auf eine „strategische Partnerschaft“ mit Russland. Bei der
Modernisierung Russlands müsse es sich auch um eine
„politisch-gesellschaftliche Modernisierung“ handeln. Demokratie und
Menschenrechte müssten gestärkt werden. Deutschland und Russland haben eine
„Modernisierungspartnerschaft“ vereinbart, zum Beispiel über eine
Zusammenarbeit bei der Energieeffizienz.
Nach seinem Sieg bot Putin den unterlegenen Konkurrenten eine
Zusammenarbeit an. „Lassen Sie uns die Probleme Russlands gemeinsam lösen“,
sagte der künftige Präsident. Er forderte eine Aufklärung der massiven
Klagen über Verstöße bei der Abstimmung. Auch der scheidende Kremlchef
Dmitri Medwedew signalisierte der Opposition Entgegenkommen. Er wies die
Justiz überraschend an, bis zum 1. April die Verurteilung des inhaftierten
Kremlgegners und Ex-Ölmanagers Michail Chodorkowski sowie 32 weitere
Hafturteile zu prüfen.
## Politisches Manöver
Menschenrechtler und Politologen bewerteten dies als politisches Manöver.
Die Freilassung von Chodorkowski ist eine Hauptforderung der Opposition und
der internationalen Gemeinschaft. Die Ankündigung mache Mut, sagte in
Berlin die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie
hoffe nun auf konkrete Schritte.
„Diese Wahl ist nicht fair verlaufen“, sagte die OSZE-Diplomatin Heidi
Tagliavini. Vielerorts seien Stimmzettel in die Wahlurne gestopft worden.
Demokratische Standards, zu denen sich Russland als Europaratsmitglied
verpflichtet habe, seien nicht voll erfüllt worden, sagte auch der
Niederländer Tiny Kox. Die Bedingungen seien auf Putin zugeschnitten
gewesen. Zudem sei der politische Wettbewerb durch den Ausschluss der
Opposition eingeschränkt gewesen.
Die USA riefen Russland auf, die Berichte zu untersuchen. Es müsse sich um
eine "unabhängige, glaubwürdige Untersuchung aller berichteten
Wahlverstöße" handeln, forderte das Außenministerium.
## 63,6 Prozent
Der kremlnahe Wahlleiter Wladimir Tschurow wies die Vorwürfe, die auch
unabhängige russische Wahlbeobachter erhoben, zurück. Der Wahlkampf sei
offener, sauberer und transparenter gewesen als irgendwo auf der Welt.
Trotz der Vorwürfe erklärte die Wahlkommission Putin nach vorläufigem
amtlichen Endergebnis mit 63,6 Prozent zum Sieger. Das endgültige Resultat
folgt in den kommenden Tagen. Der Regierungschef blieb deutlich unter
seinem Ergebnis von 2004 (71,3 Prozent), aber über seinem ersten Wert von
2000 (52,9 Prozent). Die Beteiligung lag bei 65,3 Prozent der rund 110
Millionen Berechtigten.
Auf Platz zwei der Präsidentenwahl landete Kommunistenchef Gennadi Sjuganow
mit 17,18 Prozent. Der Milliardär Michail Prochorow kam auf 7,98 Prozent,
der Ultranationalist Wladimir Schirinowski auf 6,22 Prozent und der
Linkskonservative Sergej Mironow auf 3,85 Prozent.
Der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Link (FDP), forderte Putin
auf, mehr Demokratie zu wagen. Wenn Putin Russland wirklich reformieren
wolle, müsse er mehr Rechtsstaat zulassen, hob Link im Hamburger Abendblatt
hervor.
6 Mar 2012
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